Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.England, sein hannöverscher Hof und König, Alles stand dem schottischen Volke fremd gegenüber, und diese Begnadigung erschien ihm wie ein Eingriff in die Rechte seiner Nationalität. So dachte Hoch und Niedrig, und was zu Anfang eine bloße Angelegenheit des Pöbels gewesen war, das erhob sich schließlich zu einer Volks- und Nationalsache. Vornehme Leute, Häupter der Stuart'schen Partei, hatten die Hand mit im Spiel, und das Goldstück, das auf den Tisch des armen Seilers geworfen wurde, kam sicherlich nicht aus der Tasche eines armen Tagelöhners oder Handwerkers. Einige Jahre später hatte Edinburg einen andern Diktator; seine Herrschaft ruhte aber auf minder gefährdetem Fundament, indem er sich's zur Aufgabe machte, der Volksmeinung zu dienen statt sich ihr zu widersetzen. Dieser Mann war Joseph Smith, ein Schuhflicker aus Canongate, der je nach der Laune seiner Verehrer (und ihrer waren viele) General Smith oder vertraulicher "der lahme Joseph" genannt wurde. Er war ein kleiner, unansehnlicher Mann, in seiner Erscheinung blos den Spott herausfordernd, aber muthig genug, jede gute Sache durchzufechten und klug genug, nur eine gute und gerechte Sache zur seinigen zu machen. Seine Klugheit, wenn ich so sagen darf, sein politischer Takt, war es, was ihm mehr denn ein Menschenalter hindurch eine Art Herrschaft üben ließ, indem er abwechselnd die Behörden unterstützte oder bekämpfte, je nachdem er das hausbackene Recht auf Seiten derselben sah oder nicht. England, sein hannöverscher Hof und König, Alles stand dem schottischen Volke fremd gegenüber, und diese Begnadigung erschien ihm wie ein Eingriff in die Rechte seiner Nationalität. So dachte Hoch und Niedrig, und was zu Anfang eine bloße Angelegenheit des Pöbels gewesen war, das erhob sich schließlich zu einer Volks- und Nationalsache. Vornehme Leute, Häupter der Stuart’schen Partei, hatten die Hand mit im Spiel, und das Goldstück, das auf den Tisch des armen Seilers geworfen wurde, kam sicherlich nicht aus der Tasche eines armen Tagelöhners oder Handwerkers. Einige Jahre später hatte Edinburg einen andern Diktator; seine Herrschaft ruhte aber auf minder gefährdetem Fundament, indem er sich’s zur Aufgabe machte, der Volksmeinung zu dienen statt sich ihr zu widersetzen. Dieser Mann war Joseph Smith, ein Schuhflicker aus Canongate, der je nach der Laune seiner Verehrer (und ihrer waren viele) General Smith oder vertraulicher „der lahme Joseph“ genannt wurde. Er war ein kleiner, unansehnlicher Mann, in seiner Erscheinung blos den Spott herausfordernd, aber muthig genug, jede gute Sache durchzufechten und klug genug, nur eine gute und gerechte Sache zur seinigen zu machen. Seine Klugheit, wenn ich so sagen darf, sein politischer Takt, war es, was ihm mehr denn ein Menschenalter hindurch eine Art Herrschaft üben ließ, indem er abwechselnd die Behörden unterstützte oder bekämpfte, je nachdem er das hausbackene Recht auf Seiten derselben sah oder nicht. <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0106" n="92"/> England, sein <hi rendition="#g">hannöverscher</hi> Hof und König, Alles stand dem schottischen Volke fremd gegenüber, und diese Begnadigung erschien ihm wie ein Eingriff in die Rechte seiner Nationalität. So dachte Hoch und Niedrig, und was zu Anfang eine bloße Angelegenheit des Pöbels gewesen war, das erhob sich schließlich zu einer Volks- und Nationalsache. Vornehme Leute, Häupter der Stuart’schen Partei, hatten die Hand mit im Spiel, und das Goldstück, das auf den Tisch des armen Seilers geworfen wurde, kam sicherlich nicht aus der Tasche eines armen Tagelöhners oder Handwerkers.</p><lb/> <p>Einige Jahre später hatte Edinburg einen andern Diktator; seine Herrschaft ruhte aber auf minder gefährdetem Fundament, indem er sich’s zur Aufgabe machte, der Volksmeinung zu dienen statt sich ihr zu widersetzen. Dieser Mann war Joseph Smith, ein Schuhflicker aus Canongate, der je nach der Laune seiner Verehrer (und ihrer waren viele) General Smith oder vertraulicher „der lahme Joseph“ genannt wurde. Er war ein kleiner, unansehnlicher Mann, in seiner Erscheinung blos den Spott herausfordernd, aber muthig genug, jede gute Sache durchzufechten und klug genug, nur eine gute und gerechte Sache zur seinigen zu machen. Seine Klugheit, wenn ich so sagen darf, sein politischer Takt, war es, was ihm mehr denn ein Menschenalter hindurch eine Art Herrschaft üben ließ, indem er abwechselnd die Behörden unterstützte oder bekämpfte, je nachdem er das hausbackene Recht auf Seiten derselben sah oder nicht.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0106]
England, sein hannöverscher Hof und König, Alles stand dem schottischen Volke fremd gegenüber, und diese Begnadigung erschien ihm wie ein Eingriff in die Rechte seiner Nationalität. So dachte Hoch und Niedrig, und was zu Anfang eine bloße Angelegenheit des Pöbels gewesen war, das erhob sich schließlich zu einer Volks- und Nationalsache. Vornehme Leute, Häupter der Stuart’schen Partei, hatten die Hand mit im Spiel, und das Goldstück, das auf den Tisch des armen Seilers geworfen wurde, kam sicherlich nicht aus der Tasche eines armen Tagelöhners oder Handwerkers.
Einige Jahre später hatte Edinburg einen andern Diktator; seine Herrschaft ruhte aber auf minder gefährdetem Fundament, indem er sich’s zur Aufgabe machte, der Volksmeinung zu dienen statt sich ihr zu widersetzen. Dieser Mann war Joseph Smith, ein Schuhflicker aus Canongate, der je nach der Laune seiner Verehrer (und ihrer waren viele) General Smith oder vertraulicher „der lahme Joseph“ genannt wurde. Er war ein kleiner, unansehnlicher Mann, in seiner Erscheinung blos den Spott herausfordernd, aber muthig genug, jede gute Sache durchzufechten und klug genug, nur eine gute und gerechte Sache zur seinigen zu machen. Seine Klugheit, wenn ich so sagen darf, sein politischer Takt, war es, was ihm mehr denn ein Menschenalter hindurch eine Art Herrschaft üben ließ, indem er abwechselnd die Behörden unterstützte oder bekämpfte, je nachdem er das hausbackene Recht auf Seiten derselben sah oder nicht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |