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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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wöhnt, und dann will er sich berappeln und strengt sich
an, und da hat man denn gleich was weg."

Es dämmerte schon, als der kleine Jagdwagen auf
der Rampe vorfuhr. Sponholz stieg aus und Engelke nahm
ihm den grauen Mantel mit Doppelkragen ab und auch
die hohe Lammfellmütze, darin er -- freilich das einzige
an ihm, das diese Wirkung ausübte -- wie ein Perser
aussah.

So trat er denn bei Dubslav ein. Der alte Herr
saß an seinem Kamin und sah in die Flamme.

"Nun, Herr von Stechlin, da bin ich. War über
Land. Es geht jetzt scharf. Jeder dritte hustet und
hat Kopfweh. Natürlich Influenza. Ganz verdeubelte
Krankheit."

"Na, die wenigstens hab' ich nicht."

"Kann man nicht wissen. Ein bißchen fliegt jedem
leicht an. Nun, wo sitzt es?"

Dubslav wies auf sein rechtes Bein und sagte:
"Stark geschwollen. Und das andre fängt auch an."

"Hm. Na, wollen mal sehen. Darf ich bitten?"

Dubslav zog sein Beinkleid herauf, den Strumpf
herunter und sagte: "Da is die Bescherung. Gicht
ist es nicht. Ich habe keine Schmerzen ... Also was
andres."

Sponholz tippte mit dem Finger auf dem ge¬
schwollenen Fuß herum und sagte dann: "Nichts von
Belang, Herr von Stechlin. Einhalten, Diät, wenig
trinken, auch wenig Wasser. Das verdammte Wasser
drückt gleich nach oben, und dann haben sie Atemnot.
Und von Medizin bloß ein paar Tropfen. Bitte, bleiben
Sie sitzen; ich weiß ja Bescheid hier." Und dabei ging
er an Dubslavs Schreibtisch heran, schnitt sich ein Stück
Papier ab und schrieb ein Rezept. "Ihr Kutscher, das
wird das beste sein, kann bei der Apotheke gleich mit
vorfahren.

wöhnt, und dann will er ſich berappeln und ſtrengt ſich
an, und da hat man denn gleich was weg.“

Es dämmerte ſchon, als der kleine Jagdwagen auf
der Rampe vorfuhr. Sponholz ſtieg aus und Engelke nahm
ihm den grauen Mantel mit Doppelkragen ab und auch
die hohe Lammfellmütze, darin er — freilich das einzige
an ihm, das dieſe Wirkung ausübte — wie ein Perſer
ausſah.

So trat er denn bei Dubslav ein. Der alte Herr
ſaß an ſeinem Kamin und ſah in die Flamme.

„Nun, Herr von Stechlin, da bin ich. War über
Land. Es geht jetzt ſcharf. Jeder dritte huſtet und
hat Kopfweh. Natürlich Influenza. Ganz verdeubelte
Krankheit.“

„Na, die wenigſtens hab' ich nicht.“

„Kann man nicht wiſſen. Ein bißchen fliegt jedem
leicht an. Nun, wo ſitzt es?“

Dubslav wies auf ſein rechtes Bein und ſagte:
„Stark geſchwollen. Und das andre fängt auch an.“

„Hm. Na, wollen mal ſehen. Darf ich bitten?“

Dubslav zog ſein Beinkleid herauf, den Strumpf
herunter und ſagte: „Da is die Beſcherung. Gicht
iſt es nicht. Ich habe keine Schmerzen ... Alſo was
andres.“

Sponholz tippte mit dem Finger auf dem ge¬
ſchwollenen Fuß herum und ſagte dann: „Nichts von
Belang, Herr von Stechlin. Einhalten, Diät, wenig
trinken, auch wenig Waſſer. Das verdammte Waſſer
drückt gleich nach oben, und dann haben ſie Atemnot.
Und von Medizin bloß ein paar Tropfen. Bitte, bleiben
Sie ſitzen; ich weiß ja Beſcheid hier.“ Und dabei ging
er an Dubslavs Schreibtiſch heran, ſchnitt ſich ein Stück
Papier ab und ſchrieb ein Rezept. „Ihr Kutſcher, das
wird das beſte ſein, kann bei der Apotheke gleich mit
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[414/0421] wöhnt, und dann will er ſich berappeln und ſtrengt ſich an, und da hat man denn gleich was weg.“ Es dämmerte ſchon, als der kleine Jagdwagen auf der Rampe vorfuhr. Sponholz ſtieg aus und Engelke nahm ihm den grauen Mantel mit Doppelkragen ab und auch die hohe Lammfellmütze, darin er — freilich das einzige an ihm, das dieſe Wirkung ausübte — wie ein Perſer ausſah. So trat er denn bei Dubslav ein. Der alte Herr ſaß an ſeinem Kamin und ſah in die Flamme. „Nun, Herr von Stechlin, da bin ich. War über Land. Es geht jetzt ſcharf. Jeder dritte huſtet und hat Kopfweh. Natürlich Influenza. Ganz verdeubelte Krankheit.“ „Na, die wenigſtens hab' ich nicht.“ „Kann man nicht wiſſen. Ein bißchen fliegt jedem leicht an. Nun, wo ſitzt es?“ Dubslav wies auf ſein rechtes Bein und ſagte: „Stark geſchwollen. Und das andre fängt auch an.“ „Hm. Na, wollen mal ſehen. Darf ich bitten?“ Dubslav zog ſein Beinkleid herauf, den Strumpf herunter und ſagte: „Da is die Beſcherung. Gicht iſt es nicht. Ich habe keine Schmerzen ... Alſo was andres.“ Sponholz tippte mit dem Finger auf dem ge¬ ſchwollenen Fuß herum und ſagte dann: „Nichts von Belang, Herr von Stechlin. Einhalten, Diät, wenig trinken, auch wenig Waſſer. Das verdammte Waſſer drückt gleich nach oben, und dann haben ſie Atemnot. Und von Medizin bloß ein paar Tropfen. Bitte, bleiben Sie ſitzen; ich weiß ja Beſcheid hier.“ Und dabei ging er an Dubslavs Schreibtiſch heran, ſchnitt ſich ein Stück Papier ab und ſchrieb ein Rezept. „Ihr Kutſcher, das wird das beſte ſein, kann bei der Apotheke gleich mit vorfahren.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/421>, abgerufen am 22.11.2024.