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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Lindengange stand, zwischen Grabsteinen links und rechts
und das Abendläuten von der Kirche her begann, da war
es mir, als käme wieder der Zug mit den Mönchen den
Lindengang herauf, und ich sah Editha und sah auch
den König, trotzdem ihn die Zweige halb verdeckten. Und
dabei (wenn auch eigentlich der Papa schuld ist und nicht
Sie, Gräfin) gedacht ich Ihrer in alter und neuer
Dankbarkeit."

"Und daß Sie mich besiegt haben. Aber das sage
nur ich. Sie sagen es natürlich nicht, denn Sie sind nicht
der Mann, sich eines Sieges zu rühmen, noch dazu über
eine Frau. Waltham-Abbey kenn' ich nun, und an Ihre
Phantasie glaub' ich von heut an, trotzdem Sie mich mit
Traitors Gate im Stiche gelassen. Daß sie nebenher noch,
und zwar Armgard zu Ehren, in Martins le Grand
waren, dessen bin ich sicher und ebenso, daß Sie Papas
einzige Forderung erfüllt und der Kapelle Heinrichs des
Siebenten Ihren Besuch gemacht haben, diesem Wunder¬
werk der Tudors. Welchen Eindruck hatten Sie von der
Kapelle?

"Den denkbar großartigsten. Ich weiß, daß man die
herabhängenden Trichter, die sie ,Tromben' nennen, unschön
gefunden hat, aber ästhetische Vorschriften existieren für
mich nicht. Was auf mich wirkt, wirkt. Ich konnte mich
nicht satt sehen daran. Trotzdem, das Eigentlichste war
doch noch wieder ein andres und kam erst, als ich da
zwischen den Sarkophagen der beiden feindlichen Köni¬
ginnen stand. Ich wüßte nicht, daß etwas je so be¬
weglich und eindringlich zu mir gepredigt hätte, wie gerade
diese Stelle."

"Und was war es, was Sie da so bewegte?"

"Das Gefühl: ,zwischen diesen beiden Gegensätzen
pendelt die Weltgeschichte.' Zunächst freilich scheinen wir
da nur den Gegensatz zwischen Katholizismus und Pro¬
testantismus zu haben, aber weit darüber hinaus (weil

Lindengange ſtand, zwiſchen Grabſteinen links und rechts
und das Abendläuten von der Kirche her begann, da war
es mir, als käme wieder der Zug mit den Mönchen den
Lindengang herauf, und ich ſah Editha und ſah auch
den König, trotzdem ihn die Zweige halb verdeckten. Und
dabei (wenn auch eigentlich der Papa ſchuld iſt und nicht
Sie, Gräfin) gedacht ich Ihrer in alter und neuer
Dankbarkeit.“

„Und daß Sie mich beſiegt haben. Aber das ſage
nur ich. Sie ſagen es natürlich nicht, denn Sie ſind nicht
der Mann, ſich eines Sieges zu rühmen, noch dazu über
eine Frau. Waltham-Abbey kenn' ich nun, und an Ihre
Phantaſie glaub' ich von heut an, trotzdem Sie mich mit
Traitors Gate im Stiche gelaſſen. Daß ſie nebenher noch,
und zwar Armgard zu Ehren, in Martins le Grand
waren, deſſen bin ich ſicher und ebenſo, daß Sie Papas
einzige Forderung erfüllt und der Kapelle Heinrichs des
Siebenten Ihren Beſuch gemacht haben, dieſem Wunder¬
werk der Tudors. Welchen Eindruck hatten Sie von der
Kapelle?

„Den denkbar großartigſten. Ich weiß, daß man die
herabhängenden Trichter, die ſie ‚Tromben‘ nennen, unſchön
gefunden hat, aber äſthetiſche Vorſchriften exiſtieren für
mich nicht. Was auf mich wirkt, wirkt. Ich konnte mich
nicht ſatt ſehen daran. Trotzdem, das Eigentlichſte war
doch noch wieder ein andres und kam erſt, als ich da
zwiſchen den Sarkophagen der beiden feindlichen Köni¬
ginnen ſtand. Ich wüßte nicht, daß etwas je ſo be¬
weglich und eindringlich zu mir gepredigt hätte, wie gerade
dieſe Stelle.“

„Und was war es, was Sie da ſo bewegte?“

„Das Gefühl: ‚zwiſchen dieſen beiden Gegenſätzen
pendelt die Weltgeſchichte.‘ Zunächſt freilich ſcheinen wir
da nur den Gegenſatz zwiſchen Katholizismus und Pro¬
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[319/0326] Lindengange ſtand, zwiſchen Grabſteinen links und rechts und das Abendläuten von der Kirche her begann, da war es mir, als käme wieder der Zug mit den Mönchen den Lindengang herauf, und ich ſah Editha und ſah auch den König, trotzdem ihn die Zweige halb verdeckten. Und dabei (wenn auch eigentlich der Papa ſchuld iſt und nicht Sie, Gräfin) gedacht ich Ihrer in alter und neuer Dankbarkeit.“ „Und daß Sie mich beſiegt haben. Aber das ſage nur ich. Sie ſagen es natürlich nicht, denn Sie ſind nicht der Mann, ſich eines Sieges zu rühmen, noch dazu über eine Frau. Waltham-Abbey kenn' ich nun, und an Ihre Phantaſie glaub' ich von heut an, trotzdem Sie mich mit Traitors Gate im Stiche gelaſſen. Daß ſie nebenher noch, und zwar Armgard zu Ehren, in Martins le Grand waren, deſſen bin ich ſicher und ebenſo, daß Sie Papas einzige Forderung erfüllt und der Kapelle Heinrichs des Siebenten Ihren Beſuch gemacht haben, dieſem Wunder¬ werk der Tudors. Welchen Eindruck hatten Sie von der Kapelle? „Den denkbar großartigſten. Ich weiß, daß man die herabhängenden Trichter, die ſie ‚Tromben‘ nennen, unſchön gefunden hat, aber äſthetiſche Vorſchriften exiſtieren für mich nicht. Was auf mich wirkt, wirkt. Ich konnte mich nicht ſatt ſehen daran. Trotzdem, das Eigentlichſte war doch noch wieder ein andres und kam erſt, als ich da zwiſchen den Sarkophagen der beiden feindlichen Köni¬ ginnen ſtand. Ich wüßte nicht, daß etwas je ſo be¬ weglich und eindringlich zu mir gepredigt hätte, wie gerade dieſe Stelle.“ „Und was war es, was Sie da ſo bewegte?“ „Das Gefühl: ‚zwiſchen dieſen beiden Gegenſätzen pendelt die Weltgeſchichte.‘ Zunächſt freilich ſcheinen wir da nur den Gegenſatz zwiſchen Katholizismus und Pro¬ teſtantismus zu haben, aber weit darüber hinaus (weil

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/326>, abgerufen am 25.11.2024.