Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Schwester, ein Mädchen von 12 Jahren, schwarz und schlank aufgeschossen, einem jungen Schotten, der nachlässig an den Stein lehnte, einen Trunk Wasser reichte. Es war schon dunkel und ich konnte die Züge und Umrisse nicht mehr in aller Klarheit erkennen. Der junge Schotte trank, schüttete den Rest aus und reichte die Schaale zurück. Das Mädchen trat jetzt bei Seite, wo hinter einem Felsvorsprung ein Aschenfeuer zu glimmen schien und kehrte im nächsten Moment mit einem brennenden Holzspahn zurück, den sie dem jungen Schotten wie fragend entgegenhielt. Er nickte mit dem Kopfe und seine kurze Pfeife zum Munde führend, leuchtete im nächsten Moment der helllodernde Spahn zwischen den beiden jugendlichen Gesichtern. Einen Augenblick nur, dann kehrte die frühere Dämmerung zurück und, den Kindern am Boden eine Münze zuwerfend, stieg der junge Schotte die Schlucht höher hinauf, dann und wann sich umsehend und die Mütze lüftend, deren lange seidene Bänder im Winde flatterten. Als wir uns dem Stein noch mehr genähert hatten, sprangen die Kinder auf und liefen mit kleinen Blechschalen, in denen sich eben geschöpftes Quellwasser befand, auf uns zu und baten uns zu trinken. Wir waren ein wenig erhitzt und lehnten die Aufforderung ab, aber die Kleinen erwiederten rasch: "was wir nur dächten? daß es ja Wasser aus dem St. Anton's Quell sei und daß solch Wasser gesund mache, aber nicht krank." Wir wagten es auf das Vertrauen der Kinder und den guten Schwester, ein Mädchen von 12 Jahren, schwarz und schlank aufgeschossen, einem jungen Schotten, der nachlässig an den Stein lehnte, einen Trunk Wasser reichte. Es war schon dunkel und ich konnte die Züge und Umrisse nicht mehr in aller Klarheit erkennen. Der junge Schotte trank, schüttete den Rest aus und reichte die Schaale zurück. Das Mädchen trat jetzt bei Seite, wo hinter einem Felsvorsprung ein Aschenfeuer zu glimmen schien und kehrte im nächsten Moment mit einem brennenden Holzspahn zurück, den sie dem jungen Schotten wie fragend entgegenhielt. Er nickte mit dem Kopfe und seine kurze Pfeife zum Munde führend, leuchtete im nächsten Moment der helllodernde Spahn zwischen den beiden jugendlichen Gesichtern. Einen Augenblick nur, dann kehrte die frühere Dämmerung zurück und, den Kindern am Boden eine Münze zuwerfend, stieg der junge Schotte die Schlucht höher hinauf, dann und wann sich umsehend und die Mütze lüftend, deren lange seidene Bänder im Winde flatterten. Als wir uns dem Stein noch mehr genähert hatten, sprangen die Kinder auf und liefen mit kleinen Blechschalen, in denen sich eben geschöpftes Quellwasser befand, auf uns zu und baten uns zu trinken. Wir waren ein wenig erhitzt und lehnten die Aufforderung ab, aber die Kleinen erwiederten rasch: „was wir nur dächten? daß es ja Wasser aus dem St. Anton’s Quell sei und daß solch Wasser gesund mache, aber nicht krank.“ Wir wagten es auf das Vertrauen der Kinder und den guten <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0132" n="118"/> Schwester, ein Mädchen von 12 Jahren, schwarz und schlank aufgeschossen, einem jungen Schotten, der nachlässig an den Stein lehnte, einen Trunk Wasser reichte. Es war schon dunkel und ich konnte die Züge und Umrisse nicht mehr in aller Klarheit erkennen. Der junge Schotte trank, schüttete den Rest aus und reichte die Schaale zurück. Das Mädchen trat jetzt bei Seite, wo hinter einem Felsvorsprung ein Aschenfeuer zu glimmen schien und kehrte im nächsten Moment mit einem brennenden Holzspahn zurück, den sie dem jungen Schotten wie fragend entgegenhielt. Er nickte mit dem Kopfe und seine kurze Pfeife zum Munde führend, leuchtete im nächsten Moment der helllodernde Spahn zwischen den beiden jugendlichen Gesichtern. Einen Augenblick nur, dann kehrte die frühere Dämmerung zurück und, den Kindern am Boden eine Münze zuwerfend, stieg der junge Schotte die Schlucht höher hinauf, dann und wann sich umsehend und die Mütze lüftend, deren lange seidene Bänder im Winde flatterten. </p><lb/> <p>Als wir uns dem Stein noch mehr genähert hatten, sprangen die Kinder auf und liefen mit kleinen Blechschalen, in denen sich eben geschöpftes Quellwasser befand, auf uns zu und baten uns zu trinken. Wir waren ein wenig erhitzt und lehnten die Aufforderung ab, aber die Kleinen erwiederten rasch: „was wir nur dächten? daß es ja Wasser aus dem <hi rendition="#g">St. Anton’s</hi> Quell sei und daß solch Wasser gesund mache, aber nicht krank.“ Wir wagten es auf das Vertrauen der Kinder und den guten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0132]
Schwester, ein Mädchen von 12 Jahren, schwarz und schlank aufgeschossen, einem jungen Schotten, der nachlässig an den Stein lehnte, einen Trunk Wasser reichte. Es war schon dunkel und ich konnte die Züge und Umrisse nicht mehr in aller Klarheit erkennen. Der junge Schotte trank, schüttete den Rest aus und reichte die Schaale zurück. Das Mädchen trat jetzt bei Seite, wo hinter einem Felsvorsprung ein Aschenfeuer zu glimmen schien und kehrte im nächsten Moment mit einem brennenden Holzspahn zurück, den sie dem jungen Schotten wie fragend entgegenhielt. Er nickte mit dem Kopfe und seine kurze Pfeife zum Munde führend, leuchtete im nächsten Moment der helllodernde Spahn zwischen den beiden jugendlichen Gesichtern. Einen Augenblick nur, dann kehrte die frühere Dämmerung zurück und, den Kindern am Boden eine Münze zuwerfend, stieg der junge Schotte die Schlucht höher hinauf, dann und wann sich umsehend und die Mütze lüftend, deren lange seidene Bänder im Winde flatterten.
Als wir uns dem Stein noch mehr genähert hatten, sprangen die Kinder auf und liefen mit kleinen Blechschalen, in denen sich eben geschöpftes Quellwasser befand, auf uns zu und baten uns zu trinken. Wir waren ein wenig erhitzt und lehnten die Aufforderung ab, aber die Kleinen erwiederten rasch: „was wir nur dächten? daß es ja Wasser aus dem St. Anton’s Quell sei und daß solch Wasser gesund mache, aber nicht krank.“ Wir wagten es auf das Vertrauen der Kinder und den guten
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/132>, abgerufen am 22.07.2024. |