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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Planta, "will es mir als ein wahres Glück erscheinen,
daß Herr von Szilagy, wie ich höre, mehrere Eisen im
Feuer hat. Was ihm die Novellistik schuldig bleibt,
muß ihm die Malerei bringen."

"Was sie leider bisher nicht that und mutma߬
lich auch nie thuen wird," lachte Szilagy halb wehmütig,
"trotzdem ich vom Genrebild aus, mit dem ich anfing,
eine Schwenkung gemacht und mich unter Anleitung
meines Freundes Salzmann neuerdings der Marinemalerei
zugewandt habe. Mitunter auch Bataillen. Und was die
blauen Töne betrifft, so darf ich vielleicht behaupten, hinter
keinem zurückgeblieben zu sein. Habe mich außerdem in
Gudin und William Turner vergafft. Aber trotzdem ..."

"Aber trotzdem ohne rechten Erfolg," unterbrach
hier Cujacius, "was mich nicht Wunder nimmt. Was
wollen Sie mit Gudin oder gar mit Turner? Wer
das Meer malen will, muß nach Holland gehn und die
alten Niederländer studieren. Und unter den Modernen
vor allem die Skandinaven: die Norweger, die Dänen."

Wrschowitz zuckte zusammen.

"Wir haben da beispielsweise den Melby, Däne
pur sang, der sehr gut und beinah' bedeutend ist."

"O nein, nein," platzte jetzt Wrschowitz mit immer
mehr erzitternder Stimme heraus. "Nicht serr gutt,
nicht bedeutend, auch nicht einmal beinah bedeutend."

"Der sehr bedeutend ist," wiederholte Cujacius.
"Grade darin bedeutend, daß er nicht bedeutend sein
will. Er erhebt keine falschen Prätensionen; er ist
schlicht, ohne Phantastereien, aber stimmungsvoll; und
wenn ich Bilder von ihm sehe, besonders solche wo das
graublaue Meer an einer Klippe brandet, so berührt
mich das jedesmal spezifisch skandinavisch, etwa wie der
ossianische Meereszauber in den Kompositionen unsers
trefflichen Niels Gade."

Planta, „will es mir als ein wahres Glück erſcheinen,
daß Herr von Szilagy, wie ich höre, mehrere Eiſen im
Feuer hat. Was ihm die Novelliſtik ſchuldig bleibt,
muß ihm die Malerei bringen.“

„Was ſie leider bisher nicht that und mutma߬
lich auch nie thuen wird,“ lachte Szilagy halb wehmütig,
„trotzdem ich vom Genrebild aus, mit dem ich anfing,
eine Schwenkung gemacht und mich unter Anleitung
meines Freundes Salzmann neuerdings der Marinemalerei
zugewandt habe. Mitunter auch Bataillen. Und was die
blauen Töne betrifft, ſo darf ich vielleicht behaupten, hinter
keinem zurückgeblieben zu ſein. Habe mich außerdem in
Gudin und William Turner vergafft. Aber trotzdem ...“

„Aber trotzdem ohne rechten Erfolg,“ unterbrach
hier Cujacius, „was mich nicht Wunder nimmt. Was
wollen Sie mit Gudin oder gar mit Turner? Wer
das Meer malen will, muß nach Holland gehn und die
alten Niederländer ſtudieren. Und unter den Modernen
vor allem die Skandinaven: die Norweger, die Dänen.“

Wrſchowitz zuckte zuſammen.

„Wir haben da beiſpielsweiſe den Melby, Däne
pur sang, der ſehr gut und beinah' bedeutend iſt.“

„O nein, nein,“ platzte jetzt Wrſchowitz mit immer
mehr erzitternder Stimme heraus. „Nicht ſerr gutt,
nicht bedeutend, auch nicht einmal beinah bedeutend.“

„Der ſehr bedeutend iſt,“ wiederholte Cujacius.
„Grade darin bedeutend, daß er nicht bedeutend ſein
will. Er erhebt keine falſchen Prätenſionen; er iſt
ſchlicht, ohne Phantaſtereien, aber ſtimmungsvoll; und
wenn ich Bilder von ihm ſehe, beſonders ſolche wo das
graublaue Meer an einer Klippe brandet, ſo berührt
mich das jedesmal ſpezifiſch ſkandinaviſch, etwa wie der
oſſianiſche Meereszauber in den Kompoſitionen unſers
trefflichen Niels Gade.“

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[398/0405] Planta, „will es mir als ein wahres Glück erſcheinen, daß Herr von Szilagy, wie ich höre, mehrere Eiſen im Feuer hat. Was ihm die Novelliſtik ſchuldig bleibt, muß ihm die Malerei bringen.“ „Was ſie leider bisher nicht that und mutma߬ lich auch nie thuen wird,“ lachte Szilagy halb wehmütig, „trotzdem ich vom Genrebild aus, mit dem ich anfing, eine Schwenkung gemacht und mich unter Anleitung meines Freundes Salzmann neuerdings der Marinemalerei zugewandt habe. Mitunter auch Bataillen. Und was die blauen Töne betrifft, ſo darf ich vielleicht behaupten, hinter keinem zurückgeblieben zu ſein. Habe mich außerdem in Gudin und William Turner vergafft. Aber trotzdem ...“ „Aber trotzdem ohne rechten Erfolg,“ unterbrach hier Cujacius, „was mich nicht Wunder nimmt. Was wollen Sie mit Gudin oder gar mit Turner? Wer das Meer malen will, muß nach Holland gehn und die alten Niederländer ſtudieren. Und unter den Modernen vor allem die Skandinaven: die Norweger, die Dänen.“ Wrſchowitz zuckte zuſammen. „Wir haben da beiſpielsweiſe den Melby, Däne pur sang, der ſehr gut und beinah' bedeutend iſt.“ „O nein, nein,“ platzte jetzt Wrſchowitz mit immer mehr erzitternder Stimme heraus. „Nicht ſerr gutt, nicht bedeutend, auch nicht einmal beinah bedeutend.“ „Der ſehr bedeutend iſt,“ wiederholte Cujacius. „Grade darin bedeutend, daß er nicht bedeutend ſein will. Er erhebt keine falſchen Prätenſionen; er iſt ſchlicht, ohne Phantaſtereien, aber ſtimmungsvoll; und wenn ich Bilder von ihm ſehe, beſonders ſolche wo das graublaue Meer an einer Klippe brandet, ſo berührt mich das jedesmal ſpezifiſch ſkandinaviſch, etwa wie der oſſianiſche Meereszauber in den Kompoſitionen unſers trefflichen Niels Gade.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/405>, abgerufen am 17.05.2024.