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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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die Stimmung ein wenig; Dubslav ergab sich in sein
Schicksal, und Adelheid wurde weniger herbe.

"Wo hast du nur die Kiebitzeier her?" sagte sie.
"Das ist was Neues. Als ich noch hier lebte, hatten
wir keine."

"Ja, die Kiebitze haben sich seit kurzem hier ein¬
gefunden, an unserm Stechlin, da, wo die Binsen stehn;
aber bloß auf der Globsower Seite. Nach der andern
Seite hin wollen sie nicht. Ich habe mir gedacht, es
sei vielleicht ein Fingerzeig, daß ich nun auch welche
nach Friedrichsruh schicken soll. Aber das geht nicht;
dann gelt' ich am Ende gleich für eingeschworen, und
Uncke notiert mich. Wer dreimal Kiebitzeier schickt, kommt
ins schwarze Buch. Und das kann ich schon Woldemars
wegen nicht."

"Is auch recht gut so. Was zu viel ist, ist zu
viel. Er soll sich ja mit der Lucca zusammen haben
photographieren lassen. Und während sie da oben in
der Regierung und mitunter auch bei Hofe so was thun,
fordern sie Tugend und Sitte. Das geht nicht. Bei
sich selber muß man anfangen. Und dann ist er doch
auch schließlich bloß ein Mensch, und alle Menschen¬
anbetung ist Götzendienst. Menschenanbetung ist noch
schlimmer als das goldene Kalb. Aber ich weiß wohl,
Götzendienst kommt jetzt wieder auf, und Hexendienst
auch, und du sollst ja auch -- so wenigstens hat mir
Fix erzählt -- nach der Buschen geschickt haben."

"Ja, es ging mir schlecht."

"Gerade, wenn's einem schlecht geht, dann soll
man Gott und Jesum Christum erkennen lernen, aber
nicht die Buschen. Und sie soll dir Katzenpfötchenthee
gebracht haben und soll auch gesagt haben: ,Wasser
treibt das Wasser.' Das mußt du doch heraushören,
daß das ein unchristlicher Spruch ist. Das ist, was sie
,besprechen' nennen oder auch ,böten'. Und wo das

die Stimmung ein wenig; Dubslav ergab ſich in ſein
Schickſal, und Adelheid wurde weniger herbe.

„Wo haſt du nur die Kiebitzeier her?“ ſagte ſie.
„Das iſt was Neues. Als ich noch hier lebte, hatten
wir keine.“

„Ja, die Kiebitze haben ſich ſeit kurzem hier ein¬
gefunden, an unſerm Stechlin, da, wo die Binſen ſtehn;
aber bloß auf der Globſower Seite. Nach der andern
Seite hin wollen ſie nicht. Ich habe mir gedacht, es
ſei vielleicht ein Fingerzeig, daß ich nun auch welche
nach Friedrichsruh ſchicken ſoll. Aber das geht nicht;
dann gelt' ich am Ende gleich für eingeſchworen, und
Uncke notiert mich. Wer dreimal Kiebitzeier ſchickt, kommt
ins ſchwarze Buch. Und das kann ich ſchon Woldemars
wegen nicht.“

„Is auch recht gut ſo. Was zu viel iſt, iſt zu
viel. Er ſoll ſich ja mit der Lucca zuſammen haben
photographieren laſſen. Und während ſie da oben in
der Regierung und mitunter auch bei Hofe ſo was thun,
fordern ſie Tugend und Sitte. Das geht nicht. Bei
ſich ſelber muß man anfangen. Und dann iſt er doch
auch ſchließlich bloß ein Menſch, und alle Menſchen¬
anbetung iſt Götzendienſt. Menſchenanbetung iſt noch
ſchlimmer als das goldene Kalb. Aber ich weiß wohl,
Götzendienſt kommt jetzt wieder auf, und Hexendienſt
auch, und du ſollſt ja auch — ſo wenigſtens hat mir
Fix erzählt — nach der Buſchen geſchickt haben.“

„Ja, es ging mir ſchlecht.“

„Gerade, wenn's einem ſchlecht geht, dann ſoll
man Gott und Jeſum Chriſtum erkennen lernen, aber
nicht die Buſchen. Und ſie ſoll dir Katzenpfötchenthee
gebracht haben und ſoll auch geſagt haben: ‚Waſſer
treibt das Waſſer.‘ Das mußt du doch heraushören,
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[459/0466] die Stimmung ein wenig; Dubslav ergab ſich in ſein Schickſal, und Adelheid wurde weniger herbe. „Wo haſt du nur die Kiebitzeier her?“ ſagte ſie. „Das iſt was Neues. Als ich noch hier lebte, hatten wir keine.“ „Ja, die Kiebitze haben ſich ſeit kurzem hier ein¬ gefunden, an unſerm Stechlin, da, wo die Binſen ſtehn; aber bloß auf der Globſower Seite. Nach der andern Seite hin wollen ſie nicht. Ich habe mir gedacht, es ſei vielleicht ein Fingerzeig, daß ich nun auch welche nach Friedrichsruh ſchicken ſoll. Aber das geht nicht; dann gelt' ich am Ende gleich für eingeſchworen, und Uncke notiert mich. Wer dreimal Kiebitzeier ſchickt, kommt ins ſchwarze Buch. Und das kann ich ſchon Woldemars wegen nicht.“ „Is auch recht gut ſo. Was zu viel iſt, iſt zu viel. Er ſoll ſich ja mit der Lucca zuſammen haben photographieren laſſen. Und während ſie da oben in der Regierung und mitunter auch bei Hofe ſo was thun, fordern ſie Tugend und Sitte. Das geht nicht. Bei ſich ſelber muß man anfangen. Und dann iſt er doch auch ſchließlich bloß ein Menſch, und alle Menſchen¬ anbetung iſt Götzendienſt. Menſchenanbetung iſt noch ſchlimmer als das goldene Kalb. Aber ich weiß wohl, Götzendienſt kommt jetzt wieder auf, und Hexendienſt auch, und du ſollſt ja auch — ſo wenigſtens hat mir Fix erzählt — nach der Buſchen geſchickt haben.“ „Ja, es ging mir ſchlecht.“ „Gerade, wenn's einem ſchlecht geht, dann ſoll man Gott und Jeſum Chriſtum erkennen lernen, aber nicht die Buſchen. Und ſie ſoll dir Katzenpfötchenthee gebracht haben und ſoll auch geſagt haben: ‚Waſſer treibt das Waſſer.‘ Das mußt du doch heraushören, daß das ein unchriſtlicher Spruch iſt. Das iſt, was ſie ‚beſprechen‘ nennen oder auch ‚böten‘. Und wo das

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/466>, abgerufen am 17.05.2024.