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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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lichkeit. Auch in der Maria suchte man nach Anlehnungen
und fand sie zuletzt; es war Lizzi, die, wie so viele Ber¬
liner Kammerjungfern, einen sittig verschämten Ausdruck
hatte. Nach dem Thee wurde musiziert, und Wrschowitz
spielte, -- weil er dem alten Grafen eine Aufmerksamkeit zu
erweisen wünschte, -- die Polonaise von Oginski, bei deren
erster, nunmehr um siebzig Jahre zurückliegenden Auf¬
führung, einem alten on dit zufolge, der polnisch gräfliche
Komponist im Schlußmomente sich erschossen haben sollte.
Natürlich aus Liebe. "Brav, brav," sagte der alte Graf
und war, während er sich beinah' überschwenglich be¬
dankte, so sehr aus dem Häuschen, daß Wrschowitz
schließlich schelmisch bemerkte: "Den Piffpaffschluß muß
ich mir versagen, Herr Graff, trotzdem meine Vererrung
(Blick auf Armgard) serr groß ist, fast so groß wie die
Vererrung des Herrn Graffen vor Graff Oginski."

So verlief der Heiligabend.

Schon vorher war man übereingekommen, am zweiten
Feiertage zu dritt einen Ausflug nach Stechlin zu machen,
um dort die künftige Schwiegertochter dem Schwiegervater
vorzustellen. Noch am Christabend selbst, trotzdem Mitter¬
nacht schon vorüber, schrieb denn auch Woldemar einige
Zeilen nach Stechlin hin, in denen er sich samt Braut
und Schwägerin für den zweiten Feiertag abend an¬
meldete.

Rechtzeitig trafen Woldemars Zeilen in Stechlin ein.
"Lieber Papa. Wir haben vor, am zweiten Feiertage
mit dem Spätnachmittagszuge von hier aufzubrechen.
Wir sind dann um sieben auf dem Granseer Bahnhof
und um neun oder nicht viel später bei dir. Armgard
ist glücklich, dich endlich kennen zu lernen, den kennen
zu lernen, den sie seit lange verehrt. Dafür, mein lieber
Papa, hab' ich Sorge getragen. Graf Barby, der nicht
gut bei Wege ist, was ihn hindert mitzukommen, will
dir angelegentlich empfohlen sein. Desgleichen Gräfin

lichkeit. Auch in der Maria ſuchte man nach Anlehnungen
und fand ſie zuletzt; es war Lizzi, die, wie ſo viele Ber¬
liner Kammerjungfern, einen ſittig verſchämten Ausdruck
hatte. Nach dem Thee wurde muſiziert, und Wrſchowitz
ſpielte, — weil er dem alten Grafen eine Aufmerkſamkeit zu
erweiſen wünſchte, — die Polonaiſe von Oginski, bei deren
erſter, nunmehr um ſiebzig Jahre zurückliegenden Auf¬
führung, einem alten on dit zufolge, der polniſch gräfliche
Komponiſt im Schlußmomente ſich erſchoſſen haben ſollte.
Natürlich aus Liebe. „Brav, brav,“ ſagte der alte Graf
und war, während er ſich beinah' überſchwenglich be¬
dankte, ſo ſehr aus dem Häuschen, daß Wrſchowitz
ſchließlich ſchelmiſch bemerkte: „Den Piffpaffſchluß muß
ich mir verſagen, Herr Graff, trotzdem meine Vererrung
(Blick auf Armgard) ſerr groß iſt, faſt ſo groß wie die
Vererrung des Herrn Graffen vor Graff Oginski.“

So verlief der Heiligabend.

Schon vorher war man übereingekommen, am zweiten
Feiertage zu dritt einen Ausflug nach Stechlin zu machen,
um dort die künftige Schwiegertochter dem Schwiegervater
vorzuſtellen. Noch am Chriſtabend ſelbſt, trotzdem Mitter¬
nacht ſchon vorüber, ſchrieb denn auch Woldemar einige
Zeilen nach Stechlin hin, in denen er ſich ſamt Braut
und Schwägerin für den zweiten Feiertag abend an¬
meldete.

Rechtzeitig trafen Woldemars Zeilen in Stechlin ein.
„Lieber Papa. Wir haben vor, am zweiten Feiertage
mit dem Spätnachmittagszuge von hier aufzubrechen.
Wir ſind dann um ſieben auf dem Granſeer Bahnhof
und um neun oder nicht viel ſpäter bei dir. Armgard
iſt glücklich, dich endlich kennen zu lernen, den kennen
zu lernen, den ſie ſeit lange verehrt. Dafür, mein lieber
Papa, hab' ich Sorge getragen. Graf Barby, der nicht
gut bei Wege iſt, was ihn hindert mitzukommen, will
dir angelegentlich empfohlen ſein. Desgleichen Gräfin

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[326/0333] lichkeit. Auch in der Maria ſuchte man nach Anlehnungen und fand ſie zuletzt; es war Lizzi, die, wie ſo viele Ber¬ liner Kammerjungfern, einen ſittig verſchämten Ausdruck hatte. Nach dem Thee wurde muſiziert, und Wrſchowitz ſpielte, — weil er dem alten Grafen eine Aufmerkſamkeit zu erweiſen wünſchte, — die Polonaiſe von Oginski, bei deren erſter, nunmehr um ſiebzig Jahre zurückliegenden Auf¬ führung, einem alten on dit zufolge, der polniſch gräfliche Komponiſt im Schlußmomente ſich erſchoſſen haben ſollte. Natürlich aus Liebe. „Brav, brav,“ ſagte der alte Graf und war, während er ſich beinah' überſchwenglich be¬ dankte, ſo ſehr aus dem Häuschen, daß Wrſchowitz ſchließlich ſchelmiſch bemerkte: „Den Piffpaffſchluß muß ich mir verſagen, Herr Graff, trotzdem meine Vererrung (Blick auf Armgard) ſerr groß iſt, faſt ſo groß wie die Vererrung des Herrn Graffen vor Graff Oginski.“ So verlief der Heiligabend. Schon vorher war man übereingekommen, am zweiten Feiertage zu dritt einen Ausflug nach Stechlin zu machen, um dort die künftige Schwiegertochter dem Schwiegervater vorzuſtellen. Noch am Chriſtabend ſelbſt, trotzdem Mitter¬ nacht ſchon vorüber, ſchrieb denn auch Woldemar einige Zeilen nach Stechlin hin, in denen er ſich ſamt Braut und Schwägerin für den zweiten Feiertag abend an¬ meldete. Rechtzeitig trafen Woldemars Zeilen in Stechlin ein. „Lieber Papa. Wir haben vor, am zweiten Feiertage mit dem Spätnachmittagszuge von hier aufzubrechen. Wir ſind dann um ſieben auf dem Granſeer Bahnhof und um neun oder nicht viel ſpäter bei dir. Armgard iſt glücklich, dich endlich kennen zu lernen, den kennen zu lernen, den ſie ſeit lange verehrt. Dafür, mein lieber Papa, hab' ich Sorge getragen. Graf Barby, der nicht gut bei Wege iſt, was ihn hindert mitzukommen, will dir angelegentlich empfohlen ſein. Desgleichen Gräfin

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/333>, abgerufen am 26.11.2024.