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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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auch schon 'raus. Eigentlich hab' ich nich geglaubt,
daß ich so was Hübsches noch mal sehn würde. Und
wenn ich dann denke, daß ich das alles der Buschen
verdanke! Merkwürdige Welt! Sponholz hatte bloß
immer seine grünen Tropfen, und Moscheles hatte nichts
als seinen ewigen Torgelow, und nu kommt die Buschen
und mit einem Mal is es besser. Ja, wirklich merk¬
würdig. Und nu krieg' ich auch noch, wenn auch bloß
leihweise, solchen hübschen Brief von einer hübschen
jungen Frau. Noch dazu Schwiegertochter. Ja, Engelke,
so geht's; nich zu glauben. Und da hättest du vorhin
den Buchfinken sehen sollen, wie mich der ansah. Bloß
als du kamst, da flog er weg; er muß sich vor dir ge¬
grault haben.

"Ach, gnäd'ger Herr, vor mir grault sich keine
Kreatur."

"Will dir's glauben. Und du sollst sehn, heute
haben wir 'nen guten Tag, und es kommt auch noch
wer, an dem man sich freuen kann. Wie mir schlecht
war, da kam Koseleger und die Prinzessin. Aber heute
kam ein Buchfink. Und ich bin ganz sicher, der hat noch
ein Gefolge."


Dubslavs Ahnungen behielten recht; und als der
Nachmittag da war, kam Lorenzen, der sich, seitdem der
Alte seinen Katzenpfötchenthee trank, nur selten und
immer bloß flüchtig hatte sehen lassen. Aber das war
rein zufällig und sollte nicht eine Mißbilligung darüber
ausdrücken, daß sich der Alte bei der Buschen in die Kur
gegeben.

"Nun endlich," empfing ihn Dubslav, als Lorenzen
eintrat. "Wo bleiben Sie? Da heißt es immer, wir
Junker wären kleine Könige. Ja, wer's glaubt! Alle
kleinen Könige haben ein Cortege, das sich in Huldigungen

Fontane, Der Stechlin. 29

auch ſchon 'raus. Eigentlich hab' ich nich geglaubt,
daß ich ſo was Hübſches noch mal ſehn würde. Und
wenn ich dann denke, daß ich das alles der Buſchen
verdanke! Merkwürdige Welt! Sponholz hatte bloß
immer ſeine grünen Tropfen, und Moſcheles hatte nichts
als ſeinen ewigen Torgelow, und nu kommt die Buſchen
und mit einem Mal is es beſſer. Ja, wirklich merk¬
würdig. Und nu krieg' ich auch noch, wenn auch bloß
leihweiſe, ſolchen hübſchen Brief von einer hübſchen
jungen Frau. Noch dazu Schwiegertochter. Ja, Engelke,
ſo geht's; nich zu glauben. Und da hätteſt du vorhin
den Buchfinken ſehen ſollen, wie mich der anſah. Bloß
als du kamſt, da flog er weg; er muß ſich vor dir ge¬
grault haben.

„Ach, gnäd'ger Herr, vor mir grault ſich keine
Kreatur.“

„Will dir's glauben. Und du ſollſt ſehn, heute
haben wir 'nen guten Tag, und es kommt auch noch
wer, an dem man ſich freuen kann. Wie mir ſchlecht
war, da kam Koſeleger und die Prinzeſſin. Aber heute
kam ein Buchfink. Und ich bin ganz ſicher, der hat noch
ein Gefolge.“


Dubslavs Ahnungen behielten recht; und als der
Nachmittag da war, kam Lorenzen, der ſich, ſeitdem der
Alte ſeinen Katzenpfötchenthee trank, nur ſelten und
immer bloß flüchtig hatte ſehen laſſen. Aber das war
rein zufällig und ſollte nicht eine Mißbilligung darüber
ausdrücken, daß ſich der Alte bei der Buſchen in die Kur
gegeben.

„Nun endlich,“ empfing ihn Dubslav, als Lorenzen
eintrat. „Wo bleiben Sie? Da heißt es immer, wir
Junker wären kleine Könige. Ja, wer's glaubt! Alle
kleinen Könige haben ein Cortege, das ſich in Huldigungen

Fontane, Der Stechlin. 29
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[449/0456] auch ſchon 'raus. Eigentlich hab' ich nich geglaubt, daß ich ſo was Hübſches noch mal ſehn würde. Und wenn ich dann denke, daß ich das alles der Buſchen verdanke! Merkwürdige Welt! Sponholz hatte bloß immer ſeine grünen Tropfen, und Moſcheles hatte nichts als ſeinen ewigen Torgelow, und nu kommt die Buſchen und mit einem Mal is es beſſer. Ja, wirklich merk¬ würdig. Und nu krieg' ich auch noch, wenn auch bloß leihweiſe, ſolchen hübſchen Brief von einer hübſchen jungen Frau. Noch dazu Schwiegertochter. Ja, Engelke, ſo geht's; nich zu glauben. Und da hätteſt du vorhin den Buchfinken ſehen ſollen, wie mich der anſah. Bloß als du kamſt, da flog er weg; er muß ſich vor dir ge¬ grault haben. „Ach, gnäd'ger Herr, vor mir grault ſich keine Kreatur.“ „Will dir's glauben. Und du ſollſt ſehn, heute haben wir 'nen guten Tag, und es kommt auch noch wer, an dem man ſich freuen kann. Wie mir ſchlecht war, da kam Koſeleger und die Prinzeſſin. Aber heute kam ein Buchfink. Und ich bin ganz ſicher, der hat noch ein Gefolge.“ Dubslavs Ahnungen behielten recht; und als der Nachmittag da war, kam Lorenzen, der ſich, ſeitdem der Alte ſeinen Katzenpfötchenthee trank, nur ſelten und immer bloß flüchtig hatte ſehen laſſen. Aber das war rein zufällig und ſollte nicht eine Mißbilligung darüber ausdrücken, daß ſich der Alte bei der Buſchen in die Kur gegeben. „Nun endlich,“ empfing ihn Dubslav, als Lorenzen eintrat. „Wo bleiben Sie? Da heißt es immer, wir Junker wären kleine Könige. Ja, wer's glaubt! Alle kleinen Könige haben ein Cortege, das ſich in Huldigungen Fontane, Der Stechlin. 29

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/456>, abgerufen am 20.05.2024.