Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Ruf des Heiligen hin und ließen uns, nachdem wir unsere Penny's geopfert, von den Wundern dieser Quelle geduldig erzählen. Wir sahen nun auch, daß der große Granitblock nicht von ungefähr dort lag, sondern in aller Sorglichkeit auf den Mund der Quelle gelegt war, nicht um diese zu verstopfen, sondern um den reinen Mund der Göttin gegen Unbill zu wahren. Ein roher Tempel, zu Schutz und Ehren der Göttin errichtet. Eh' wir den Platz verließen, begrüßten wir noch einen Alten, den Vater oder Großvater der Kinder, der hinter dem vorhin genannten Felseck lag und seine Finger an dem verglimmenden Feuer zu wärmen suchte. Er mußte geschlafen haben, sonst hätte uns wohl der neben ihm liegende Dudelsack mit ein paar Tönen willkommen geheißen. Wir wechselten ein paar Worte mit dem Alten und stiegen dann weiter aufwärts. Als wir die Kuppe erreicht hatten, auf der sich die Trümmer der alten Kapelle befinden, hielten wir Umschau. Hinter uns, fast unsere Rückenlehne bildend, stiegen die Wände der Salisbury Craigs in die Luft, rechts hin dehnten sich die Wellenlinien halb kahler, halb grasbewachsener Hügel, links, aus dem Thalkessel hervor, schimmerten die Thürme von Holyrood, nur kaum erkennbar noch, im Abenddämmer, vor uns aber, fast plötzlich in's Thal hinabsteigend, lief das Felsenvorland in jene fruchtbare Ebene aus, die sich, als ein beinahe meilenbreiter Streifen zwischen den Craigs und dem schönen Meerbusen des Forth dahinzieht. Die Abendnebel kamen jetzt leise vom Ruf des Heiligen hin und ließen uns, nachdem wir unsere Penny’s geopfert, von den Wundern dieser Quelle geduldig erzählen. Wir sahen nun auch, daß der große Granitblock nicht von ungefähr dort lag, sondern in aller Sorglichkeit auf den Mund der Quelle gelegt war, nicht um diese zu verstopfen, sondern um den reinen Mund der Göttin gegen Unbill zu wahren. Ein roher Tempel, zu Schutz und Ehren der Göttin errichtet. Eh’ wir den Platz verließen, begrüßten wir noch einen Alten, den Vater oder Großvater der Kinder, der hinter dem vorhin genannten Felseck lag und seine Finger an dem verglimmenden Feuer zu wärmen suchte. Er mußte geschlafen haben, sonst hätte uns wohl der neben ihm liegende Dudelsack mit ein paar Tönen willkommen geheißen. Wir wechselten ein paar Worte mit dem Alten und stiegen dann weiter aufwärts. Als wir die Kuppe erreicht hatten, auf der sich die Trümmer der alten Kapelle befinden, hielten wir Umschau. Hinter uns, fast unsere Rückenlehne bildend, stiegen die Wände der Salisbury Craigs in die Luft, rechts hin dehnten sich die Wellenlinien halb kahler, halb grasbewachsener Hügel, links, aus dem Thalkessel hervor, schimmerten die Thürme von Holyrood, nur kaum erkennbar noch, im Abenddämmer, vor uns aber, fast plötzlich in’s Thal hinabsteigend, lief das Felsenvorland in jene fruchtbare Ebene aus, die sich, als ein beinahe meilenbreiter Streifen zwischen den Craigs und dem schönen Meerbusen des Forth dahinzieht. Die Abendnebel kamen jetzt leise vom <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0133" n="119"/> Ruf des Heiligen hin und ließen uns, nachdem wir unsere Penny’s geopfert, von den Wundern dieser Quelle geduldig erzählen. Wir sahen nun auch, daß der große Granitblock nicht von ungefähr dort lag, sondern in aller Sorglichkeit auf den Mund der Quelle gelegt war, nicht um diese zu verstopfen, sondern um den reinen Mund der Göttin gegen Unbill zu wahren. Ein roher Tempel, zu Schutz und Ehren der Göttin errichtet.</p><lb/> <p>Eh’ wir den Platz verließen, begrüßten wir noch einen Alten, den Vater oder Großvater der Kinder, der hinter dem vorhin genannten Felseck lag und seine Finger an dem verglimmenden Feuer zu wärmen suchte. Er mußte geschlafen haben, sonst hätte uns wohl der neben ihm liegende Dudelsack mit ein paar Tönen willkommen geheißen. Wir wechselten ein paar Worte mit dem Alten und stiegen dann weiter aufwärts.</p><lb/> <p>Als wir die Kuppe erreicht hatten, auf der sich die Trümmer der alten Kapelle befinden, hielten wir Umschau. Hinter uns, fast unsere Rückenlehne bildend, stiegen die Wände der Salisbury Craigs in die Luft, rechts hin dehnten sich die Wellenlinien halb kahler, halb grasbewachsener Hügel, links, aus dem Thalkessel hervor, schimmerten die Thürme von Holyrood, nur kaum erkennbar noch, im Abenddämmer, vor uns aber, fast plötzlich in’s Thal hinabsteigend, lief das Felsenvorland in jene fruchtbare Ebene aus, die sich, als ein beinahe meilenbreiter Streifen zwischen den Craigs und dem schönen Meerbusen des Forth dahinzieht. Die Abendnebel kamen jetzt leise vom<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0133]
Ruf des Heiligen hin und ließen uns, nachdem wir unsere Penny’s geopfert, von den Wundern dieser Quelle geduldig erzählen. Wir sahen nun auch, daß der große Granitblock nicht von ungefähr dort lag, sondern in aller Sorglichkeit auf den Mund der Quelle gelegt war, nicht um diese zu verstopfen, sondern um den reinen Mund der Göttin gegen Unbill zu wahren. Ein roher Tempel, zu Schutz und Ehren der Göttin errichtet.
Eh’ wir den Platz verließen, begrüßten wir noch einen Alten, den Vater oder Großvater der Kinder, der hinter dem vorhin genannten Felseck lag und seine Finger an dem verglimmenden Feuer zu wärmen suchte. Er mußte geschlafen haben, sonst hätte uns wohl der neben ihm liegende Dudelsack mit ein paar Tönen willkommen geheißen. Wir wechselten ein paar Worte mit dem Alten und stiegen dann weiter aufwärts.
Als wir die Kuppe erreicht hatten, auf der sich die Trümmer der alten Kapelle befinden, hielten wir Umschau. Hinter uns, fast unsere Rückenlehne bildend, stiegen die Wände der Salisbury Craigs in die Luft, rechts hin dehnten sich die Wellenlinien halb kahler, halb grasbewachsener Hügel, links, aus dem Thalkessel hervor, schimmerten die Thürme von Holyrood, nur kaum erkennbar noch, im Abenddämmer, vor uns aber, fast plötzlich in’s Thal hinabsteigend, lief das Felsenvorland in jene fruchtbare Ebene aus, die sich, als ein beinahe meilenbreiter Streifen zwischen den Craigs und dem schönen Meerbusen des Forth dahinzieht. Die Abendnebel kamen jetzt leise vom
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/133>, abgerufen am 22.07.2024. |