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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Thormeyer führten das Wort. Von Wahl und Politik
-- nur über Gundermann fiel gelegentlich eine spöttische
Bemerkung -- war längst keine Rede mehr, statt dessen
befleißigte man sich, die neuesten Klatschgeschichten aus
der Grafschaft heranzuziehen. "Ist es denn wahr,"
sagte Kraatz, "daß die schöne Lilli nun doch ihren
Vetter heiraten wird, oder richtiger, der Vetter die schöne
Lilli?"

"Vetter?" fragte Peerenboom.

"Ach, Peerenboom, Sie wissen auch gar nichts;
Sie sitzen immer noch zwischen Ihren Delfter Kacheln
und waren doch schon 'ne ganze Weile hier, als die
Lilli-Geschichte spielte."

Peerenboom ließ sich's gesagt sein und begrub jede
weitere Frage, was er, ohne sich zu schädigen, auch ganz
gut konnte, da kein Zweifel war, daß der, der das
Lilli-Thema heraufbeschworen, über kurz oder lang ohne¬
hin alles klarlegen würde. Das geschah denn auch.

"Ja, diese verdammten Kerle," fuhr v. Kraatz fort,
"diese Lehrer! Entschuldigen Sie, Luckhardt, aber Sie
sind ja beim Gymnasium, da liegt alles anders, und
der, der hier 'ne Rolle spielt, war ja natürlich bloß
ein Hauslehrer, Hauslehrer bei Lillis jüngstem Bruder.
Und eines Tages waren beide weg, der Kandidat und
Lilli. Selbstverständlich nach England. Es kann einer
noch so dumm sein, aber von Gretna Green hat er doch
mal gehört oder gelesen. Und da wollten sie denn auch
beide hin. Und sind auch. Aber ich glaube, der Gretna
Greensche darf nicht mehr trauen. Und so nahmen sie
denn Lodgings in London, ganz ohne Trauung. Und
es ging auch so, bis ihnen das kleine Geld ausging."

"Ja, das kennt man."

"Und da kamen sie denn also wieder. Das heißt,
Lilli kam wieder. Und sie war auch schon vorher mit
dem Vetter so gut wie verlobt gewesen."

Thormeyer führten das Wort. Von Wahl und Politik
— nur über Gundermann fiel gelegentlich eine ſpöttiſche
Bemerkung — war längſt keine Rede mehr, ſtatt deſſen
befleißigte man ſich, die neueſten Klatſchgeſchichten aus
der Grafſchaft heranzuziehen. „Iſt es denn wahr,“
ſagte Kraatz, „daß die ſchöne Lilli nun doch ihren
Vetter heiraten wird, oder richtiger, der Vetter die ſchöne
Lilli?“

„Vetter?“ fragte Peerenboom.

„Ach, Peerenboom, Sie wiſſen auch gar nichts;
Sie ſitzen immer noch zwiſchen Ihren Delfter Kacheln
und waren doch ſchon 'ne ganze Weile hier, als die
Lilli-Geſchichte ſpielte.“

Peerenboom ließ ſich's geſagt ſein und begrub jede
weitere Frage, was er, ohne ſich zu ſchädigen, auch ganz
gut konnte, da kein Zweifel war, daß der, der das
Lilli-Thema heraufbeſchworen, über kurz oder lang ohne¬
hin alles klarlegen würde. Das geſchah denn auch.

„Ja, dieſe verdammten Kerle,“ fuhr v. Kraatz fort,
„dieſe Lehrer! Entſchuldigen Sie, Luckhardt, aber Sie
ſind ja beim Gymnaſium, da liegt alles anders, und
der, der hier 'ne Rolle ſpielt, war ja natürlich bloß
ein Hauslehrer, Hauslehrer bei Lillis jüngſtem Bruder.
Und eines Tages waren beide weg, der Kandidat und
Lilli. Selbſtverſtändlich nach England. Es kann einer
noch ſo dumm ſein, aber von Gretna Green hat er doch
mal gehört oder geleſen. Und da wollten ſie denn auch
beide hin. Und ſind auch. Aber ich glaube, der Gretna
Greenſche darf nicht mehr trauen. Und ſo nahmen ſie
denn Lodgings in London, ganz ohne Trauung. Und
es ging auch ſo, bis ihnen das kleine Geld ausging.“

„Ja, das kennt man.“

„Und da kamen ſie denn alſo wieder. Das heißt,
Lilli kam wieder. Und ſie war auch ſchon vorher mit
dem Vetter ſo gut wie verlobt geweſen.“

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[253/0260] Thormeyer führten das Wort. Von Wahl und Politik — nur über Gundermann fiel gelegentlich eine ſpöttiſche Bemerkung — war längſt keine Rede mehr, ſtatt deſſen befleißigte man ſich, die neueſten Klatſchgeſchichten aus der Grafſchaft heranzuziehen. „Iſt es denn wahr,“ ſagte Kraatz, „daß die ſchöne Lilli nun doch ihren Vetter heiraten wird, oder richtiger, der Vetter die ſchöne Lilli?“ „Vetter?“ fragte Peerenboom. „Ach, Peerenboom, Sie wiſſen auch gar nichts; Sie ſitzen immer noch zwiſchen Ihren Delfter Kacheln und waren doch ſchon 'ne ganze Weile hier, als die Lilli-Geſchichte ſpielte.“ Peerenboom ließ ſich's geſagt ſein und begrub jede weitere Frage, was er, ohne ſich zu ſchädigen, auch ganz gut konnte, da kein Zweifel war, daß der, der das Lilli-Thema heraufbeſchworen, über kurz oder lang ohne¬ hin alles klarlegen würde. Das geſchah denn auch. „Ja, dieſe verdammten Kerle,“ fuhr v. Kraatz fort, „dieſe Lehrer! Entſchuldigen Sie, Luckhardt, aber Sie ſind ja beim Gymnaſium, da liegt alles anders, und der, der hier 'ne Rolle ſpielt, war ja natürlich bloß ein Hauslehrer, Hauslehrer bei Lillis jüngſtem Bruder. Und eines Tages waren beide weg, der Kandidat und Lilli. Selbſtverſtändlich nach England. Es kann einer noch ſo dumm ſein, aber von Gretna Green hat er doch mal gehört oder geleſen. Und da wollten ſie denn auch beide hin. Und ſind auch. Aber ich glaube, der Gretna Greenſche darf nicht mehr trauen. Und ſo nahmen ſie denn Lodgings in London, ganz ohne Trauung. Und es ging auch ſo, bis ihnen das kleine Geld ausging.“ „Ja, das kennt man.“ „Und da kamen ſie denn alſo wieder. Das heißt, Lilli kam wieder. Und ſie war auch ſchon vorher mit dem Vetter ſo gut wie verlobt geweſen.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/260>, abgerufen am 25.11.2024.