Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Rhoderick Dhu beschlossen hatte, ihn auf dem Heimweg überfallen und tödten zu lassen. Sehen wir, wie der König dieser Gefahr entging. Er fand Ellen, aber er fand sie nicht geneigt, seinen Bitten Gehör zu geben. Wohl vertraut mit der Art der Frauen, stand er von einer Werbung ab, deren Erfolglosigkeit er rasch erkannte. Im Moment der Trennung warnte sie den König vor der ihm drohenden Gefahr, ein Wort, das, Anfangs leicht hingenommen, dem Könige bald in seiner ganzen Bedeutung klar werden sollte. Da, wo die Trosachs zum Loch Achray hinabsteigen, sah er sich umstellt, und wiewohl er den Nächsten seiner Angreifer niederschlug, rettete ihn doch nur die Nähe und Dichte des Waldes. Der nächsten Gefahr war er entgangen, aber unkundig des Landes, der Wälder, Haiden und Moore, durch die sein Fuß jetzt irrte, wie durfte er hoffen, sich unentdeckt durch ein vom Feinde hundertfach besetztes Land zu schlagen! Erschöpft von Hitze und Anstrengung, brach er endlich zusammen und beschloß im Dickicht des Waldes die Nacht und die Rückkehr seiner Kräfte abzuwarten. Die Stunden vergingen und die Sterne zogen endlich herauf, blaß und verschleiert, aber doch hell genug, dem Verirrten den Klippenrand oder auch die Sümpfe zu zeigen, die, unter Binsen versteckt, oft neben seinem Pfade lagen. Es mochte Mitternacht sein, als er in die Nähe von Loch Achray kam und, um einen Felsenvorsprung biegend, Rhoderick Dhu beschlossen hatte, ihn auf dem Heimweg überfallen und tödten zu lassen. Sehen wir, wie der König dieser Gefahr entging. Er fand Ellen, aber er fand sie nicht geneigt, seinen Bitten Gehör zu geben. Wohl vertraut mit der Art der Frauen, stand er von einer Werbung ab, deren Erfolglosigkeit er rasch erkannte. Im Moment der Trennung warnte sie den König vor der ihm drohenden Gefahr, ein Wort, das, Anfangs leicht hingenommen, dem Könige bald in seiner ganzen Bedeutung klar werden sollte. Da, wo die Trosachs zum Loch Achray hinabsteigen, sah er sich umstellt, und wiewohl er den Nächsten seiner Angreifer niederschlug, rettete ihn doch nur die Nähe und Dichte des Waldes. Der nächsten Gefahr war er entgangen, aber unkundig des Landes, der Wälder, Haiden und Moore, durch die sein Fuß jetzt irrte, wie durfte er hoffen, sich unentdeckt durch ein vom Feinde hundertfach besetztes Land zu schlagen! Erschöpft von Hitze und Anstrengung, brach er endlich zusammen und beschloß im Dickicht des Waldes die Nacht und die Rückkehr seiner Kräfte abzuwarten. Die Stunden vergingen und die Sterne zogen endlich herauf, blaß und verschleiert, aber doch hell genug, dem Verirrten den Klippenrand oder auch die Sümpfe zu zeigen, die, unter Binsen versteckt, oft neben seinem Pfade lagen. Es mochte Mitternacht sein, als er in die Nähe von Loch Achray kam und, um einen Felsenvorsprung biegend, <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0196" n="182"/> Rhoderick Dhu beschlossen hatte, ihn auf dem Heimweg überfallen und tödten zu lassen. Sehen wir, wie der König dieser Gefahr entging.</p><lb/> <p>Er fand Ellen, aber er fand sie nicht geneigt, seinen Bitten Gehör zu geben. Wohl vertraut mit der Art der Frauen, stand er von einer Werbung ab, deren Erfolglosigkeit er rasch erkannte. Im Moment der Trennung warnte sie den König vor der ihm drohenden Gefahr, ein Wort, das, Anfangs leicht hingenommen, dem Könige bald in seiner ganzen Bedeutung klar werden sollte. Da, wo die Trosachs zum Loch Achray hinabsteigen, sah er sich umstellt, und wiewohl er den Nächsten seiner Angreifer niederschlug, rettete ihn doch nur die Nähe und Dichte des Waldes. </p><lb/> <p>Der nächsten Gefahr war er entgangen, aber unkundig des Landes, der Wälder, Haiden und Moore, durch die sein Fuß jetzt irrte, wie durfte er hoffen, sich unentdeckt durch ein vom Feinde hundertfach besetztes Land zu schlagen! Erschöpft von Hitze und Anstrengung, brach er endlich zusammen und beschloß im Dickicht des Waldes die Nacht und die Rückkehr seiner Kräfte abzuwarten. Die Stunden vergingen und die Sterne zogen endlich herauf, blaß und verschleiert, aber doch hell genug, dem Verirrten den Klippenrand oder auch die Sümpfe zu zeigen, die, unter Binsen versteckt, oft neben seinem Pfade lagen. </p><lb/> <p>Es mochte Mitternacht sein, als er in die Nähe von Loch Achray kam und, um einen Felsenvorsprung biegend,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0196]
Rhoderick Dhu beschlossen hatte, ihn auf dem Heimweg überfallen und tödten zu lassen. Sehen wir, wie der König dieser Gefahr entging.
Er fand Ellen, aber er fand sie nicht geneigt, seinen Bitten Gehör zu geben. Wohl vertraut mit der Art der Frauen, stand er von einer Werbung ab, deren Erfolglosigkeit er rasch erkannte. Im Moment der Trennung warnte sie den König vor der ihm drohenden Gefahr, ein Wort, das, Anfangs leicht hingenommen, dem Könige bald in seiner ganzen Bedeutung klar werden sollte. Da, wo die Trosachs zum Loch Achray hinabsteigen, sah er sich umstellt, und wiewohl er den Nächsten seiner Angreifer niederschlug, rettete ihn doch nur die Nähe und Dichte des Waldes.
Der nächsten Gefahr war er entgangen, aber unkundig des Landes, der Wälder, Haiden und Moore, durch die sein Fuß jetzt irrte, wie durfte er hoffen, sich unentdeckt durch ein vom Feinde hundertfach besetztes Land zu schlagen! Erschöpft von Hitze und Anstrengung, brach er endlich zusammen und beschloß im Dickicht des Waldes die Nacht und die Rückkehr seiner Kräfte abzuwarten. Die Stunden vergingen und die Sterne zogen endlich herauf, blaß und verschleiert, aber doch hell genug, dem Verirrten den Klippenrand oder auch die Sümpfe zu zeigen, die, unter Binsen versteckt, oft neben seinem Pfade lagen.
Es mochte Mitternacht sein, als er in die Nähe von Loch Achray kam und, um einen Felsenvorsprung biegend,
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/196>, abgerufen am 22.07.2024. |