Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.neben dem Feuerrade, und jedes Mal, wenn die Funken wieder zu sprühen begannen, erschallte sein stop. Dann kurze Pause, etwas Gespräch, etwas Flüssigkeit und wieder ging es weiter in die Nacht hinein. Unsere gute Laune hätte schwerlich ausgehalten, wenn wir nicht gewußt hätten, daß die nächste Station binnen einer guten halben Stunde erreicht werden mußte. In der That, wir kamen wohlbehalten an und hielten vor dem Wirthshaus von Aviemore. Inzwischen war es völlig Nacht geworden, und Jeder kennt das komisch-romantische Treiben das auf einsamen Posthöfen auf eine Viertel- oder halbe Stunde zu herrschen pflegt, wenn ein verspäteter Kutschwagen die Ruhe solcher Höfe unterbricht. Aus Verschlafenheit und Holzschuhen, aus Stall-Laternen und Wichtigkeit setzt sich ein wunderliches Bild zusammen, das natürlich an Reiz und Interesse wächst, wenn "etwas vorgefallen ist" und jeder glaubt, durch seinen Rath und seine Laterne die Sache bessern zu können. Ein solches Bild hatten wir auf dem Wirthshaushof von Aviemore. Nachdem mit Hebebäumen und Schraubstöcken, mit Rathen und Thaten eine halbe Stunde vertrödelt, end-lich aber mit Hülfe von aufgestreutem Schwefel die Frage "Feuer oder Nicht-Feuer" zu Gunsten von "Nicht-Feuer" beantwortet war, trieb uns der Conducteur mit einem ermuthigenden all safe wieder auf den Wagen und auf's Neue ging es in die Nacht hinein. Schlaftrunken saßen wir auf unsern Plätzen, gleichgültig dagegen, ob das Vorderrad abermals brennen oder ein Nicken nach neben dem Feuerrade, und jedes Mal, wenn die Funken wieder zu sprühen begannen, erschallte sein stop. Dann kurze Pause, etwas Gespräch, etwas Flüssigkeit und wieder ging es weiter in die Nacht hinein. Unsere gute Laune hätte schwerlich ausgehalten, wenn wir nicht gewußt hätten, daß die nächste Station binnen einer guten halben Stunde erreicht werden mußte. In der That, wir kamen wohlbehalten an und hielten vor dem Wirthshaus von Aviemore. Inzwischen war es völlig Nacht geworden, und Jeder kennt das komisch-romantische Treiben das auf einsamen Posthöfen auf eine Viertel- oder halbe Stunde zu herrschen pflegt, wenn ein verspäteter Kutschwagen die Ruhe solcher Höfe unterbricht. Aus Verschlafenheit und Holzschuhen, aus Stall-Laternen und Wichtigkeit setzt sich ein wunderliches Bild zusammen, das natürlich an Reiz und Interesse wächst, wenn „etwas vorgefallen ist“ und jeder glaubt, durch seinen Rath und seine Laterne die Sache bessern zu können. Ein solches Bild hatten wir auf dem Wirthshaushof von Aviemore. Nachdem mit Hebebäumen und Schraubstöcken, mit Rathen und Thaten eine halbe Stunde vertrödelt, end-lich aber mit Hülfe von aufgestreutem Schwefel die Frage „Feuer oder Nicht-Feuer“ zu Gunsten von „Nicht-Feuer“ beantwortet war, trieb uns der Conducteur mit einem ermuthigenden all safe wieder auf den Wagen und auf’s Neue ging es in die Nacht hinein. Schlaftrunken saßen wir auf unsern Plätzen, gleichgültig dagegen, ob das Vorderrad abermals brennen oder ein Nicken nach <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0241" n="227"/> neben dem Feuerrade, und jedes Mal, wenn die Funken wieder zu sprühen begannen, erschallte sein <hi rendition="#aq">stop</hi>. Dann kurze Pause, etwas Gespräch, etwas Flüssigkeit und wieder ging es weiter in die Nacht hinein. Unsere gute Laune hätte schwerlich ausgehalten, wenn wir nicht gewußt hätten, daß die nächste Station binnen einer guten halben Stunde erreicht werden mußte. In der That, wir kamen wohlbehalten an und hielten vor dem Wirthshaus von Aviemore. Inzwischen war es völlig Nacht geworden, und Jeder kennt das komisch-romantische Treiben das auf einsamen Posthöfen auf eine Viertel- oder halbe Stunde zu herrschen pflegt, wenn ein verspäteter Kutschwagen die Ruhe solcher Höfe unterbricht. Aus Verschlafenheit und Holzschuhen, aus Stall-Laternen und Wichtigkeit setzt sich ein wunderliches Bild zusammen, das natürlich an Reiz und Interesse wächst, wenn „etwas vorgefallen ist“ und jeder glaubt, durch <hi rendition="#g">seinen</hi> Rath und <hi rendition="#g">seine</hi> Laterne die Sache bessern zu können. Ein solches Bild hatten wir auf dem Wirthshaushof von Aviemore. Nachdem mit Hebebäumen und Schraubstöcken, mit Rathen und Thaten eine halbe Stunde vertrödelt, end-lich aber mit Hülfe von aufgestreutem Schwefel die Frage „Feuer oder Nicht-Feuer“ zu Gunsten von „Nicht-Feuer“ beantwortet war, trieb uns der Conducteur mit einem ermuthigenden <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">all safe</foreign></hi> wieder auf den Wagen und auf’s Neue ging es in die Nacht hinein. Schlaftrunken saßen wir auf unsern Plätzen, gleichgültig dagegen, ob das Vorderrad abermals brennen oder ein Nicken nach<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [227/0241]
neben dem Feuerrade, und jedes Mal, wenn die Funken wieder zu sprühen begannen, erschallte sein stop. Dann kurze Pause, etwas Gespräch, etwas Flüssigkeit und wieder ging es weiter in die Nacht hinein. Unsere gute Laune hätte schwerlich ausgehalten, wenn wir nicht gewußt hätten, daß die nächste Station binnen einer guten halben Stunde erreicht werden mußte. In der That, wir kamen wohlbehalten an und hielten vor dem Wirthshaus von Aviemore. Inzwischen war es völlig Nacht geworden, und Jeder kennt das komisch-romantische Treiben das auf einsamen Posthöfen auf eine Viertel- oder halbe Stunde zu herrschen pflegt, wenn ein verspäteter Kutschwagen die Ruhe solcher Höfe unterbricht. Aus Verschlafenheit und Holzschuhen, aus Stall-Laternen und Wichtigkeit setzt sich ein wunderliches Bild zusammen, das natürlich an Reiz und Interesse wächst, wenn „etwas vorgefallen ist“ und jeder glaubt, durch seinen Rath und seine Laterne die Sache bessern zu können. Ein solches Bild hatten wir auf dem Wirthshaushof von Aviemore. Nachdem mit Hebebäumen und Schraubstöcken, mit Rathen und Thaten eine halbe Stunde vertrödelt, end-lich aber mit Hülfe von aufgestreutem Schwefel die Frage „Feuer oder Nicht-Feuer“ zu Gunsten von „Nicht-Feuer“ beantwortet war, trieb uns der Conducteur mit einem ermuthigenden all safe wieder auf den Wagen und auf’s Neue ging es in die Nacht hinein. Schlaftrunken saßen wir auf unsern Plätzen, gleichgültig dagegen, ob das Vorderrad abermals brennen oder ein Nicken nach
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/241 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/241>, abgerufen am 22.07.2024. |