Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.vor dem Eingang zu Edinburg-Castle aufgestellt, um jede Kommunikation mit der englischen Garnison des Schlosses unmöglich zu machen. Dann rückte man vor "Old-Tolbooth", in dem, wie man wußte, Capitain Porteus gefangen saß. Die schweren Thüren leisteten Widerstand, man brannte sie nieder und drang ein: Welcher Anblick, als man in das Zimmer des Unglücklichen trat. Halbniedergebrannte Lichter, leere und volle Weinflaschen, Speisen aller Art - man sah, der Unglückliche hatte ein Gastmahl gegeben, um seine Rettung zu feiern. Zu früh. Man zog ihn aus dem Kamin hervor, darin er sich versteckt hatte und schleppte ihn durch High-Street und Westbow auf den Graßmarket hinab, wo man ihn am Vormittag desselben Tages vergebens erwartet hatte. Eins fehlte - der Strick. Man brach einen benachbarten Seilerladen auf, nahm was man brauchte und warf ein Goldstück auf den Tisch. Zehn Minuten später hatte Hauptmann Porteus aufgehört zu sein. - Es fehlt der Geschichte sicherlich nicht an lehrreichen Momenten; die Begnadigungen par Distance, wo der Begnadigende die Stimmung und ich möchte sagen die öffentliche Moral nicht kennt, die über dem Verurtheilten zu Gerichte gesessen hat, haben schon öfters ähnliche Stürme des Unwillens heraufbeschworen. Das Volk glaubte sich in diesem Fall berechtigt, das ursprüngliche Urtheil wieder herzustellen. Vor allem aber spielte das politische Element in diesem Vorgange eine Rolle. Es war in der That mehr ein Aufstand als ein Krawall. vor dem Eingang zu Edinburg-Castle aufgestellt, um jede Kommunikation mit der englischen Garnison des Schlosses unmöglich zu machen. Dann rückte man vor „Old-Tolbooth“, in dem, wie man wußte, Capitain Porteus gefangen saß. Die schweren Thüren leisteten Widerstand, man brannte sie nieder und drang ein: Welcher Anblick, als man in das Zimmer des Unglücklichen trat. Halbniedergebrannte Lichter, leere und volle Weinflaschen, Speisen aller Art – man sah, der Unglückliche hatte ein Gastmahl gegeben, um seine Rettung zu feiern. Zu früh. Man zog ihn aus dem Kamin hervor, darin er sich versteckt hatte und schleppte ihn durch High-Street und Westbow auf den Graßmarket hinab, wo man ihn am Vormittag desselben Tages vergebens erwartet hatte. Eins fehlte – der Strick. Man brach einen benachbarten Seilerladen auf, nahm was man brauchte und warf ein Goldstück auf den Tisch. Zehn Minuten später hatte Hauptmann Porteus aufgehört zu sein. – Es fehlt der Geschichte sicherlich nicht an lehrreichen Momenten; die Begnadigungen par Distance, wo der Begnadigende die Stimmung und ich möchte sagen die öffentliche Moral nicht kennt, die über dem Verurtheilten zu Gerichte gesessen hat, haben schon öfters ähnliche Stürme des Unwillens heraufbeschworen. Das Volk glaubte sich in diesem Fall berechtigt, das ursprüngliche Urtheil wieder herzustellen. Vor allem aber spielte das politische Element in diesem Vorgange eine Rolle. Es war in der That mehr ein Aufstand als ein Krawall. <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0105" n="91"/> vor dem Eingang zu Edinburg-Castle aufgestellt, um jede Kommunikation mit der englischen Garnison des Schlosses unmöglich zu machen. Dann rückte man vor „Old-Tolbooth“, in dem, wie man wußte, Capitain Porteus gefangen saß. Die schweren Thüren leisteten Widerstand, man brannte sie nieder und drang ein: Welcher Anblick, als man in das Zimmer des Unglücklichen trat. Halbniedergebrannte Lichter, leere und volle Weinflaschen, Speisen aller Art – man sah, der Unglückliche hatte ein Gastmahl gegeben, um seine Rettung zu feiern. Zu früh. Man zog ihn aus dem Kamin hervor, darin er sich versteckt hatte und schleppte ihn durch High-Street und Westbow auf den Graßmarket hinab, wo man ihn am Vormittag desselben Tages vergebens erwartet hatte. Eins fehlte – der Strick. Man brach einen benachbarten Seilerladen auf, nahm was man brauchte und warf ein Goldstück auf den Tisch. Zehn Minuten später hatte Hauptmann Porteus aufgehört zu sein. – Es fehlt der Geschichte sicherlich nicht an lehrreichen Momenten; die Begnadigungen par Distance, wo der Begnadigende die Stimmung und ich möchte sagen die <hi rendition="#g">öffentliche Moral</hi> nicht kennt, die über dem Verurtheilten zu Gerichte gesessen hat, haben schon öfters ähnliche Stürme des Unwillens heraufbeschworen. Das Volk glaubte sich in diesem Fall berechtigt, das ursprüngliche Urtheil wieder herzustellen. Vor allem aber spielte das politische Element in diesem Vorgange eine Rolle. Es war in der That mehr ein Aufstand als ein Krawall.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0105]
vor dem Eingang zu Edinburg-Castle aufgestellt, um jede Kommunikation mit der englischen Garnison des Schlosses unmöglich zu machen. Dann rückte man vor „Old-Tolbooth“, in dem, wie man wußte, Capitain Porteus gefangen saß. Die schweren Thüren leisteten Widerstand, man brannte sie nieder und drang ein: Welcher Anblick, als man in das Zimmer des Unglücklichen trat. Halbniedergebrannte Lichter, leere und volle Weinflaschen, Speisen aller Art – man sah, der Unglückliche hatte ein Gastmahl gegeben, um seine Rettung zu feiern. Zu früh. Man zog ihn aus dem Kamin hervor, darin er sich versteckt hatte und schleppte ihn durch High-Street und Westbow auf den Graßmarket hinab, wo man ihn am Vormittag desselben Tages vergebens erwartet hatte. Eins fehlte – der Strick. Man brach einen benachbarten Seilerladen auf, nahm was man brauchte und warf ein Goldstück auf den Tisch. Zehn Minuten später hatte Hauptmann Porteus aufgehört zu sein. – Es fehlt der Geschichte sicherlich nicht an lehrreichen Momenten; die Begnadigungen par Distance, wo der Begnadigende die Stimmung und ich möchte sagen die öffentliche Moral nicht kennt, die über dem Verurtheilten zu Gerichte gesessen hat, haben schon öfters ähnliche Stürme des Unwillens heraufbeschworen. Das Volk glaubte sich in diesem Fall berechtigt, das ursprüngliche Urtheil wieder herzustellen. Vor allem aber spielte das politische Element in diesem Vorgange eine Rolle. Es war in der That mehr ein Aufstand als ein Krawall.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/105>, abgerufen am 22.07.2024. |