Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Miene vortragen, als sollte einem gesagt werden: "so waren wir und so würden wir nöthigenfalls wieder sein." Hauptmann Porteus, der Sohn eines Edinburger Schneiders, hatte sich zu einer Art Beherrscher und Tyrannen seiner Mitbürger gemacht. Das Polizeiwesen war ihm anvertraut worden und die Edinburger Milizen, ein halb verlachtes, halb gefürchtetes Invaliden-Corps, standen unter seinem Befehl. Er brachte etwas Zug in die Truppe und etwas Ordnung in die ganze Stadt, verfuhr dabei aber mit einer Strenge und Rücksichtslosigkeit, die ihn zum Gegenstand allgemeinen Hasses machte. Eine Hinrichtung sollte stattfinden, und Hauptmann Porteus mit seinen Stadtsoldaten hatte Ordre, auf dem Graßmarket zu erscheinen. Der Hinzurichtende war ein junger Bursche, der sich durch seine Bravheit und Herzhaftigkeit die Zuneigung des gemeinen Mannes in hohem Grade erworben hatte. Das machte Vorkehrungen nöthig. Er hieß Wilson, und hatte die Flucht seines Mitschuldigen dadurch möglich gemacht, daß er, als man ihn und seinen Complicen aus der Gerichtssitzung, unter Bedeckung von vier Stadtsoldaten, in's Gefängniß zurückführen wollte, die beiden neben ihm gehenden Invaliden mit den Armen, einen dritten aber mit den Zähnen gepackt hatte. Die Selbstaufopferung, die in dem Ganzen lag, hatte das Volk auf's Höchste für Wilson eingenommen, und man war unzufrieden, daß er nichtsdestoweniger nach der Strenge des Gesetzes hingerichtet werden sollte. Der Tag kam. Wilson erschien, hielt sich tapfer, wurde Miene vortragen, als sollte einem gesagt werden: „so waren wir und so würden wir nöthigenfalls wieder sein.“ Hauptmann Porteus, der Sohn eines Edinburger Schneiders, hatte sich zu einer Art Beherrscher und Tyrannen seiner Mitbürger gemacht. Das Polizeiwesen war ihm anvertraut worden und die Edinburger Milizen, ein halb verlachtes, halb gefürchtetes Invaliden-Corps, standen unter seinem Befehl. Er brachte etwas Zug in die Truppe und etwas Ordnung in die ganze Stadt, verfuhr dabei aber mit einer Strenge und Rücksichtslosigkeit, die ihn zum Gegenstand allgemeinen Hasses machte. Eine Hinrichtung sollte stattfinden, und Hauptmann Porteus mit seinen Stadtsoldaten hatte Ordre, auf dem Graßmarket zu erscheinen. Der Hinzurichtende war ein junger Bursche, der sich durch seine Bravheit und Herzhaftigkeit die Zuneigung des gemeinen Mannes in hohem Grade erworben hatte. Das machte Vorkehrungen nöthig. Er hieß Wilson, und hatte die Flucht seines Mitschuldigen dadurch möglich gemacht, daß er, als man ihn und seinen Complicen aus der Gerichtssitzung, unter Bedeckung von vier Stadtsoldaten, in’s Gefängniß zurückführen wollte, die beiden neben ihm gehenden Invaliden mit den Armen, einen dritten aber mit den Zähnen gepackt hatte. Die Selbstaufopferung, die in dem Ganzen lag, hatte das Volk auf’s Höchste für Wilson eingenommen, und man war unzufrieden, daß er nichtsdestoweniger nach der Strenge des Gesetzes hingerichtet werden sollte. Der Tag kam. Wilson erschien, hielt sich tapfer, wurde <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0103" n="89"/> Miene vortragen, als sollte einem gesagt werden: „so waren wir und so würden wir nöthigenfalls wieder sein.“ Hauptmann Porteus, der Sohn eines Edinburger Schneiders, hatte sich zu einer Art Beherrscher und Tyrannen seiner Mitbürger gemacht. Das Polizeiwesen war ihm anvertraut worden und die Edinburger Milizen, ein halb verlachtes, halb gefürchtetes Invaliden-Corps, standen unter seinem Befehl. Er brachte etwas Zug in die Truppe und etwas Ordnung in die ganze Stadt, verfuhr dabei aber mit einer Strenge und Rücksichtslosigkeit, die ihn zum Gegenstand allgemeinen Hasses machte. Eine Hinrichtung sollte stattfinden, und Hauptmann Porteus mit seinen Stadtsoldaten hatte Ordre, auf dem Graßmarket zu erscheinen. Der Hinzurichtende war ein junger Bursche, der sich durch seine Bravheit und Herzhaftigkeit die Zuneigung des gemeinen Mannes in hohem Grade erworben hatte. Das machte Vorkehrungen nöthig. Er hieß Wilson, und hatte die Flucht seines Mitschuldigen dadurch möglich gemacht, daß er, als man ihn und seinen Complicen aus der Gerichtssitzung, unter Bedeckung von vier Stadtsoldaten, in’s Gefängniß zurückführen wollte, die beiden neben ihm gehenden Invaliden mit den Armen, einen dritten aber mit den Zähnen gepackt hatte. Die Selbstaufopferung, die in dem Ganzen lag, hatte das Volk auf’s Höchste für Wilson eingenommen, und man war unzufrieden, daß er nichtsdestoweniger nach der Strenge des Gesetzes hingerichtet werden sollte. Der Tag kam. Wilson erschien, hielt sich tapfer, wurde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0103]
Miene vortragen, als sollte einem gesagt werden: „so waren wir und so würden wir nöthigenfalls wieder sein.“ Hauptmann Porteus, der Sohn eines Edinburger Schneiders, hatte sich zu einer Art Beherrscher und Tyrannen seiner Mitbürger gemacht. Das Polizeiwesen war ihm anvertraut worden und die Edinburger Milizen, ein halb verlachtes, halb gefürchtetes Invaliden-Corps, standen unter seinem Befehl. Er brachte etwas Zug in die Truppe und etwas Ordnung in die ganze Stadt, verfuhr dabei aber mit einer Strenge und Rücksichtslosigkeit, die ihn zum Gegenstand allgemeinen Hasses machte. Eine Hinrichtung sollte stattfinden, und Hauptmann Porteus mit seinen Stadtsoldaten hatte Ordre, auf dem Graßmarket zu erscheinen. Der Hinzurichtende war ein junger Bursche, der sich durch seine Bravheit und Herzhaftigkeit die Zuneigung des gemeinen Mannes in hohem Grade erworben hatte. Das machte Vorkehrungen nöthig. Er hieß Wilson, und hatte die Flucht seines Mitschuldigen dadurch möglich gemacht, daß er, als man ihn und seinen Complicen aus der Gerichtssitzung, unter Bedeckung von vier Stadtsoldaten, in’s Gefängniß zurückführen wollte, die beiden neben ihm gehenden Invaliden mit den Armen, einen dritten aber mit den Zähnen gepackt hatte. Die Selbstaufopferung, die in dem Ganzen lag, hatte das Volk auf’s Höchste für Wilson eingenommen, und man war unzufrieden, daß er nichtsdestoweniger nach der Strenge des Gesetzes hingerichtet werden sollte. Der Tag kam. Wilson erschien, hielt sich tapfer, wurde
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/103>, abgerufen am 22.07.2024. |