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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Im Vorflur, nach Verabschiedung von Dubslav,
fuhr Sponholz alsbald wieder in seinen Mantel. Engelke
half ihm und sagte dabei: "Na, Herr Doktor?"

"Nichts, nichts, Engelke!"

Martin mit seinem Jagdwagen hielt noch wartend
auf der Rampe draußen und so ging es denn in rascher
Fahrt wieder nach der Stadt zurück, von wo der alte
Kutscher die Tropfen gleich mitbringen sollte.

Der Winterabend dämmerte schon, als Martin zurück
war und die Medizin an Engelke abgab. Der brachte
sie seinem Herrn.

"Sieh mal," sagte dieser, als er das rundliche
Fläschchen in Händen hielt, "die Granseer werden jetzt
auch fein. Alles in rosa Seidenpapier gewickelt." Auf
einem angebundenen Zettel aber stand: "Herrn Major
von Stechlin. Dreimal täglich zehn Tropfen." Dubslav
hielt die kleine Flasche gegen das Licht und tröpfelte
die vorgeschriebene Zahl in einen Löffel Wasser. Als er
sie genommen hatte, bewegte er die Lippen hin und
her, etwa wie wenn ein Kenner eine neue Weinsorte
probt. Dann nickte er und sagte: "Ja, Engelke, nu
geht es los. Fingerhut."


Der alte Dubslav nahm durch mehrere Tage hin
seine Tropfen ganz gewissenhaft und fand auch, daß
sich's etwas bessere. Die Geschwulst ging um ein Ge¬
ringes zurück. Aber die Tropfen nahmen ihm den
Appetit, so daß er noch weniger aß, als ihm gestattet war.

Es war ein schöner Frühmärzentag, die Mittags¬
zeit schon vorüber. Dubslav saß an der weit offen¬
stehenden Glasthür seines Gartensalons und las die
Zeitung. Es schien indes, daß ihm das, was er las,
nicht sonderlich gefiel. "Ach, Engelke, die Zeitung ist

Im Vorflur, nach Verabſchiedung von Dubslav,
fuhr Sponholz alsbald wieder in ſeinen Mantel. Engelke
half ihm und ſagte dabei: „Na, Herr Doktor?“

„Nichts, nichts, Engelke!“

Martin mit ſeinem Jagdwagen hielt noch wartend
auf der Rampe draußen und ſo ging es denn in raſcher
Fahrt wieder nach der Stadt zurück, von wo der alte
Kutſcher die Tropfen gleich mitbringen ſollte.

Der Winterabend dämmerte ſchon, als Martin zurück
war und die Medizin an Engelke abgab. Der brachte
ſie ſeinem Herrn.

„Sieh mal,“ ſagte dieſer, als er das rundliche
Fläſchchen in Händen hielt, „die Granſeer werden jetzt
auch fein. Alles in roſa Seidenpapier gewickelt.“ Auf
einem angebundenen Zettel aber ſtand: „Herrn Major
von Stechlin. Dreimal täglich zehn Tropfen.“ Dubslav
hielt die kleine Flaſche gegen das Licht und tröpfelte
die vorgeſchriebene Zahl in einen Löffel Waſſer. Als er
ſie genommen hatte, bewegte er die Lippen hin und
her, etwa wie wenn ein Kenner eine neue Weinſorte
probt. Dann nickte er und ſagte: „Ja, Engelke, nu
geht es los. Fingerhut.“


Der alte Dubslav nahm durch mehrere Tage hin
ſeine Tropfen ganz gewiſſenhaft und fand auch, daß
ſich's etwas beſſere. Die Geſchwulſt ging um ein Ge¬
ringes zurück. Aber die Tropfen nahmen ihm den
Appetit, ſo daß er noch weniger aß, als ihm geſtattet war.

Es war ein ſchöner Frühmärzentag, die Mittags¬
zeit ſchon vorüber. Dubslav ſaß an der weit offen¬
ſtehenden Glasthür ſeines Gartenſalons und las die
Zeitung. Es ſchien indes, daß ihm das, was er las,
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[415/0422] Im Vorflur, nach Verabſchiedung von Dubslav, fuhr Sponholz alsbald wieder in ſeinen Mantel. Engelke half ihm und ſagte dabei: „Na, Herr Doktor?“ „Nichts, nichts, Engelke!“ Martin mit ſeinem Jagdwagen hielt noch wartend auf der Rampe draußen und ſo ging es denn in raſcher Fahrt wieder nach der Stadt zurück, von wo der alte Kutſcher die Tropfen gleich mitbringen ſollte. Der Winterabend dämmerte ſchon, als Martin zurück war und die Medizin an Engelke abgab. Der brachte ſie ſeinem Herrn. „Sieh mal,“ ſagte dieſer, als er das rundliche Fläſchchen in Händen hielt, „die Granſeer werden jetzt auch fein. Alles in roſa Seidenpapier gewickelt.“ Auf einem angebundenen Zettel aber ſtand: „Herrn Major von Stechlin. Dreimal täglich zehn Tropfen.“ Dubslav hielt die kleine Flaſche gegen das Licht und tröpfelte die vorgeſchriebene Zahl in einen Löffel Waſſer. Als er ſie genommen hatte, bewegte er die Lippen hin und her, etwa wie wenn ein Kenner eine neue Weinſorte probt. Dann nickte er und ſagte: „Ja, Engelke, nu geht es los. Fingerhut.“ Der alte Dubslav nahm durch mehrere Tage hin ſeine Tropfen ganz gewiſſenhaft und fand auch, daß ſich's etwas beſſere. Die Geſchwulſt ging um ein Ge¬ ringes zurück. Aber die Tropfen nahmen ihm den Appetit, ſo daß er noch weniger aß, als ihm geſtattet war. Es war ein ſchöner Frühmärzentag, die Mittags¬ zeit ſchon vorüber. Dubslav ſaß an der weit offen¬ ſtehenden Glasthür ſeines Gartenſalons und las die Zeitung. Es ſchien indes, daß ihm das, was er las, nicht ſonderlich gefiel. „Ach, Engelke, die Zeitung iſt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/422>, abgerufen am 22.11.2024.