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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Ja, dein Onkel spricht so. Und war es denn bei
deinem Hofrat, wo du nu zuletzt warst, auch so?"

"Nein, bei Hofrats war es nicht so. Die wohnten
ja auch in einem ganz neuen Hause. Hofrats waren
Trockenwohner. Und in dem, was jetzt die neuen Häuser
sind, da kommen, glaub' ich, die Hängeböden gar nicht
mehr vor; da haben sie bloß noch die Badestuben."

"Nu, das is aber doch ein Fortschritt."

"Ja, das kann man sagen; Badestube als Badestube
ist ein Fortschritt oder, wie Onkel Hartwig immer sagt,
ein Kulturfortschritt. Er hat meistens solche Wörter.
Aber Badestube als Schlafgelegenheit is kein Fortschritt."

"Gott, Kind, sie werden dich aber doch nich in eine
Badewanne gepackt haben?"

"I bewahre. Das thun sie schon der Badewanne
wegen nich. Da werden sie sich hüten. Aber ... Ach,
Frau Imme, ich kann nur immer wieder sagen, Sie
wissen nich Bescheid; Sie hatten es gut, wie Sie noch
unverheiratet waren, und nu haben Sie's erst recht gut.
Sie wohnen hier wie in einer kleinen Sommerwohnung,
un daß es ein bißchen nach Pferde riecht, das schadet
nich; das Pferd is ein feines und reinliches Tier, und
all seine Verrichtungen sind so edel. Man sagt ja auch:
das edle Pferd. Und außerdem soll es so gesund sein,
fast so gut wie Kuhstall, womit sie ja die Schwindsucht
kurieren. Und dazu haben Sie hier den Blick auf die
Kugelakazien und drüben auf das Marinepanorama, wo
man sehen kann, wie alles is, und dahinter haben Sie
den Blick auf die Kunstausstellung, wo es so furchtbar
zieht, bloß damit man immer frische Luft hat. Aber bei
Hofrats ... Nein, diese Badestube!"

"Gott, Hedwig," sagte Frau Imme, "du thust ja, wie
wenn es eine Mördergrube oder ein Verbrecherkeller ge¬
wesen wäre."

„Ja, dein Onkel ſpricht ſo. Und war es denn bei
deinem Hofrat, wo du nu zuletzt warſt, auch ſo?“

„Nein, bei Hofrats war es nicht ſo. Die wohnten
ja auch in einem ganz neuen Hauſe. Hofrats waren
Trockenwohner. Und in dem, was jetzt die neuen Häuſer
ſind, da kommen, glaub' ich, die Hängeböden gar nicht
mehr vor; da haben ſie bloß noch die Badeſtuben.“

„Nu, das is aber doch ein Fortſchritt.“

„Ja, das kann man ſagen; Badeſtube als Badeſtube
iſt ein Fortſchritt oder, wie Onkel Hartwig immer ſagt,
ein Kulturfortſchritt. Er hat meiſtens ſolche Wörter.
Aber Badeſtube als Schlafgelegenheit is kein Fortſchritt.“

„Gott, Kind, ſie werden dich aber doch nich in eine
Badewanne gepackt haben?“

„I bewahre. Das thun ſie ſchon der Badewanne
wegen nich. Da werden ſie ſich hüten. Aber ... Ach,
Frau Imme, ich kann nur immer wieder ſagen, Sie
wiſſen nich Beſcheid; Sie hatten es gut, wie Sie noch
unverheiratet waren, und nu haben Sie's erſt recht gut.
Sie wohnen hier wie in einer kleinen Sommerwohnung,
un daß es ein bißchen nach Pferde riecht, das ſchadet
nich; das Pferd is ein feines und reinliches Tier, und
all ſeine Verrichtungen ſind ſo edel. Man ſagt ja auch:
das edle Pferd. Und außerdem ſoll es ſo geſund ſein,
faſt ſo gut wie Kuhſtall, womit ſie ja die Schwindſucht
kurieren. Und dazu haben Sie hier den Blick auf die
Kugelakazien und drüben auf das Marinepanorama, wo
man ſehen kann, wie alles is, und dahinter haben Sie
den Blick auf die Kunſtausſtellung, wo es ſo furchtbar
zieht, bloß damit man immer friſche Luft hat. Aber bei
Hofrats ... Nein, dieſe Badeſtube!“

„Gott, Hedwig,“ ſagte Frau Imme, „du thuſt ja, wie
wenn es eine Mördergrube oder ein Verbrecherkeller ge¬
weſen wäre.“

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[189/0196] „Ja, dein Onkel ſpricht ſo. Und war es denn bei deinem Hofrat, wo du nu zuletzt warſt, auch ſo?“ „Nein, bei Hofrats war es nicht ſo. Die wohnten ja auch in einem ganz neuen Hauſe. Hofrats waren Trockenwohner. Und in dem, was jetzt die neuen Häuſer ſind, da kommen, glaub' ich, die Hängeböden gar nicht mehr vor; da haben ſie bloß noch die Badeſtuben.“ „Nu, das is aber doch ein Fortſchritt.“ „Ja, das kann man ſagen; Badeſtube als Badeſtube iſt ein Fortſchritt oder, wie Onkel Hartwig immer ſagt, ein Kulturfortſchritt. Er hat meiſtens ſolche Wörter. Aber Badeſtube als Schlafgelegenheit is kein Fortſchritt.“ „Gott, Kind, ſie werden dich aber doch nich in eine Badewanne gepackt haben?“ „I bewahre. Das thun ſie ſchon der Badewanne wegen nich. Da werden ſie ſich hüten. Aber ... Ach, Frau Imme, ich kann nur immer wieder ſagen, Sie wiſſen nich Beſcheid; Sie hatten es gut, wie Sie noch unverheiratet waren, und nu haben Sie's erſt recht gut. Sie wohnen hier wie in einer kleinen Sommerwohnung, un daß es ein bißchen nach Pferde riecht, das ſchadet nich; das Pferd is ein feines und reinliches Tier, und all ſeine Verrichtungen ſind ſo edel. Man ſagt ja auch: das edle Pferd. Und außerdem ſoll es ſo geſund ſein, faſt ſo gut wie Kuhſtall, womit ſie ja die Schwindſucht kurieren. Und dazu haben Sie hier den Blick auf die Kugelakazien und drüben auf das Marinepanorama, wo man ſehen kann, wie alles is, und dahinter haben Sie den Blick auf die Kunſtausſtellung, wo es ſo furchtbar zieht, bloß damit man immer friſche Luft hat. Aber bei Hofrats ... Nein, dieſe Badeſtube!“ „Gott, Hedwig,“ ſagte Frau Imme, „du thuſt ja, wie wenn es eine Mördergrube oder ein Verbrecherkeller ge¬ weſen wäre.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/196>, abgerufen am 22.11.2024.