Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Gastfreund gebracht zu haben. Was immer die Ursache sein mochte, Rhoderick Dhu war entschlossen, das Aeußerste zu wagen, und das "blutige Kreuz" durch alle Schluchten und Thäler seines Clans sendend, rief er die Mac Gregors auf Landrick Height zusammen. Sie kamen all. Der König, der nichts ahnte von dem Ungewitter, das sich den drei Seen entlang, an deren Ufern er gestern noch in tiefem Frieden gejagt hatte, gegen ihn zusammenzog, war inzwischen nach Stirling zurückgekehrt, voll von den Eindrücken, die das Eiland im See auf ihn gemacht hatte, vor allem aber voll Sehnsucht nach dem schönen Mädchen, das ihm wie die Beherrscherin einer mährchenhaften Insel erschienen war. Es ließ ihm keine Ruhe, und ein halbes Dutzend Gefährten bis nach Bochastle mit sich führend, ritt er jetzt auf's neue, einsam, ein abenteuernder Ritter, in das Schluchtenland der Mac Gregors hinein, um das Mädchen vom See zu sehen und zu ersiegen. Er verstand sich auf Frauen und hielt sich seines Sieges gewiß. Aber viel hatte sich seit gestern geändert. Die Mac Gregors lagen nicht mehr friedlich in ihren Hütten, sie lagerten wohlbewaffnet auf der Höhe von Landrick Height, und alle Engen und Pässe waren besetzt, um dem herannahenden Feinde, an dessen Existenz noch Jeder glaubte, zu begegnen. Der König, der den Seen entlang, durch die Trosachs hindurch, ruhig seines Weges trottete, ahnte nicht, daß er dem ganzen Clan, der überall seinen Schritten folgte, als ein bloßer Kundschafter galt, und daß Gastfreund gebracht zu haben. Was immer die Ursache sein mochte, Rhoderick Dhu war entschlossen, das Aeußerste zu wagen, und das „blutige Kreuz“ durch alle Schluchten und Thäler seines Clans sendend, rief er die Mac Gregors auf Landrick Height zusammen. Sie kamen all. Der König, der nichts ahnte von dem Ungewitter, das sich den drei Seen entlang, an deren Ufern er gestern noch in tiefem Frieden gejagt hatte, gegen ihn zusammenzog, war inzwischen nach Stirling zurückgekehrt, voll von den Eindrücken, die das Eiland im See auf ihn gemacht hatte, vor allem aber voll Sehnsucht nach dem schönen Mädchen, das ihm wie die Beherrscherin einer mährchenhaften Insel erschienen war. Es ließ ihm keine Ruhe, und ein halbes Dutzend Gefährten bis nach Bochastle mit sich führend, ritt er jetzt auf’s neue, einsam, ein abenteuernder Ritter, in das Schluchtenland der Mac Gregors hinein, um das Mädchen vom See zu sehen und zu ersiegen. Er verstand sich auf Frauen und hielt sich seines Sieges gewiß. Aber viel hatte sich seit gestern geändert. Die Mac Gregors lagen nicht mehr friedlich in ihren Hütten, sie lagerten wohlbewaffnet auf der Höhe von Landrick Height, und alle Engen und Pässe waren besetzt, um dem herannahenden Feinde, an dessen Existenz noch Jeder glaubte, zu begegnen. Der König, der den Seen entlang, durch die Trosachs hindurch, ruhig seines Weges trottete, ahnte nicht, daß er dem ganzen Clan, der überall seinen Schritten folgte, als ein bloßer Kundschafter galt, und daß <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0195" n="181"/> Gastfreund gebracht zu haben. Was immer die Ursache sein mochte, Rhoderick Dhu war entschlossen, das Aeußerste zu wagen, und das „blutige Kreuz“ durch alle Schluchten und Thäler seines Clans sendend, rief er die Mac Gregors auf Landrick Height zusammen. Sie kamen all. </p><lb/> <p>Der König, der nichts ahnte von dem Ungewitter, das sich den drei Seen entlang, an deren Ufern er gestern noch in tiefem Frieden gejagt hatte, gegen ihn zusammenzog, war inzwischen nach Stirling zurückgekehrt, voll von den Eindrücken, die das Eiland im See auf ihn gemacht hatte, vor allem aber voll Sehnsucht nach dem schönen Mädchen, das ihm wie die Beherrscherin einer mährchenhaften Insel erschienen war. Es ließ ihm keine Ruhe, und ein halbes Dutzend Gefährten bis nach Bochastle mit sich führend, ritt er jetzt auf’s neue, einsam, ein abenteuernder Ritter, in das Schluchtenland der Mac Gregors hinein, um das Mädchen vom See zu sehen und zu ersiegen. Er verstand sich auf Frauen und hielt sich seines Sieges gewiß. </p><lb/> <p>Aber viel hatte sich seit gestern geändert. Die Mac Gregors lagen nicht mehr friedlich in ihren Hütten, sie lagerten wohlbewaffnet auf der Höhe von Landrick Height, und alle Engen und Pässe waren besetzt, um dem herannahenden Feinde, an dessen Existenz noch Jeder glaubte, zu begegnen. Der König, der den Seen entlang, durch die Trosachs hindurch, ruhig seines Weges trottete, ahnte nicht, daß er dem ganzen Clan, der überall seinen Schritten folgte, als ein bloßer Kundschafter galt, und daß<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0195]
Gastfreund gebracht zu haben. Was immer die Ursache sein mochte, Rhoderick Dhu war entschlossen, das Aeußerste zu wagen, und das „blutige Kreuz“ durch alle Schluchten und Thäler seines Clans sendend, rief er die Mac Gregors auf Landrick Height zusammen. Sie kamen all.
Der König, der nichts ahnte von dem Ungewitter, das sich den drei Seen entlang, an deren Ufern er gestern noch in tiefem Frieden gejagt hatte, gegen ihn zusammenzog, war inzwischen nach Stirling zurückgekehrt, voll von den Eindrücken, die das Eiland im See auf ihn gemacht hatte, vor allem aber voll Sehnsucht nach dem schönen Mädchen, das ihm wie die Beherrscherin einer mährchenhaften Insel erschienen war. Es ließ ihm keine Ruhe, und ein halbes Dutzend Gefährten bis nach Bochastle mit sich führend, ritt er jetzt auf’s neue, einsam, ein abenteuernder Ritter, in das Schluchtenland der Mac Gregors hinein, um das Mädchen vom See zu sehen und zu ersiegen. Er verstand sich auf Frauen und hielt sich seines Sieges gewiß.
Aber viel hatte sich seit gestern geändert. Die Mac Gregors lagen nicht mehr friedlich in ihren Hütten, sie lagerten wohlbewaffnet auf der Höhe von Landrick Height, und alle Engen und Pässe waren besetzt, um dem herannahenden Feinde, an dessen Existenz noch Jeder glaubte, zu begegnen. Der König, der den Seen entlang, durch die Trosachs hindurch, ruhig seines Weges trottete, ahnte nicht, daß er dem ganzen Clan, der überall seinen Schritten folgte, als ein bloßer Kundschafter galt, und daß
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/195>, abgerufen am 22.07.2024. |