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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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ihre Kunst wiederhergestellten Jugend und Schönheit richten
zu wollen, eine Bitte, der der Oberrichter auch sofort nach¬
kam. Was darauf geantwortet wurde, lautete hinsichtlich
der Dauer sehr verschieden. Als aber, trotz der Ver¬
schiedenheit dieser Angaben, keine der Konkurrentinnen mehr
als ein Vierteljahr zu garantieren wagte, wandte sich die
Verklagte ruhig an den hohen Gerichtshof und sagte nicht
ohne Würde: ,Meine Herren Richter, meine Mitkünstlerinnen,
wie Sie soeben vernommen, helfen auf Zeit; was ich
leiste, ist ,beautifying for ever'. Alles war von
diesem Worte hingerissen, der hohe Gerichtshof mit, und
die Herzogin hatte die Riesensumme zu zahlen."

"Und wäre dergleichen hierlandes möglich?" fragte
Melusine.

"Ganz unmöglich," entgegnete der für alles Fremde
schwärmende Koseleger. "Es kann hier einfach deshalb
nicht vorkommen, weil uns der dazu nötige höhere Kultur¬
zustand und die dem entsprechende Anschauung fehlt. In
unserm guten Preußen, und nun gar erst in unser Mark,
sieht man in einem derartigen Hergange nur das Karri¬
kierte, günstigsten Falls das Groteske, nicht aber jenes Hoch¬
maß gesellschaftlicher Verfeinerung, aus dem allein sich solche
Dinge, die man im übrigen um ihres Raffinements willen
belächeln oder verurteilen mag, entwickeln können."

Die meisten waren einverstanden, allen voraus Dubslav,
dem dergleichen immer einleuchtete, während die Domina
von "Horreur" sprach und sichtlich unmutig den Kopf hin
und her bewegte. Woldemar erneute natürlich seine Ver¬
suche, die der Tante so mißfällige Konversation auf andres
überzulenken, bei welcher Gelegenheit er nach dem Berühren
verschiedenster Themata zuletzt auch auf den Coventgarden¬
markt und den englischen Gemüsebau zu sprechen kam.
Das paßte der Domina.

"Ja, Gemüsebau," sagte sie, "das ist eine wunderbare
Sache, daran hat man eine wirkliche Freude. Kloster

ihre Kunſt wiederhergeſtellten Jugend und Schönheit richten
zu wollen, eine Bitte, der der Oberrichter auch ſofort nach¬
kam. Was darauf geantwortet wurde, lautete hinſichtlich
der Dauer ſehr verſchieden. Als aber, trotz der Ver¬
ſchiedenheit dieſer Angaben, keine der Konkurrentinnen mehr
als ein Vierteljahr zu garantieren wagte, wandte ſich die
Verklagte ruhig an den hohen Gerichtshof und ſagte nicht
ohne Würde: ‚Meine Herren Richter, meine Mitkünſtlerinnen,
wie Sie ſoeben vernommen, helfen auf Zeit; was ich
leiſte, iſt ‚beautifying for ever‘. Alles war von
dieſem Worte hingeriſſen, der hohe Gerichtshof mit, und
die Herzogin hatte die Rieſenſumme zu zahlen.“

„Und wäre dergleichen hierlandes möglich?“ fragte
Meluſine.

„Ganz unmöglich,“ entgegnete der für alles Fremde
ſchwärmende Koſeleger. „Es kann hier einfach deshalb
nicht vorkommen, weil uns der dazu nötige höhere Kultur¬
zuſtand und die dem entſprechende Anſchauung fehlt. In
unſerm guten Preußen, und nun gar erſt in unſer Mark,
ſieht man in einem derartigen Hergange nur das Karri¬
kierte, günſtigſten Falls das Groteske, nicht aber jenes Hoch¬
maß geſellſchaftlicher Verfeinerung, aus dem allein ſich ſolche
Dinge, die man im übrigen um ihres Raffinements willen
belächeln oder verurteilen mag, entwickeln können.“

Die meiſten waren einverſtanden, allen voraus Dubslav,
dem dergleichen immer einleuchtete, während die Domina
von „Horreur“ ſprach und ſichtlich unmutig den Kopf hin
und her bewegte. Woldemar erneute natürlich ſeine Ver¬
ſuche, die der Tante ſo mißfällige Konverſation auf andres
überzulenken, bei welcher Gelegenheit er nach dem Berühren
verſchiedenſter Themata zuletzt auch auf den Coventgarden¬
markt und den engliſchen Gemüſebau zu ſprechen kam.
Das paßte der Domina.

„Ja, Gemüſebau,“ ſagte ſie, „das iſt eine wunderbare
Sache, daran hat man eine wirkliche Freude. Kloſter

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[338/0345] ihre Kunſt wiederhergeſtellten Jugend und Schönheit richten zu wollen, eine Bitte, der der Oberrichter auch ſofort nach¬ kam. Was darauf geantwortet wurde, lautete hinſichtlich der Dauer ſehr verſchieden. Als aber, trotz der Ver¬ ſchiedenheit dieſer Angaben, keine der Konkurrentinnen mehr als ein Vierteljahr zu garantieren wagte, wandte ſich die Verklagte ruhig an den hohen Gerichtshof und ſagte nicht ohne Würde: ‚Meine Herren Richter, meine Mitkünſtlerinnen, wie Sie ſoeben vernommen, helfen auf Zeit; was ich leiſte, iſt ‚beautifying for ever‘. Alles war von dieſem Worte hingeriſſen, der hohe Gerichtshof mit, und die Herzogin hatte die Rieſenſumme zu zahlen.“ „Und wäre dergleichen hierlandes möglich?“ fragte Meluſine. „Ganz unmöglich,“ entgegnete der für alles Fremde ſchwärmende Koſeleger. „Es kann hier einfach deshalb nicht vorkommen, weil uns der dazu nötige höhere Kultur¬ zuſtand und die dem entſprechende Anſchauung fehlt. In unſerm guten Preußen, und nun gar erſt in unſer Mark, ſieht man in einem derartigen Hergange nur das Karri¬ kierte, günſtigſten Falls das Groteske, nicht aber jenes Hoch¬ maß geſellſchaftlicher Verfeinerung, aus dem allein ſich ſolche Dinge, die man im übrigen um ihres Raffinements willen belächeln oder verurteilen mag, entwickeln können.“ Die meiſten waren einverſtanden, allen voraus Dubslav, dem dergleichen immer einleuchtete, während die Domina von „Horreur“ ſprach und ſichtlich unmutig den Kopf hin und her bewegte. Woldemar erneute natürlich ſeine Ver¬ ſuche, die der Tante ſo mißfällige Konverſation auf andres überzulenken, bei welcher Gelegenheit er nach dem Berühren verſchiedenſter Themata zuletzt auch auf den Coventgarden¬ markt und den engliſchen Gemüſebau zu ſprechen kam. Das paßte der Domina. „Ja, Gemüſebau,“ ſagte ſie, „das iſt eine wunderbare Sache, daran hat man eine wirkliche Freude. Kloſter

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/345>, abgerufen am 19.05.2024.