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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Wutz ist eigentlich eine Gartengegend; unser Spargel ist
denn auch weit und breit der beste, und meine gute
Schmargendorff hat Artischocken gezogen so groß wie 'ne
Sonnenblume. Freilich, es will sie keiner so recht, und
alle sagen immer: ,es dauert so lange, wenn man so jedes
Blatt nehmen muß, und eigentlich hat man nichts davon,
auch wenn die Sauce noch so dick ist.' Viel mehr Glück
hat unsre alte Schimonski mit ihren großen Erdbeeren
-- ich meine natürlich nicht die Schimonski selber; sie selber
kann gar nichts, aber sie hat eine sehr geschickte Person --
und ein Berliner Händler kauft ihr alles ab, bloß daß
die Schnecken oft die Hälfte jeder Erdbeere wegfressen.
Man sollte nicht glauben, daß solche Tiere solchen feinen
Geschmack haben. Aber wenn es wegen der Schnecken
auch unsicher ist, Dubslav, du solltest solche Zucht doch
auch versuchen. Wenn es einschlägt, ist es sehr vorteil¬
haft. Die Schimonski wenigstens hat mehr davon als
von ihren Hühnern, trotzdem sie gut legen. Denn mal
sind sie billig, die Eier, und dann wieder verderben sie,
und die schlechten werden einem berechnet und abgezogen,
und die Streiterei nimmt kein Ende."

Kurz vor elf brach das Gespräch ab, und man zog
sich zurück. Der alte Dubslav ließ es sich nicht nehmen,
die Damen persönlich treppauf bis an ihre Zimmer zu
führen und sich da unter Handkuß von ihnen zu verab¬
schieden. Es waren dieselben zwei Räume, die vor gerad'
einem Vierteljahr Rex und Czako bewohnt hatten, das
größere Zimmer jetzt für Melusine, das kleinere für
Armgard bestimmt. Aber als nun beide vor ihren Reise¬
taschen standen und sich oberflächlich daran zu thun
machten, sagte Melusine: "Dies Himmelbett ist also für
mich. Wenn es dir gleich ist, beziehe du lieber dies
Ehrenlager und lasse mir das kleine Schlafzimmer. Zu¬
sammen sind wir ja doch; die Thür steht auf."

"Ja Melusine, wenn du's durchaus wünscht, dann

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Wutz iſt eigentlich eine Gartengegend; unſer Spargel iſt
denn auch weit und breit der beſte, und meine gute
Schmargendorff hat Artiſchocken gezogen ſo groß wie 'ne
Sonnenblume. Freilich, es will ſie keiner ſo recht, und
alle ſagen immer: ‚es dauert ſo lange, wenn man ſo jedes
Blatt nehmen muß, und eigentlich hat man nichts davon,
auch wenn die Sauce noch ſo dick iſt.‘ Viel mehr Glück
hat unſre alte Schimonski mit ihren großen Erdbeeren
— ich meine natürlich nicht die Schimonski ſelber; ſie ſelber
kann gar nichts, aber ſie hat eine ſehr geſchickte Perſon —
und ein Berliner Händler kauft ihr alles ab, bloß daß
die Schnecken oft die Hälfte jeder Erdbeere wegfreſſen.
Man ſollte nicht glauben, daß ſolche Tiere ſolchen feinen
Geſchmack haben. Aber wenn es wegen der Schnecken
auch unſicher iſt, Dubslav, du ſollteſt ſolche Zucht doch
auch verſuchen. Wenn es einſchlägt, iſt es ſehr vorteil¬
haft. Die Schimonski wenigſtens hat mehr davon als
von ihren Hühnern, trotzdem ſie gut legen. Denn mal
ſind ſie billig, die Eier, und dann wieder verderben ſie,
und die ſchlechten werden einem berechnet und abgezogen,
und die Streiterei nimmt kein Ende.“

Kurz vor elf brach das Geſpräch ab, und man zog
ſich zurück. Der alte Dubslav ließ es ſich nicht nehmen,
die Damen perſönlich treppauf bis an ihre Zimmer zu
führen und ſich da unter Handkuß von ihnen zu verab¬
ſchieden. Es waren dieſelben zwei Räume, die vor gerad'
einem Vierteljahr Rex und Czako bewohnt hatten, das
größere Zimmer jetzt für Meluſine, das kleinere für
Armgard beſtimmt. Aber als nun beide vor ihren Reiſe¬
taſchen ſtanden und ſich oberflächlich daran zu thun
machten, ſagte Meluſine: „Dies Himmelbett iſt alſo für
mich. Wenn es dir gleich iſt, beziehe du lieber dies
Ehrenlager und laſſe mir das kleine Schlafzimmer. Zu¬
ſammen ſind wir ja doch; die Thür ſteht auf.“

„Ja Meluſine, wenn du's durchaus wünſcht, dann

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[339/0346] Wutz iſt eigentlich eine Gartengegend; unſer Spargel iſt denn auch weit und breit der beſte, und meine gute Schmargendorff hat Artiſchocken gezogen ſo groß wie 'ne Sonnenblume. Freilich, es will ſie keiner ſo recht, und alle ſagen immer: ‚es dauert ſo lange, wenn man ſo jedes Blatt nehmen muß, und eigentlich hat man nichts davon, auch wenn die Sauce noch ſo dick iſt.‘ Viel mehr Glück hat unſre alte Schimonski mit ihren großen Erdbeeren — ich meine natürlich nicht die Schimonski ſelber; ſie ſelber kann gar nichts, aber ſie hat eine ſehr geſchickte Perſon — und ein Berliner Händler kauft ihr alles ab, bloß daß die Schnecken oft die Hälfte jeder Erdbeere wegfreſſen. Man ſollte nicht glauben, daß ſolche Tiere ſolchen feinen Geſchmack haben. Aber wenn es wegen der Schnecken auch unſicher iſt, Dubslav, du ſollteſt ſolche Zucht doch auch verſuchen. Wenn es einſchlägt, iſt es ſehr vorteil¬ haft. Die Schimonski wenigſtens hat mehr davon als von ihren Hühnern, trotzdem ſie gut legen. Denn mal ſind ſie billig, die Eier, und dann wieder verderben ſie, und die ſchlechten werden einem berechnet und abgezogen, und die Streiterei nimmt kein Ende.“ Kurz vor elf brach das Geſpräch ab, und man zog ſich zurück. Der alte Dubslav ließ es ſich nicht nehmen, die Damen perſönlich treppauf bis an ihre Zimmer zu führen und ſich da unter Handkuß von ihnen zu verab¬ ſchieden. Es waren dieſelben zwei Räume, die vor gerad' einem Vierteljahr Rex und Czako bewohnt hatten, das größere Zimmer jetzt für Meluſine, das kleinere für Armgard beſtimmt. Aber als nun beide vor ihren Reiſe¬ taſchen ſtanden und ſich oberflächlich daran zu thun machten, ſagte Meluſine: „Dies Himmelbett iſt alſo für mich. Wenn es dir gleich iſt, beziehe du lieber dies Ehrenlager und laſſe mir das kleine Schlafzimmer. Zu¬ ſammen ſind wir ja doch; die Thür ſteht auf.“ „Ja Meluſine, wenn du's durchaus wünſcht, dann 22 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/346>, abgerufen am 23.11.2024.