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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Denn das Präraffaelitentum, als dessen Begründer und
Vertreter ich ihn ansehe, trug damals einen Zukunftskeim
in sich; eine große Revolution schien sich anbahnen zu
wollen, jene große Revolution, die Rückkehr heißt. Oder
wenn Sie wollen "Reaktion". Man hat vor solchen Wörtern
nicht zu erschrecken. Wörter sind Kinderklappern."

"Und dieser englische Millais, -- den mit dem fran¬
zösischen verwechselt zu haben ich aufrichtig bedaure, --
dieser ,a, i, s' = Millais, dieser große Reformer, ist, wenn
ich Sie recht verstehe, sich selber untreu geworden."

"Man wird dies sagen dürfen. Er und seine Schule
verfielen in Excentricitäten. Die Zucht ging verloren und
das straft sich auf jedem Gebiet. Was da neuerdings in
der Welt zusammengekleckst wird, zumal in der schottischen
und amerikanischen Schule, die sich jetzt auch bei uns breit
zu machen sucht, das ist der Überschwang einer an sich
beachtenswerten Richtung. Der Zug, der unter Mittel¬
dampf gut und erfreulich fuhr, unter Doppeldampf (und
das reicht noch nicht einmal aus) ist er entgleist; er liegt
jetzt neben den Schienen und pustet und keucht. Und ein
Jammer nur, daß seine Heizer nicht mit auf dem Platze
geblieben sind. Das ist der Fluch der bösen That ...
ich verzichte darauf, in Gegenwart der Damen das Citat
zu Ende zu führen."

Eine kleine Pause trat ein, bis Woldemar, der einsah,
daß irgend was gesagt werden müsse, sich zu der Be¬
merkung aufraffte: "Von Neueren hab' ich eigentlich
nur Seestücke kennen gelernt; dazu die Phantastika des
Malers William Turner, leider nur flüchtig. Er hat die
"drei Männer im feurigen Ofen" gemalt. Stupend. Etwas
Großartiges schien mir aus seinen Schöpfungen zu sprechen,
wenigstens in allem, was das Kolorit angeht."

"Eine gewisse Großartigkeit," nahm Cujacius mit
lächelnd überlegener Miene wieder das Wort, "ist ihm
nicht abzusprechen. Aber aller Wahnsinn wächst sich leicht

Denn das Präraffaelitentum, als deſſen Begründer und
Vertreter ich ihn anſehe, trug damals einen Zukunftskeim
in ſich; eine große Revolution ſchien ſich anbahnen zu
wollen, jene große Revolution, die Rückkehr heißt. Oder
wenn Sie wollen „Reaktion“. Man hat vor ſolchen Wörtern
nicht zu erſchrecken. Wörter ſind Kinderklappern.“

„Und dieſer engliſche Millais, — den mit dem fran¬
zöſiſchen verwechſelt zu haben ich aufrichtig bedaure, —
dieſer ‚a, i, s‘ = Millais, dieſer große Reformer, iſt, wenn
ich Sie recht verſtehe, ſich ſelber untreu geworden.“

„Man wird dies ſagen dürfen. Er und ſeine Schule
verfielen in Excentricitäten. Die Zucht ging verloren und
das ſtraft ſich auf jedem Gebiet. Was da neuerdings in
der Welt zuſammengekleckſt wird, zumal in der ſchottiſchen
und amerikaniſchen Schule, die ſich jetzt auch bei uns breit
zu machen ſucht, das iſt der Überſchwang einer an ſich
beachtenswerten Richtung. Der Zug, der unter Mittel¬
dampf gut und erfreulich fuhr, unter Doppeldampf (und
das reicht noch nicht einmal aus) iſt er entgleiſt; er liegt
jetzt neben den Schienen und puſtet und keucht. Und ein
Jammer nur, daß ſeine Heizer nicht mit auf dem Platze
geblieben ſind. Das iſt der Fluch der böſen That ...
ich verzichte darauf, in Gegenwart der Damen das Citat
zu Ende zu führen.“

Eine kleine Pauſe trat ein, bis Woldemar, der einſah,
daß irgend was geſagt werden müſſe, ſich zu der Be¬
merkung aufraffte: „Von Neueren hab' ich eigentlich
nur Seeſtücke kennen gelernt; dazu die Phantaſtika des
Malers William Turner, leider nur flüchtig. Er hat die
„drei Männer im feurigen Ofen“ gemalt. Stupend. Etwas
Großartiges ſchien mir aus ſeinen Schöpfungen zu ſprechen,
wenigſtens in allem, was das Kolorit angeht.“

„Eine gewiſſe Großartigkeit,“ nahm Cujacius mit
lächelnd überlegener Miene wieder das Wort, „iſt ihm
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[313/0320] Denn das Präraffaelitentum, als deſſen Begründer und Vertreter ich ihn anſehe, trug damals einen Zukunftskeim in ſich; eine große Revolution ſchien ſich anbahnen zu wollen, jene große Revolution, die Rückkehr heißt. Oder wenn Sie wollen „Reaktion“. Man hat vor ſolchen Wörtern nicht zu erſchrecken. Wörter ſind Kinderklappern.“ „Und dieſer engliſche Millais, — den mit dem fran¬ zöſiſchen verwechſelt zu haben ich aufrichtig bedaure, — dieſer ‚a, i, s‘ = Millais, dieſer große Reformer, iſt, wenn ich Sie recht verſtehe, ſich ſelber untreu geworden.“ „Man wird dies ſagen dürfen. Er und ſeine Schule verfielen in Excentricitäten. Die Zucht ging verloren und das ſtraft ſich auf jedem Gebiet. Was da neuerdings in der Welt zuſammengekleckſt wird, zumal in der ſchottiſchen und amerikaniſchen Schule, die ſich jetzt auch bei uns breit zu machen ſucht, das iſt der Überſchwang einer an ſich beachtenswerten Richtung. Der Zug, der unter Mittel¬ dampf gut und erfreulich fuhr, unter Doppeldampf (und das reicht noch nicht einmal aus) iſt er entgleiſt; er liegt jetzt neben den Schienen und puſtet und keucht. Und ein Jammer nur, daß ſeine Heizer nicht mit auf dem Platze geblieben ſind. Das iſt der Fluch der böſen That ... ich verzichte darauf, in Gegenwart der Damen das Citat zu Ende zu führen.“ Eine kleine Pauſe trat ein, bis Woldemar, der einſah, daß irgend was geſagt werden müſſe, ſich zu der Be¬ merkung aufraffte: „Von Neueren hab' ich eigentlich nur Seeſtücke kennen gelernt; dazu die Phantaſtika des Malers William Turner, leider nur flüchtig. Er hat die „drei Männer im feurigen Ofen“ gemalt. Stupend. Etwas Großartiges ſchien mir aus ſeinen Schöpfungen zu ſprechen, wenigſtens in allem, was das Kolorit angeht.“ „Eine gewiſſe Großartigkeit,“ nahm Cujacius mit lächelnd überlegener Miene wieder das Wort, „iſt ihm nicht abzuſprechen. Aber aller Wahnſinn wächſt ſich leicht

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/320>, abgerufen am 24.11.2024.