Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.plötzlich ein Wachfeuer sah, an dessen halb ausgebrannten Scheiten ein Hochländer lag. Als dieser seinerseits des Fremden ansichtig wurde, sprang er auf und forderte, auf den König eindringend, das Erkennungs- und Loosungswort der Mac Gregors. Fitzjames war klug genug, nicht lange verhehlen zu wollen, was Tracht und Sprache doch nicht verhehlen konnten, und gab sich rund heraus als das zu erkennen, was er war, als Feind. Aber er kannte auch die Hochlandssitte, und pochend auf die Unverletzlichkeit des Gastrechts, ließ er sich am Feuer nieder und beantwortete die Frage: "Was führt dich her?" mit einem von Herzen kommenden: "Hunger und Durst." Der Hochländer nahm Haferbrod und Rauchfleisch aus seiner Tasche und theilte, was er hatte. Dann warf er Reisig in das erlöschende Feuer, und sein Plaid von der Schulter lösend, schob er es seinem Gaste zu, der sich ohne weiteres darin einhüllte und zum Schlaf ausstreckte. Die beiden Feinde schliefen ruhig bei einander, bis die Morgensonne sie weckte. Man nahm einen Imbiß, dann wandte sich der Hochländer zu Fitzjames und sagte: "Das Land ist von den unsern besetzt, nirgends ein Ausweg für dich, es sei denn, ich führte dich und brächte dich bis Coil-antogle-Ford; da beginnt euer sächsisch Land, da magst du frei deines Weges ziehen." Fitzjames stimmte zu und bald schweigend, bald plaudernd schritten sie vorwärts. Der Hochländer sprach viel von dem alten Rechte der Mac Gregors, von den stolzen und übermüthigen "Sassenachs", die ihnen die plötzlich ein Wachfeuer sah, an dessen halb ausgebrannten Scheiten ein Hochländer lag. Als dieser seinerseits des Fremden ansichtig wurde, sprang er auf und forderte, auf den König eindringend, das Erkennungs- und Loosungswort der Mac Gregors. Fitzjames war klug genug, nicht lange verhehlen zu wollen, was Tracht und Sprache doch nicht verhehlen konnten, und gab sich rund heraus als das zu erkennen, was er war, als Feind. Aber er kannte auch die Hochlandssitte, und pochend auf die Unverletzlichkeit des Gastrechts, ließ er sich am Feuer nieder und beantwortete die Frage: „Was führt dich her?“ mit einem von Herzen kommenden: „Hunger und Durst.“ Der Hochländer nahm Haferbrod und Rauchfleisch aus seiner Tasche und theilte, was er hatte. Dann warf er Reisig in das erlöschende Feuer, und sein Plaid von der Schulter lösend, schob er es seinem Gaste zu, der sich ohne weiteres darin einhüllte und zum Schlaf ausstreckte. Die beiden Feinde schliefen ruhig bei einander, bis die Morgensonne sie weckte. Man nahm einen Imbiß, dann wandte sich der Hochländer zu Fitzjames und sagte: „Das Land ist von den unsern besetzt, nirgends ein Ausweg für dich, es sei denn, ich führte dich und brächte dich bis Coil-antogle-Ford; da beginnt euer sächsisch Land, da magst du frei deines Weges ziehen.“ Fitzjames stimmte zu und bald schweigend, bald plaudernd schritten sie vorwärts. Der Hochländer sprach viel von dem alten Rechte der Mac Gregors, von den stolzen und übermüthigen „Sassenachs“, die ihnen die <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0197" n="183"/> plötzlich ein Wachfeuer sah, an dessen halb ausgebrannten Scheiten ein Hochländer lag. Als dieser seinerseits des Fremden ansichtig wurde, sprang er auf und forderte, auf den König eindringend, das Erkennungs- und Loosungswort der Mac Gregors. Fitzjames war klug genug, nicht lange verhehlen zu wollen, was Tracht und Sprache doch nicht verhehlen konnten, und gab sich rund heraus als das zu erkennen, was er war, als Feind. Aber er kannte auch die Hochlandssitte, und pochend auf die Unverletzlichkeit des Gastrechts, ließ er sich am Feuer nieder und beantwortete die Frage: „Was führt dich her?“ mit einem von Herzen kommenden: „Hunger und Durst.“ Der Hochländer nahm Haferbrod und Rauchfleisch aus seiner Tasche und theilte, was er hatte. Dann warf er Reisig in das erlöschende Feuer, und sein Plaid von der Schulter lösend, schob er es seinem Gaste zu, der sich ohne weiteres darin einhüllte und zum Schlaf ausstreckte. Die beiden Feinde schliefen ruhig bei einander, bis die Morgensonne sie weckte. Man nahm einen Imbiß, dann wandte sich der Hochländer zu Fitzjames und sagte: „Das Land ist von den unsern besetzt, nirgends ein Ausweg für dich, es sei denn, ich führte dich und brächte dich bis Coil-antogle-Ford; da beginnt euer sächsisch Land, da magst du frei deines Weges ziehen.“ Fitzjames stimmte zu und bald schweigend, bald plaudernd schritten sie vorwärts. Der Hochländer sprach viel von dem alten Rechte der Mac Gregors, von den stolzen und übermüthigen „Sassenachs“, die ihnen die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0197]
plötzlich ein Wachfeuer sah, an dessen halb ausgebrannten Scheiten ein Hochländer lag. Als dieser seinerseits des Fremden ansichtig wurde, sprang er auf und forderte, auf den König eindringend, das Erkennungs- und Loosungswort der Mac Gregors. Fitzjames war klug genug, nicht lange verhehlen zu wollen, was Tracht und Sprache doch nicht verhehlen konnten, und gab sich rund heraus als das zu erkennen, was er war, als Feind. Aber er kannte auch die Hochlandssitte, und pochend auf die Unverletzlichkeit des Gastrechts, ließ er sich am Feuer nieder und beantwortete die Frage: „Was führt dich her?“ mit einem von Herzen kommenden: „Hunger und Durst.“ Der Hochländer nahm Haferbrod und Rauchfleisch aus seiner Tasche und theilte, was er hatte. Dann warf er Reisig in das erlöschende Feuer, und sein Plaid von der Schulter lösend, schob er es seinem Gaste zu, der sich ohne weiteres darin einhüllte und zum Schlaf ausstreckte. Die beiden Feinde schliefen ruhig bei einander, bis die Morgensonne sie weckte. Man nahm einen Imbiß, dann wandte sich der Hochländer zu Fitzjames und sagte: „Das Land ist von den unsern besetzt, nirgends ein Ausweg für dich, es sei denn, ich führte dich und brächte dich bis Coil-antogle-Ford; da beginnt euer sächsisch Land, da magst du frei deines Weges ziehen.“ Fitzjames stimmte zu und bald schweigend, bald plaudernd schritten sie vorwärts. Der Hochländer sprach viel von dem alten Rechte der Mac Gregors, von den stolzen und übermüthigen „Sassenachs“, die ihnen die
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/197>, abgerufen am 22.07.2024. |