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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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Beide verneigten sich.

"Alles in allem wird es das Beste sein, meine
Freundin Pauline nimmt es persönlich in die Hand.
Ich denke, sie wird den Carayon'schen Damen einen
ersten Besuch machen, und ich sehe Stunden eines
angeregtesten geistigen Austausches entgegen."

Die peinliche Stille, womit auch diese Schlu߬
worte hingenommen wurden, würde noch fühlbarer
gewesen sein, wenn nicht Dussek in eben diesem Moment
auf den Balkon hinausgetreten wäre. "Wie schön",
rief er und wies mit der Hand auf den westlichen,
bis hoch hinauf in einem glühgelben Lichte stehenden
Horizont.

Alle waren mit ihm an die Brüstung des Bal¬
kons getreten, und sahen flußabwärts in den Abend¬
himmel hinein. Vor dem gelben Lichtstreifen standen
schwarz und schweigend die hohen Pappeln und selbst
die Schloßkuppel wirkte nur noch als Schattenriß.

Einen jeden der Gäste berührte diese Schönheit.
Am schönsten aber war der Anblick zahlloser Schwäne,
die, während man in den Abendhimmel sah, vom
Charlottenburger Park her in langer Reihe heran¬
kamen. Andre lagen schon in Front. Es war er¬
sichtlich, daß die ganze Flottille durch irgend was
bis in die Nähe der Villa gelockt sein mußte, denn
sobald sie die Höhe derselben erreicht hatte, schwenkten

Beide verneigten ſich.

„Alles in allem wird es das Beſte ſein, meine
Freundin Pauline nimmt es perſönlich in die Hand.
Ich denke, ſie wird den Carayon'ſchen Damen einen
erſten Beſuch machen, und ich ſehe Stunden eines
angeregteſten geiſtigen Austauſches entgegen.“

Die peinliche Stille, womit auch dieſe Schlu߬
worte hingenommen wurden, würde noch fühlbarer
geweſen ſein, wenn nicht Duſſek in eben dieſem Moment
auf den Balkon hinausgetreten wäre. „Wie ſchön“,
rief er und wies mit der Hand auf den weſtlichen,
bis hoch hinauf in einem glühgelben Lichte ſtehenden
Horizont.

Alle waren mit ihm an die Brüſtung des Bal¬
kons getreten, und ſahen flußabwärts in den Abend¬
himmel hinein. Vor dem gelben Lichtſtreifen ſtanden
ſchwarz und ſchweigend die hohen Pappeln und ſelbſt
die Schloßkuppel wirkte nur noch als Schattenriß.

Einen jeden der Gäſte berührte dieſe Schönheit.
Am ſchönſten aber war der Anblick zahlloſer Schwäne,
die, während man in den Abendhimmel ſah, vom
Charlottenburger Park her in langer Reihe heran¬
kamen. Andre lagen ſchon in Front. Es war er¬
ſichtlich, daß die ganze Flottille durch irgend was
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[95/0107] Beide verneigten ſich. „Alles in allem wird es das Beſte ſein, meine Freundin Pauline nimmt es perſönlich in die Hand. Ich denke, ſie wird den Carayon'ſchen Damen einen erſten Beſuch machen, und ich ſehe Stunden eines angeregteſten geiſtigen Austauſches entgegen.“ Die peinliche Stille, womit auch dieſe Schlu߬ worte hingenommen wurden, würde noch fühlbarer geweſen ſein, wenn nicht Duſſek in eben dieſem Moment auf den Balkon hinausgetreten wäre. „Wie ſchön“, rief er und wies mit der Hand auf den weſtlichen, bis hoch hinauf in einem glühgelben Lichte ſtehenden Horizont. Alle waren mit ihm an die Brüſtung des Bal¬ kons getreten, und ſahen flußabwärts in den Abend¬ himmel hinein. Vor dem gelben Lichtſtreifen ſtanden ſchwarz und ſchweigend die hohen Pappeln und ſelbſt die Schloßkuppel wirkte nur noch als Schattenriß. Einen jeden der Gäſte berührte dieſe Schönheit. Am ſchönſten aber war der Anblick zahlloſer Schwäne, die, während man in den Abendhimmel ſah, vom Charlottenburger Park her in langer Reihe heran¬ kamen. Andre lagen ſchon in Front. Es war er¬ ſichtlich, daß die ganze Flottille durch irgend was bis in die Nähe der Villa gelockt ſein mußte, denn ſobald ſie die Höhe derſelben erreicht hatte, ſchwenkten

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/107>, abgerufen am 01.05.2024.