ja so weit ganz gut; nur so für den ganzen Tag ist sie doch zu wenig. Du könntest mir lieber ein Buch bringen."
"Was für eines?"
"Is egal."
"Da liegt ja noch das kleine gelbe Buch: "Keine Lupine mehr!"
"Nein, nein; nicht so was. Lupine, davon hab' ich schon so viel gelesen; das wechselt in einem fort und eins ist so dumm wie das andre. Die Landwirt¬ schaft kommt doch nicht wieder obenauf oder wenigstens nicht durch so was. Bringe mir lieber einen Roman; früher in meiner Jugend sagte man Schmöker. Ja, damals waren alle Wörter viel besser als jetzt. Weißt du noch, wie ich mir in dem Jahre, wo ich Zivil wurde, den ersten Schniepel machen ließ? Schniepel is auch solch Wort und doch wahrhaftig besser als Frack. Schniepel hat so was Fideles: Einsegnung, Hochzeit, Kindtaufe."
"Gott, gnädiger Herr, immer is es doch auch nicht so. Die meisten Schniepel sind doch, wenn einer begraben wird."
"Richtig, Engelke. Wenn einer begraben wird. Das war ein guter Einfall von dir. Früher würd' ich gesagt haben ,zeitgemäß'; jetzt sagt man ,opportun'. Hast du schon mal davon gehört?"
"Ja, gnädiger Herr, gehört hab' ich schon mal davon."
"Aber nich verstanden. Na, ich eigentlich auch nich. Wenigstens nicht so recht. Und du, du warst ja nich mal auf Schulen."
"Nein, gnädiger Herr."
"Alles in allem, sei froh drüber ... Aber Engelke, wenn du mir nu ein Buch gebracht hast, dann will ich mich mit meinem Stuhl doch lieber gleich auf die Veranda 'rausrücken. Es ist wie Frühling heut. Solche guten Tage muß man mitnehmen. Und bringe mir
ja ſo weit ganz gut; nur ſo für den ganzen Tag iſt ſie doch zu wenig. Du könnteſt mir lieber ein Buch bringen.“
„Was für eines?“
„Is egal.“
„Da liegt ja noch das kleine gelbe Buch: „Keine Lupine mehr!“
„Nein, nein; nicht ſo was. Lupine, davon hab' ich ſchon ſo viel geleſen; das wechſelt in einem fort und eins iſt ſo dumm wie das andre. Die Landwirt¬ ſchaft kommt doch nicht wieder obenauf oder wenigſtens nicht durch ſo was. Bringe mir lieber einen Roman; früher in meiner Jugend ſagte man Schmöker. Ja, damals waren alle Wörter viel beſſer als jetzt. Weißt du noch, wie ich mir in dem Jahre, wo ich Zivil wurde, den erſten Schniepel machen ließ? Schniepel is auch ſolch Wort und doch wahrhaftig beſſer als Frack. Schniepel hat ſo was Fideles: Einſegnung, Hochzeit, Kindtaufe.“
„Gott, gnädiger Herr, immer is es doch auch nicht ſo. Die meiſten Schniepel ſind doch, wenn einer begraben wird.“
„Richtig, Engelke. Wenn einer begraben wird. Das war ein guter Einfall von dir. Früher würd' ich geſagt haben ‚zeitgemäß‘; jetzt ſagt man ‚opportun‘. Haſt du ſchon mal davon gehört?“
„Ja, gnädiger Herr, gehört hab' ich ſchon mal davon.“
„Aber nich verſtanden. Na, ich eigentlich auch nich. Wenigſtens nicht ſo recht. Und du, du warſt ja nich mal auf Schulen.“
„Nein, gnädiger Herr.“
„Alles in allem, ſei froh drüber ... Aber Engelke, wenn du mir nu ein Buch gebracht haſt, dann will ich mich mit meinem Stuhl doch lieber gleich auf die Veranda 'rausrücken. Es iſt wie Frühling heut. Solche guten Tage muß man mitnehmen. Und bringe mir
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ja ſo weit ganz gut; nur ſo für den ganzen Tag iſt ſie
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„Was für eines?“
„Is egal.“
„Da liegt ja noch das kleine gelbe Buch: „Keine
Lupine mehr!“
„Nein, nein; nicht ſo was. Lupine, davon hab'
ich ſchon ſo viel geleſen; das wechſelt in einem fort
und eins iſt ſo dumm wie das andre. Die Landwirt¬
ſchaft kommt doch nicht wieder obenauf oder wenigſtens
nicht durch ſo was. Bringe mir lieber einen Roman;
früher in meiner Jugend ſagte man Schmöker. Ja,
damals waren alle Wörter viel beſſer als jetzt. Weißt
du noch, wie ich mir in dem Jahre, wo ich Zivil wurde,
den erſten Schniepel machen ließ? Schniepel is auch ſolch
Wort und doch wahrhaftig beſſer als Frack. Schniepel
hat ſo was Fideles: Einſegnung, Hochzeit, Kindtaufe.“
„Gott, gnädiger Herr, immer is es doch auch
nicht ſo. Die meiſten Schniepel ſind doch, wenn einer
begraben wird.“
„Richtig, Engelke. Wenn einer begraben wird.
Das war ein guter Einfall von dir. Früher würd'
ich geſagt haben ‚zeitgemäß‘; jetzt ſagt man ‚opportun‘.
Haſt du ſchon mal davon gehört?“
„Ja, gnädiger Herr, gehört hab' ich ſchon mal
davon.“
„Aber nich verſtanden. Na, ich eigentlich auch
nich. Wenigſtens nicht ſo recht. Und du, du warſt
ja nich mal auf Schulen.“
„Nein, gnädiger Herr.“
„Alles in allem, ſei froh drüber ... Aber
Engelke, wenn du mir nu ein Buch gebracht haſt, dann
will ich mich mit meinem Stuhl doch lieber gleich auf die
Veranda 'rausrücken. Es iſt wie Frühling heut. Solche
guten Tage muß man mitnehmen. Und bringe mir
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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