Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

war auch ein bronzener Dopelleuchter, den Schach
selber, vor drei Jahren erst, von seiner italienischen
Reise mit nach Hause gebracht und seiner Mutter
verehrt hatte. Diesen Leuchter nahm jetzt Krist vom
Kamin und zündete die beiden Wachslichter an, die
seit lange schon in den Leuchtertellern steckten, und
ihrerzeit der verstorbenen Gnädigen zum Siegeln ihrer
Briefe gedient hatten. Die Gnädige selbst aber war
erst seit einem Jahre tot, und da Schach, von jener
Zeit an, nicht wieder hier gewesen war, so hatte noch
alles den alten Platz. Ein paar kleine Sofas standen
wie früher an den Schmalseiten einander gegen¬
über, während zwei größere die Mitte der Längswand
einnahmen und nichts als die vergoldete Rokoko-Doppel¬
thür zwischen sich hatten. Auch der runde Rosenholz¬
tisch (ein Stolz der Generalin) und die große Mar¬
morschale, darin alabasterne Weintrauben und Orangen
und ein Pinienapfel lagen, standen unverändert an
ihrem Platz. In dem ganzen Zimmer aber, das seit
lange nicht gelüftet war, war eine stickige Schwüle.

"Mach ein Fenster auf," sagte Schach. "Und
dann gieb mir eine Decke. Die da."

"Wullen's sich denn hier hen leggen, junge
Herr?"

"Ja, Krist. Ich habe schon schlechter gelegen."

"Ick weet. Jott, wenn de oll jnädge Herr uns

war auch ein bronzener Dopelleuchter, den Schach
ſelber, vor drei Jahren erſt, von ſeiner italieniſchen
Reiſe mit nach Hauſe gebracht und ſeiner Mutter
verehrt hatte. Dieſen Leuchter nahm jetzt Kriſt vom
Kamin und zündete die beiden Wachslichter an, die
ſeit lange ſchon in den Leuchtertellern ſteckten, und
ihrerzeit der verſtorbenen Gnädigen zum Siegeln ihrer
Briefe gedient hatten. Die Gnädige ſelbſt aber war
erſt ſeit einem Jahre tot, und da Schach, von jener
Zeit an, nicht wieder hier geweſen war, ſo hatte noch
alles den alten Platz. Ein paar kleine Sofas ſtanden
wie früher an den Schmalſeiten einander gegen¬
über, während zwei größere die Mitte der Längswand
einnahmen und nichts als die vergoldete Rokoko-Doppel¬
thür zwiſchen ſich hatten. Auch der runde Roſenholz¬
tiſch (ein Stolz der Generalin) und die große Mar¬
morſchale, darin alabaſterne Weintrauben und Orangen
und ein Pinienapfel lagen, ſtanden unverändert an
ihrem Platz. In dem ganzen Zimmer aber, das ſeit
lange nicht gelüftet war, war eine ſtickige Schwüle.

„Mach ein Fenſter auf,“ ſagte Schach. „Und
dann gieb mir eine Decke. Die da.“

„Wullen's ſich denn hier hen leggen, junge
Herr?“

„Ja, Kriſt. Ich habe ſchon ſchlechter gelegen.“

„Ick weet. Jott, wenn de oll jnädge Herr uns

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="155"/>
war auch ein bronzener Dopelleuchter, den Schach<lb/>
&#x017F;elber, vor drei Jahren er&#x017F;t, von &#x017F;einer italieni&#x017F;chen<lb/>
Rei&#x017F;e mit nach Hau&#x017F;e gebracht und &#x017F;einer Mutter<lb/>
verehrt hatte. Die&#x017F;en Leuchter nahm jetzt Kri&#x017F;t vom<lb/>
Kamin und zündete die beiden Wachslichter an, die<lb/>
&#x017F;eit lange &#x017F;chon in den Leuchtertellern &#x017F;teckten, und<lb/>
ihrerzeit der ver&#x017F;torbenen Gnädigen zum Siegeln ihrer<lb/>
Briefe gedient hatten. Die Gnädige &#x017F;elb&#x017F;t aber war<lb/>
er&#x017F;t &#x017F;eit einem Jahre tot, und da Schach, von jener<lb/>
Zeit an, nicht wieder hier gewe&#x017F;en war, &#x017F;o hatte noch<lb/>
alles den alten Platz. Ein paar kleine Sofas &#x017F;tanden<lb/>
wie früher an den Schmal&#x017F;eiten einander gegen¬<lb/>
über, während zwei größere die Mitte der Längswand<lb/>
einnahmen und nichts als die vergoldete Rokoko-Doppel¬<lb/>
thür zwi&#x017F;chen &#x017F;ich hatten. Auch der runde Ro&#x017F;enholz¬<lb/>
ti&#x017F;ch (ein Stolz der Generalin) und die große Mar¬<lb/>
mor&#x017F;chale, darin alaba&#x017F;terne Weintrauben und Orangen<lb/>
und ein Pinienapfel lagen, &#x017F;tanden unverändert an<lb/>
ihrem Platz. In dem ganzen Zimmer aber, das &#x017F;eit<lb/>
lange nicht gelüftet war, war eine &#x017F;tickige Schwüle.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mach ein Fen&#x017F;ter auf,&#x201C; &#x017F;agte Schach. &#x201E;Und<lb/>
dann gieb mir eine Decke. Die da.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wullen's &#x017F;ich denn <hi rendition="#g">hier</hi> hen leggen, junge<lb/>
Herr?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Kri&#x017F;t. Ich habe &#x017F;chon &#x017F;chlechter gelegen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ick weet. Jott, wenn de oll jnädge Herr uns<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0167] war auch ein bronzener Dopelleuchter, den Schach ſelber, vor drei Jahren erſt, von ſeiner italieniſchen Reiſe mit nach Hauſe gebracht und ſeiner Mutter verehrt hatte. Dieſen Leuchter nahm jetzt Kriſt vom Kamin und zündete die beiden Wachslichter an, die ſeit lange ſchon in den Leuchtertellern ſteckten, und ihrerzeit der verſtorbenen Gnädigen zum Siegeln ihrer Briefe gedient hatten. Die Gnädige ſelbſt aber war erſt ſeit einem Jahre tot, und da Schach, von jener Zeit an, nicht wieder hier geweſen war, ſo hatte noch alles den alten Platz. Ein paar kleine Sofas ſtanden wie früher an den Schmalſeiten einander gegen¬ über, während zwei größere die Mitte der Längswand einnahmen und nichts als die vergoldete Rokoko-Doppel¬ thür zwiſchen ſich hatten. Auch der runde Roſenholz¬ tiſch (ein Stolz der Generalin) und die große Mar¬ morſchale, darin alabaſterne Weintrauben und Orangen und ein Pinienapfel lagen, ſtanden unverändert an ihrem Platz. In dem ganzen Zimmer aber, das ſeit lange nicht gelüftet war, war eine ſtickige Schwüle. „Mach ein Fenſter auf,“ ſagte Schach. „Und dann gieb mir eine Decke. Die da.“ „Wullen's ſich denn hier hen leggen, junge Herr?“ „Ja, Kriſt. Ich habe ſchon ſchlechter gelegen.“ „Ick weet. Jott, wenn de oll jnädge Herr uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/167
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/167>, abgerufen am 02.05.2024.