Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

ist. Ein paar Grübchen in der Wange sind das
Reizendste von der Welt, das hat schon bei den Römern
und Griechen gegolten, und ich bin nicht ungalant und
unlogisch genug, um einer Grübchen-Vielheit einen Respekt
und eine Huldigung zu versagen, die der Einheit
oder dem Pärchen von Alters her gebührt. Das
paradoxe ,le laid c'est le beau' hat seine voll¬
kommne Berechtigung, und es heißt nichts andres, als
daß sich hinter dem anscheinend Häßlichen eine höhere
Form der Schönheit verbirgt. Wäre meine teure
Pauline hier, wie sies leider nicht ist, sie würde mir
zustimmen, offen und nachdrücklich, ohne durch persön¬
liche Schicksale captiviert zu sein."

Der Prinz schwieg. Es war ersichtlich, daß er
auf einen allseitigen Ausdruck des Bedauerns wartete,
Frau Pauline, die gelegentlich die Honneurs des
Hauses machte, heute nicht anwesend zu sehn. Als
aber Niemand das Schweigen brach, fuhr er fort:
"Es fehlen uns die Frauen, und damit dem Wein
und unsrem Leben der Schaum. Ich nehme meinen
Wunsch wieder auf und wiederhole, daß es mich
glücklich machen würde, die Carayon'schen Damen in
dem Salon meiner Freundin empfangen zu dürfen.
Ich zähle darauf, daß diejenigen Herren, die dem
Kreise der Frau von Carayon angehören, sich zum Inter¬
preten meiner Wünsche machen. Sie Schach, oder
auch Sie, lieber Alvensleben."

iſt. Ein paar Grübchen in der Wange ſind das
Reizendſte von der Welt, das hat ſchon bei den Römern
und Griechen gegolten, und ich bin nicht ungalant und
unlogiſch genug, um einer Grübchen-Vielheit einen Reſpekt
und eine Huldigung zu verſagen, die der Einheit
oder dem Pärchen von Alters her gebührt. Das
paradoxe ,le laid c'est le beau‘ hat ſeine voll¬
kommne Berechtigung, und es heißt nichts andres, als
daß ſich hinter dem anſcheinend Häßlichen eine höhere
Form der Schönheit verbirgt. Wäre meine teure
Pauline hier, wie ſies leider nicht iſt, ſie würde mir
zuſtimmen, offen und nachdrücklich, ohne durch perſön¬
liche Schickſale captiviert zu ſein.“

Der Prinz ſchwieg. Es war erſichtlich, daß er
auf einen allſeitigen Ausdruck des Bedauerns wartete,
Frau Pauline, die gelegentlich die Honneurs des
Hauſes machte, heute nicht anweſend zu ſehn. Als
aber Niemand das Schweigen brach, fuhr er fort:
„Es fehlen uns die Frauen, und damit dem Wein
und unſrem Leben der Schaum. Ich nehme meinen
Wunſch wieder auf und wiederhole, daß es mich
glücklich machen würde, die Carayon'ſchen Damen in
dem Salon meiner Freundin empfangen zu dürfen.
Ich zähle darauf, daß diejenigen Herren, die dem
Kreiſe der Frau von Carayon angehören, ſich zum Inter¬
preten meiner Wünſche machen. Sie Schach, oder
auch Sie, lieber Alvensleben.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="94"/>
i&#x017F;t. Ein paar Grübchen in der Wange &#x017F;ind das<lb/>
Reizend&#x017F;te von der Welt, das hat &#x017F;chon bei den Römern<lb/>
und Griechen gegolten, und ich bin nicht ungalant und<lb/>
unlogi&#x017F;ch genug, um einer Grübchen-Vielheit einen Re&#x017F;pekt<lb/>
und eine Huldigung zu ver&#x017F;agen, die der Einheit<lb/>
oder dem Pärchen von Alters her gebührt. Das<lb/>
paradoxe <hi rendition="#aq">,le laid c'est le beau&#x2018;</hi> hat &#x017F;eine voll¬<lb/>
kommne Berechtigung, und es heißt nichts andres, als<lb/>
daß &#x017F;ich hinter dem an&#x017F;cheinend Häßlichen eine höhere<lb/>
Form der Schönheit verbirgt. Wäre meine teure<lb/>
Pauline hier, wie &#x017F;ies leider <hi rendition="#g">nicht</hi> i&#x017F;t, &#x017F;ie würde mir<lb/>
zu&#x017F;timmen, offen und nachdrücklich, ohne durch per&#x017F;ön¬<lb/>
liche Schick&#x017F;ale captiviert zu &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Prinz &#x017F;chwieg. Es war er&#x017F;ichtlich, daß er<lb/>
auf einen all&#x017F;eitigen Ausdruck des Bedauerns wartete,<lb/>
Frau Pauline, die gelegentlich die Honneurs des<lb/>
Hau&#x017F;es machte, heute <hi rendition="#g">nicht</hi> anwe&#x017F;end zu &#x017F;ehn. Als<lb/>
aber Niemand das Schweigen brach, fuhr er fort:<lb/>
&#x201E;Es fehlen uns die Frauen, und damit dem Wein<lb/>
und un&#x017F;rem Leben der Schaum. Ich nehme meinen<lb/>
Wun&#x017F;ch wieder auf und wiederhole, daß es mich<lb/>
glücklich machen würde, die Carayon'&#x017F;chen Damen in<lb/>
dem Salon meiner Freundin empfangen zu dürfen.<lb/>
Ich zähle darauf, daß diejenigen Herren, die dem<lb/>
Krei&#x017F;e der Frau von Carayon angehören, &#x017F;ich zum Inter¬<lb/>
preten meiner Wün&#x017F;che machen. Sie Schach, oder<lb/>
auch Sie, lieber Alvensleben.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0106] iſt. Ein paar Grübchen in der Wange ſind das Reizendſte von der Welt, das hat ſchon bei den Römern und Griechen gegolten, und ich bin nicht ungalant und unlogiſch genug, um einer Grübchen-Vielheit einen Reſpekt und eine Huldigung zu verſagen, die der Einheit oder dem Pärchen von Alters her gebührt. Das paradoxe ,le laid c'est le beau‘ hat ſeine voll¬ kommne Berechtigung, und es heißt nichts andres, als daß ſich hinter dem anſcheinend Häßlichen eine höhere Form der Schönheit verbirgt. Wäre meine teure Pauline hier, wie ſies leider nicht iſt, ſie würde mir zuſtimmen, offen und nachdrücklich, ohne durch perſön¬ liche Schickſale captiviert zu ſein.“ Der Prinz ſchwieg. Es war erſichtlich, daß er auf einen allſeitigen Ausdruck des Bedauerns wartete, Frau Pauline, die gelegentlich die Honneurs des Hauſes machte, heute nicht anweſend zu ſehn. Als aber Niemand das Schweigen brach, fuhr er fort: „Es fehlen uns die Frauen, und damit dem Wein und unſrem Leben der Schaum. Ich nehme meinen Wunſch wieder auf und wiederhole, daß es mich glücklich machen würde, die Carayon'ſchen Damen in dem Salon meiner Freundin empfangen zu dürfen. Ich zähle darauf, daß diejenigen Herren, die dem Kreiſe der Frau von Carayon angehören, ſich zum Inter¬ preten meiner Wünſche machen. Sie Schach, oder auch Sie, lieber Alvensleben.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/106
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/106>, abgerufen am 01.05.2024.