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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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natürlich. Aber ich verstehe dich nicht recht. Man will
dich auszeichnen, und wenn du das ablehnst, so kann es
auffallen. Man muß doch in einem Hause, wo man noch
halb fremd ist, alles so thun, wie's gewünscht wird."

Melusine ging auf die Schwester zu, sah sie halb
verlegen, halb schelmisch an und sagte: "Natürlich hast
du recht. Aber ich bitte dich trotzdem darum. Und es
braucht es ja auch keiner zu merken. Direkte Kontrolle
wird ja wohl ausgeschlossen sein, und ich mache keine
tiefere Kute wie du."

"Gut, gut," lachte Armgard. "Aber sage, was soll
das alles? Du bist doch sonst so leichtlebig. Und wenn
es dir hier in dem ersten Zimmer, weil es so nah' an
der scharfen Flurecke liegt, wirklich etwas ängstlich zu
Mute sein sollte, nun so können wir ja zuriegeln."

"Das hilft nichts, Armgard. In solchen alten
Schlössern giebt es immer Tapetenthüren. Und was das
hier angeht," und sie wies dabei auf das Bett, "alle
Spukgeschichten sind immer gerad' in Himmelbetten
passiert; ich habe noch nie gehört, daß Gespenster an eine
Birkenmaserbettstelle herangetreten wären. Und hast du
nicht unten den mistle-toe gesehn? Mistelbusch ist auch
noch so Überbleibsel aus heidnischer Zeit her, bei den alten
Deutschen gewiß und bei den Wenden wohl auch, für den
Fall, daß die Stechlins wirkliche Wenden sind. Wenn
ich Tante Adelheid ansehe, glaub' ich es beinah'. Und
wie sie von den Hühnern sprach und den Eiern. Alles
so wendisch. Ich glaube ja nicht eigentlich an Gespenster,
wiewohl ich auch nicht ganz dagegen bin, aber wie dem
auch sein möge, wenn ich mir denke, Tante Adelheid er¬
schiene mir hier und brächte mir eine Erdbeere, die die
Schnecken schon angeknabbert haben, so wäre das mein
Tod."

Armgard lachte.

"Ja, du lachst, aber hast du denn die Augen von

natürlich. Aber ich verſtehe dich nicht recht. Man will
dich auszeichnen, und wenn du das ablehnſt, ſo kann es
auffallen. Man muß doch in einem Hauſe, wo man noch
halb fremd iſt, alles ſo thun, wie's gewünſcht wird.“

Meluſine ging auf die Schweſter zu, ſah ſie halb
verlegen, halb ſchelmiſch an und ſagte: „Natürlich haſt
du recht. Aber ich bitte dich trotzdem darum. Und es
braucht es ja auch keiner zu merken. Direkte Kontrolle
wird ja wohl ausgeſchloſſen ſein, und ich mache keine
tiefere Kute wie du.“

„Gut, gut,“ lachte Armgard. „Aber ſage, was ſoll
das alles? Du biſt doch ſonſt ſo leichtlebig. Und wenn
es dir hier in dem erſten Zimmer, weil es ſo nah' an
der ſcharfen Flurecke liegt, wirklich etwas ängſtlich zu
Mute ſein ſollte, nun ſo können wir ja zuriegeln.“

„Das hilft nichts, Armgard. In ſolchen alten
Schlöſſern giebt es immer Tapetenthüren. Und was das
hier angeht,“ und ſie wies dabei auf das Bett, „alle
Spukgeſchichten ſind immer gerad' in Himmelbetten
paſſiert; ich habe noch nie gehört, daß Geſpenſter an eine
Birkenmaſerbettſtelle herangetreten wären. Und haſt du
nicht unten den mistle-toe geſehn? Miſtelbuſch iſt auch
noch ſo Überbleibſel aus heidniſcher Zeit her, bei den alten
Deutſchen gewiß und bei den Wenden wohl auch, für den
Fall, daß die Stechlins wirkliche Wenden ſind. Wenn
ich Tante Adelheid anſehe, glaub' ich es beinah'. Und
wie ſie von den Hühnern ſprach und den Eiern. Alles
ſo wendiſch. Ich glaube ja nicht eigentlich an Geſpenſter,
wiewohl ich auch nicht ganz dagegen bin, aber wie dem
auch ſein möge, wenn ich mir denke, Tante Adelheid er¬
ſchiene mir hier und brächte mir eine Erdbeere, die die
Schnecken ſchon angeknabbert haben, ſo wäre das mein
Tod.“

Armgard lachte.

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[340/0347] natürlich. Aber ich verſtehe dich nicht recht. Man will dich auszeichnen, und wenn du das ablehnſt, ſo kann es auffallen. Man muß doch in einem Hauſe, wo man noch halb fremd iſt, alles ſo thun, wie's gewünſcht wird.“ Meluſine ging auf die Schweſter zu, ſah ſie halb verlegen, halb ſchelmiſch an und ſagte: „Natürlich haſt du recht. Aber ich bitte dich trotzdem darum. Und es braucht es ja auch keiner zu merken. Direkte Kontrolle wird ja wohl ausgeſchloſſen ſein, und ich mache keine tiefere Kute wie du.“ „Gut, gut,“ lachte Armgard. „Aber ſage, was ſoll das alles? Du biſt doch ſonſt ſo leichtlebig. Und wenn es dir hier in dem erſten Zimmer, weil es ſo nah' an der ſcharfen Flurecke liegt, wirklich etwas ängſtlich zu Mute ſein ſollte, nun ſo können wir ja zuriegeln.“ „Das hilft nichts, Armgard. In ſolchen alten Schlöſſern giebt es immer Tapetenthüren. Und was das hier angeht,“ und ſie wies dabei auf das Bett, „alle Spukgeſchichten ſind immer gerad' in Himmelbetten paſſiert; ich habe noch nie gehört, daß Geſpenſter an eine Birkenmaſerbettſtelle herangetreten wären. Und haſt du nicht unten den mistle-toe geſehn? Miſtelbuſch iſt auch noch ſo Überbleibſel aus heidniſcher Zeit her, bei den alten Deutſchen gewiß und bei den Wenden wohl auch, für den Fall, daß die Stechlins wirkliche Wenden ſind. Wenn ich Tante Adelheid anſehe, glaub' ich es beinah'. Und wie ſie von den Hühnern ſprach und den Eiern. Alles ſo wendiſch. Ich glaube ja nicht eigentlich an Geſpenſter, wiewohl ich auch nicht ganz dagegen bin, aber wie dem auch ſein möge, wenn ich mir denke, Tante Adelheid er¬ ſchiene mir hier und brächte mir eine Erdbeere, die die Schnecken ſchon angeknabbert haben, ſo wäre das mein Tod.“ Armgard lachte. „Ja, du lachſt, aber haſt du denn die Augen von

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/347>, abgerufen am 23.11.2024.