"Ich spreche von Niels Gade. Seine Kompo¬ sitionen reichen bis an Mendelssohn heran."
"Was ihn nicht größer macht."
"Doch, mein Herr Doktor. Wirkliche Kunstgrößen zu stürzen, dazu reichen Überheblichkeiten nicht aus."
"Was Sie nicht abhielt, mein Herr Professor, den großen Gudin culbütieren zu wollen."
"Über Malerei zu sprechen, steht mir zu."
"Über Musik zu sprechen, steht mir zu."
"Sonderbar. Immer Personen aus unkontrolier¬ baren Grenzbezirken führen bei uns das große Wort."
"Ich bin Tscheche. Weiß aber, daß es ein deut¬ sches Sprichwort giebt: "Der Deutsche lüggt, wenn er höfflich wird"."
"Weshalb ich unter Umständen darauf verzichte."
"En quoi vous reussissez a merveille."
"Aber meine Herren," warf Pusch hier ein, den die ganze Streiterei natürlich entzückte, "könnten wir nicht das Kriegsbeil begraben? Proponiere: Begegnung auf halbem Wege; shaking hands. Nehmen Sie zurück, hüben und drüben."
"Nie," donnerte Cujacius.
"Jamais," sagte Wrschowitz.
Und damit erhoben sich alle. Cujacius und Pusch hatten die Tete, Wrschowitz und Baron Planta folgten in einiger Entfernung. Szilagy war vorsichtigerweise abgeschwenkt.
Wrschowitz, immer noch in großer Erregung, mühte sich dem jungen Graubündner auseinander zu setzen, daß Cujacius ganz allgemein den Ruf eines Krakehlers habe. "Je vous assure, Monsieur le Baron, il est un fou et plus que ca -- un blagueur."
„Niels Gade? Von Niels Gade ſpricht man nicht.“
„Ich ſpreche von Niels Gade. Seine Kompo¬ ſitionen reichen bis an Mendelsſohn heran.“
„Was ihn nicht größer macht.“
„Doch, mein Herr Doktor. Wirkliche Kunſtgrößen zu ſtürzen, dazu reichen Überheblichkeiten nicht aus.“
„Was Sie nicht abhielt, mein Herr Profeſſor, den großen Gudin culbütieren zu wollen.“
„Über Malerei zu ſprechen, ſteht mir zu.“
„Über Muſik zu ſprechen, ſteht mir zu.“
„Sonderbar. Immer Perſonen aus unkontrolier¬ baren Grenzbezirken führen bei uns das große Wort.“
„Ich bin Tſcheche. Weiß aber, daß es ein deut¬ ſches Sprichwort giebt: „Der Deutſche lüggt, wenn er höfflich wird“.“
„Weshalb ich unter Umſtänden darauf verzichte.“
„En quoi vous réussissez à merveille.“
„Aber meine Herren,“ warf Puſch hier ein, den die ganze Streiterei natürlich entzückte, „könnten wir nicht das Kriegsbeil begraben? Proponiere: Begegnung auf halbem Wege; shaking hands. Nehmen Sie zurück, hüben und drüben.“
„Nie,“ donnerte Cujacius.
„Jamais,“ ſagte Wrſchowitz.
Und damit erhoben ſich alle. Cujacius und Puſch hatten die Tete, Wrſchowitz und Baron Planta folgten in einiger Entfernung. Szilagy war vorſichtigerweiſe abgeſchwenkt.
Wrſchowitz, immer noch in großer Erregung, mühte ſich dem jungen Graubündner auseinander zu ſetzen, daß Cujacius ganz allgemein den Ruf eines Krakehlers habe. „Je vous assure, Monsieur le Baron, il est un fou et plus que ça — un blagueur.“
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„Niels Gade? Von Niels Gade ſpricht man
nicht.“
„Ich ſpreche von Niels Gade. Seine Kompo¬
ſitionen reichen bis an Mendelsſohn heran.“
„Was ihn nicht größer macht.“
„Doch, mein Herr Doktor. Wirkliche Kunſtgrößen
zu ſtürzen, dazu reichen Überheblichkeiten nicht aus.“
„Was Sie nicht abhielt, mein Herr Profeſſor, den
großen Gudin culbütieren zu wollen.“
„Über Malerei zu ſprechen, ſteht mir zu.“
„Über Muſik zu ſprechen, ſteht mir zu.“
„Sonderbar. Immer Perſonen aus unkontrolier¬
baren Grenzbezirken führen bei uns das große Wort.“
„Ich bin Tſcheche. Weiß aber, daß es ein deut¬
ſches Sprichwort giebt: „Der Deutſche lüggt, wenn er
höfflich wird“.“
„Weshalb ich unter Umſtänden darauf verzichte.“
„En quoi vous réussissez à merveille.“
„Aber meine Herren,“ warf Puſch hier ein, den
die ganze Streiterei natürlich entzückte, „könnten wir
nicht das Kriegsbeil begraben? Proponiere: Begegnung
auf halbem Wege; shaking hands. Nehmen Sie zurück,
hüben und drüben.“
„Nie,“ donnerte Cujacius.
„Jamais,“ ſagte Wrſchowitz.
Und damit erhoben ſich alle. Cujacius und Puſch
hatten die Tete, Wrſchowitz und Baron Planta folgten
in einiger Entfernung. Szilagy war vorſichtigerweiſe
abgeſchwenkt.
Wrſchowitz, immer noch in großer Erregung, mühte
ſich dem jungen Graubündner auseinander zu ſetzen,
daß Cujacius ganz allgemein den Ruf eines Krakehlers
habe. „Je vous assure, Monsieur le Baron, il est
un fou et plus que ça — un blagueur.“
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/406>, abgerufen am 22.11.2024.
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