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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Und so auch, meine Herren, wenn ich von
moderner Litteratur spreche. Herr von Szilagy, den
wir so glücklich sind, unter uns zu sehn, soll aufgerichtet,
seine Seele soll mit neuem Vertrauen erfüllt werden.
Oder aber mit Heiterkeit, was noch besser ist. Er soll
wieder lachen können. Und wenn man solche Wirkung er¬
zielen will, ja, dann muß man eben deutlich und zugleich
etwas phantastisch sprechen. Indessen auch ernsthaft an¬
gesehen, wie steht es denn mit der Herstellung (ich ver¬
meide mit Vorbedacht das Wort ,Schöpfung') oder
gar mit dem Verschleiß der meisten dieser Dinge!
Lassen Sie mich in einem Bilde sprechen. Da haben
wir jetzt in unsern Blumenläden allerlei Kränze, voran
den aus Eichenlaub und Lorbeer bestehenden und meist
noch behufs besserer Dauerbarkeit auf eine herzhafte
Weidenrute geflochtenen Urkranz. Und [n]un treten Sie,
je nach der Situation, an die sich I[n]hen mit betrübter
oder auch mit lächelnder Miene nähernde Kranzbinderin
heran, um zu Begräbnis oder Trauung Ihre Bestellung
zu machen, zu drei Mark oder zu fünf oder zu zehn.
Und genau dieser Bestellung entsprechend, werden in den
vorgeschilderten Urkranz etliche Georginen oder Teichrosen
eingebunden und bei stattgehabter Höchstbewilligung sogar
eine Orchidee von ganz unglaublicher Form und Farbe."

"Kenne die Orchidee," rief Wrschowitz in höchster
Ekstase "lila mit gelb."

Pusch nickte, zugleich in steigendem Übermut fort¬
fahrend: "Und genau so mit der Urnovelle. Die liegt
fertig da wie der Urkranz; nichts fehlt, als der Auf¬
putz, der nunmehr freundschaftlich verabredet wird. Bei
Höchstbewilligung wird ein Verstoß gegen die Sittlich¬
keit eingeflochten. Das ist dann die große Orchidee,
lila mit gelb, wie Freund Wrschowitz sehr richtig her¬
vorgehoben hat."

"Unter diesen Umständen," bemerkte hier Baron

„Und ſo auch, meine Herren, wenn ich von
moderner Litteratur ſpreche. Herr von Szilagy, den
wir ſo glücklich ſind, unter uns zu ſehn, ſoll aufgerichtet,
ſeine Seele ſoll mit neuem Vertrauen erfüllt werden.
Oder aber mit Heiterkeit, was noch beſſer iſt. Er ſoll
wieder lachen können. Und wenn man ſolche Wirkung er¬
zielen will, ja, dann muß man eben deutlich und zugleich
etwas phantaſtiſch ſprechen. Indeſſen auch ernſthaft an¬
geſehen, wie ſteht es denn mit der Herſtellung (ich ver¬
meide mit Vorbedacht das Wort ‚Schöpfung‘) oder
gar mit dem Verſchleiß der meiſten dieſer Dinge!
Laſſen Sie mich in einem Bilde ſprechen. Da haben
wir jetzt in unſern Blumenläden allerlei Kränze, voran
den aus Eichenlaub und Lorbeer beſtehenden und meiſt
noch behufs beſſerer Dauerbarkeit auf eine herzhafte
Weidenrute geflochtenen Urkranz. Und [n]un treten Sie,
je nach der Situation, an die ſich I[n]hen mit betrübter
oder auch mit lächelnder Miene nähernde Kranzbinderin
heran, um zu Begräbnis oder Trauung Ihre Beſtellung
zu machen, zu drei Mark oder zu fünf oder zu zehn.
Und genau dieſer Beſtellung entſprechend, werden in den
vorgeſchilderten Urkranz etliche Georginen oder Teichroſen
eingebunden und bei ſtattgehabter Höchſtbewilligung ſogar
eine Orchidee von ganz unglaublicher Form und Farbe.“

„Kenne die Orchidee,“ rief Wrſchowitz in höchſter
Ekſtaſe „lila mit gelb.“

Puſch nickte, zugleich in ſteigendem Übermut fort¬
fahrend: „Und genau ſo mit der Urnovelle. Die liegt
fertig da wie der Urkranz; nichts fehlt, als der Auf¬
putz, der nunmehr freundſchaftlich verabredet wird. Bei
Höchſtbewilligung wird ein Verſtoß gegen die Sittlich¬
keit eingeflochten. Das iſt dann die große Orchidee,
lila mit gelb, wie Freund Wrſchowitz ſehr richtig her¬
vorgehoben hat.“

„Unter dieſen Umſtänden,“ bemerkte hier Baron

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[397/0404] „Und ſo auch, meine Herren, wenn ich von moderner Litteratur ſpreche. Herr von Szilagy, den wir ſo glücklich ſind, unter uns zu ſehn, ſoll aufgerichtet, ſeine Seele ſoll mit neuem Vertrauen erfüllt werden. Oder aber mit Heiterkeit, was noch beſſer iſt. Er ſoll wieder lachen können. Und wenn man ſolche Wirkung er¬ zielen will, ja, dann muß man eben deutlich und zugleich etwas phantaſtiſch ſprechen. Indeſſen auch ernſthaft an¬ geſehen, wie ſteht es denn mit der Herſtellung (ich ver¬ meide mit Vorbedacht das Wort ‚Schöpfung‘) oder gar mit dem Verſchleiß der meiſten dieſer Dinge! Laſſen Sie mich in einem Bilde ſprechen. Da haben wir jetzt in unſern Blumenläden allerlei Kränze, voran den aus Eichenlaub und Lorbeer beſtehenden und meiſt noch behufs beſſerer Dauerbarkeit auf eine herzhafte Weidenrute geflochtenen Urkranz. Und nun treten Sie, je nach der Situation, an die ſich Inhen mit betrübter oder auch mit lächelnder Miene nähernde Kranzbinderin heran, um zu Begräbnis oder Trauung Ihre Beſtellung zu machen, zu drei Mark oder zu fünf oder zu zehn. Und genau dieſer Beſtellung entſprechend, werden in den vorgeſchilderten Urkranz etliche Georginen oder Teichroſen eingebunden und bei ſtattgehabter Höchſtbewilligung ſogar eine Orchidee von ganz unglaublicher Form und Farbe.“ „Kenne die Orchidee,“ rief Wrſchowitz in höchſter Ekſtaſe „lila mit gelb.“ Puſch nickte, zugleich in ſteigendem Übermut fort¬ fahrend: „Und genau ſo mit der Urnovelle. Die liegt fertig da wie der Urkranz; nichts fehlt, als der Auf¬ putz, der nunmehr freundſchaftlich verabredet wird. Bei Höchſtbewilligung wird ein Verſtoß gegen die Sittlich¬ keit eingeflochten. Das iſt dann die große Orchidee, lila mit gelb, wie Freund Wrſchowitz ſehr richtig her¬ vorgehoben hat.“ „Unter dieſen Umſtänden,“ bemerkte hier Baron

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/404>, abgerufen am 22.11.2024.