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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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aber sie kann ja 'nen Schlitten nehmen. Vielleicht ist ihr
Schlitten besser als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das
Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch
nicht besser. Und dabei denkt sie, ,sie is was', was am
Ende auch wieder gut is, denn wenn der Mensch erst
denkt, ,es is gar nichts mit ihm', dann is es auch
nichts."

"Und dann, gnäd'ger Herr, sie is ja doch 'ne Domina
und hat 'nen Rang. Und ich hab' auch mal gelesen, sie
sei eigentlich mehr als ein Major."

"Na, jedenfalls ist sie mehr als ihr Bruder; so 'n
vergessener Major is ein Jammer. Aber Adelheid selbst,
so auf 'n ersten Anhieb, is auch bloß so so. Wir müssen
jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor.
Baron Beetz und der alte Zühlen, die die besten sind, die
wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, seit wir die Eisen¬
bahnen haben, laufen die Pferde schlechter. Oder es
kommt einem auch bloß so vor. Also die guten Nummern
fallen aus. Und da sind wir denn wieder bei Gunder¬
mann."

"Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er soll ja auch
so zweideutig sein. Uncke hat es mir gesagt; Uncke hat
freilich immer das Wort ,zweideutig'. Aber es wird wohl
stimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne
richtige Berlinsche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich."

"Ja, Engelke, du sollst mir helfen und machst es bloß
noch schlimmer. Wir könnten es mit Katzler versuchen,
aber da ist das Kind krank, und vielleicht stirbt es. Und
dann haben wir natürlich noch unsern Pastor; nu der
ginge, bloß daß er immer so still dasitzt, wie wenn er
auf den heiligen Geist wartet. Und mitunter kommt er;
aber noch öfter kommt er nicht. Und solche Herrschaften,
die dran gewöhnt sind, daß einer in einem fort was
Feines sagt, ja, was sollen die mit unserm Lorenzen?
Er ist ein Schweiger."

aber ſie kann ja 'nen Schlitten nehmen. Vielleicht iſt ihr
Schlitten beſſer als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das
Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch
nicht beſſer. Und dabei denkt ſie, ‚ſie is was‘, was am
Ende auch wieder gut is, denn wenn der Menſch erſt
denkt, ‚es is gar nichts mit ihm‘, dann is es auch
nichts.“

„Und dann, gnäd'ger Herr, ſie is ja doch 'ne Domina
und hat 'nen Rang. Und ich hab' auch mal geleſen, ſie
ſei eigentlich mehr als ein Major.“

„Na, jedenfalls iſt ſie mehr als ihr Bruder; ſo 'n
vergeſſener Major is ein Jammer. Aber Adelheid ſelbſt,
ſo auf 'n erſten Anhieb, is auch bloß ſo ſo. Wir müſſen
jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor.
Baron Beetz und der alte Zühlen, die die beſten ſind, die
wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, ſeit wir die Eiſen¬
bahnen haben, laufen die Pferde ſchlechter. Oder es
kommt einem auch bloß ſo vor. Alſo die guten Nummern
fallen aus. Und da ſind wir denn wieder bei Gunder¬
mann.“

„Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er ſoll ja auch
ſo zweideutig ſein. Uncke hat es mir geſagt; Uncke hat
freilich immer das Wort ‚zweideutig‘. Aber es wird wohl
ſtimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne
richtige Berlinſche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich.“

„Ja, Engelke, du ſollſt mir helfen und machſt es bloß
noch ſchlimmer. Wir könnten es mit Katzler verſuchen,
aber da iſt das Kind krank, und vielleicht ſtirbt es. Und
dann haben wir natürlich noch unſern Paſtor; nu der
ginge, bloß daß er immer ſo ſtill daſitzt, wie wenn er
auf den heiligen Geiſt wartet. Und mitunter kommt er;
aber noch öfter kommt er nicht. Und ſolche Herrſchaften,
die dran gewöhnt ſind, daß einer in einem fort was
Feines ſagt, ja, was ſollen die mit unſerm Lorenzen?
Er iſt ein Schweiger.“

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[328/0335] aber ſie kann ja 'nen Schlitten nehmen. Vielleicht iſt ihr Schlitten beſſer als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch nicht beſſer. Und dabei denkt ſie, ‚ſie is was‘, was am Ende auch wieder gut is, denn wenn der Menſch erſt denkt, ‚es is gar nichts mit ihm‘, dann is es auch nichts.“ „Und dann, gnäd'ger Herr, ſie is ja doch 'ne Domina und hat 'nen Rang. Und ich hab' auch mal geleſen, ſie ſei eigentlich mehr als ein Major.“ „Na, jedenfalls iſt ſie mehr als ihr Bruder; ſo 'n vergeſſener Major is ein Jammer. Aber Adelheid ſelbſt, ſo auf 'n erſten Anhieb, is auch bloß ſo ſo. Wir müſſen jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor. Baron Beetz und der alte Zühlen, die die beſten ſind, die wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, ſeit wir die Eiſen¬ bahnen haben, laufen die Pferde ſchlechter. Oder es kommt einem auch bloß ſo vor. Alſo die guten Nummern fallen aus. Und da ſind wir denn wieder bei Gunder¬ mann.“ „Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er ſoll ja auch ſo zweideutig ſein. Uncke hat es mir geſagt; Uncke hat freilich immer das Wort ‚zweideutig‘. Aber es wird wohl ſtimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne richtige Berlinſche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich.“ „Ja, Engelke, du ſollſt mir helfen und machſt es bloß noch ſchlimmer. Wir könnten es mit Katzler verſuchen, aber da iſt das Kind krank, und vielleicht ſtirbt es. Und dann haben wir natürlich noch unſern Paſtor; nu der ginge, bloß daß er immer ſo ſtill daſitzt, wie wenn er auf den heiligen Geiſt wartet. Und mitunter kommt er; aber noch öfter kommt er nicht. Und ſolche Herrſchaften, die dran gewöhnt ſind, daß einer in einem fort was Feines ſagt, ja, was ſollen die mit unſerm Lorenzen? Er iſt ein Schweiger.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/335>, abgerufen am 26.11.2024.