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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Verbrecherkeller? Ach, Frau Imme, das is ja gar¬
nichts. Ich habe Verbrecherkeller gesehen, natürlich bloß
zufällig. Da trinken sie Weißbier und spielen Sechsund¬
sechzig. Und in einer Ecke wird was ausbaldowert, aber
davon merkt man nichts."

"Und die Badestube ... warum is sie dir denn so
furchtbar, daß du dich ordentlich schudderst? Der Mensch
muß doch am Ende baden können."

"Ach was, baden! natürlich. Aber 'ne Badestube is
nie 'ne Badestube. Wenigstens hier nicht. Eine Bade¬
stube is 'ne Rumpelkammer, wo man alles unterbringt,
alles, wofür man sonst keinen Platz hat. Und dazu ge¬
hört auch ein Dienstmädchen. Meine eiserne Bettstelle,
die abends aufgeklappt wurde, stand immer neben der
Badewanne, drin alle alten Bier- und Weinflaschen lagen.
Und nun drippten die Neigen aus. Und in der Ecke
stand ein Bettsack, drin die Fräuleins ihre Wäsche hinein
stopften, und in der andern Ecke war eine kleine Thür.
Aber davon will ich zu Ihnen nicht sprechen, weil ich
einen Widerwillen gegen Unanständigkeiten habe, weshalb
schon meine Mutter immer sagte: ,Hedwig, du wirst noch
Jesum Christum erkennen lernen.' Und ich muß sagen,
das hat sich bei Hofrats denn auch erfüllt. Aber fromm
waren sie weiter nich."

Während Hedwig noch so weiter klagte, hörte man,
daß draußen die Klingel ging, und als Frau Imme
öffnete, stand Rudolf auf dem kleinen Flur und sagte,
daß er Vatern holen solle und Hedwigen auch; Mutter
müsse weg.

"Na," sagte Frau Imme, "dann komm nur, Rudolf,
un iß erst ein Stück Streußel und bestell es nachher bei
deinem Vater."

Bald danach nahm sie denn auch den Jungen bei
der Hand und führte ihn in das Nebenzimmer, wo die
drei Männer vergnügt an ihrem Skattisch saßen. Ein

„Verbrecherkeller? Ach, Frau Imme, das is ja gar¬
nichts. Ich habe Verbrecherkeller geſehen, natürlich bloß
zufällig. Da trinken ſie Weißbier und ſpielen Sechsund¬
ſechzig. Und in einer Ecke wird was ausbaldowert, aber
davon merkt man nichts.“

„Und die Badeſtube ... warum is ſie dir denn ſo
furchtbar, daß du dich ordentlich ſchudderſt? Der Menſch
muß doch am Ende baden können.“

„Ach was, baden! natürlich. Aber 'ne Badeſtube is
nie 'ne Badeſtube. Wenigſtens hier nicht. Eine Bade¬
ſtube is 'ne Rumpelkammer, wo man alles unterbringt,
alles, wofür man ſonſt keinen Platz hat. Und dazu ge¬
hört auch ein Dienſtmädchen. Meine eiſerne Bettſtelle,
die abends aufgeklappt wurde, ſtand immer neben der
Badewanne, drin alle alten Bier- und Weinflaſchen lagen.
Und nun drippten die Neigen aus. Und in der Ecke
ſtand ein Bettſack, drin die Fräuleins ihre Wäſche hinein
ſtopften, und in der andern Ecke war eine kleine Thür.
Aber davon will ich zu Ihnen nicht ſprechen, weil ich
einen Widerwillen gegen Unanſtändigkeiten habe, weshalb
ſchon meine Mutter immer ſagte: ‚Hedwig, du wirſt noch
Jeſum Chriſtum erkennen lernen.‘ Und ich muß ſagen,
das hat ſich bei Hofrats denn auch erfüllt. Aber fromm
waren ſie weiter nich.“

Während Hedwig noch ſo weiter klagte, hörte man,
daß draußen die Klingel ging, und als Frau Imme
öffnete, ſtand Rudolf auf dem kleinen Flur und ſagte,
daß er Vatern holen ſolle und Hedwigen auch; Mutter
müſſe weg.

„Na,“ ſagte Frau Imme, „dann komm nur, Rudolf,
un iß erſt ein Stück Streußel und beſtell es nachher bei
deinem Vater.“

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der Hand und führte ihn in das Nebenzimmer, wo die
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[190/0197] „Verbrecherkeller? Ach, Frau Imme, das is ja gar¬ nichts. Ich habe Verbrecherkeller geſehen, natürlich bloß zufällig. Da trinken ſie Weißbier und ſpielen Sechsund¬ ſechzig. Und in einer Ecke wird was ausbaldowert, aber davon merkt man nichts.“ „Und die Badeſtube ... warum is ſie dir denn ſo furchtbar, daß du dich ordentlich ſchudderſt? Der Menſch muß doch am Ende baden können.“ „Ach was, baden! natürlich. Aber 'ne Badeſtube is nie 'ne Badeſtube. Wenigſtens hier nicht. Eine Bade¬ ſtube is 'ne Rumpelkammer, wo man alles unterbringt, alles, wofür man ſonſt keinen Platz hat. Und dazu ge¬ hört auch ein Dienſtmädchen. Meine eiſerne Bettſtelle, die abends aufgeklappt wurde, ſtand immer neben der Badewanne, drin alle alten Bier- und Weinflaſchen lagen. Und nun drippten die Neigen aus. Und in der Ecke ſtand ein Bettſack, drin die Fräuleins ihre Wäſche hinein ſtopften, und in der andern Ecke war eine kleine Thür. Aber davon will ich zu Ihnen nicht ſprechen, weil ich einen Widerwillen gegen Unanſtändigkeiten habe, weshalb ſchon meine Mutter immer ſagte: ‚Hedwig, du wirſt noch Jeſum Chriſtum erkennen lernen.‘ Und ich muß ſagen, das hat ſich bei Hofrats denn auch erfüllt. Aber fromm waren ſie weiter nich.“ Während Hedwig noch ſo weiter klagte, hörte man, daß draußen die Klingel ging, und als Frau Imme öffnete, ſtand Rudolf auf dem kleinen Flur und ſagte, daß er Vatern holen ſolle und Hedwigen auch; Mutter müſſe weg. „Na,“ ſagte Frau Imme, „dann komm nur, Rudolf, un iß erſt ein Stück Streußel und beſtell es nachher bei deinem Vater.“ Bald danach nahm ſie denn auch den Jungen bei der Hand und führte ihn in das Nebenzimmer, wo die drei Männer vergnügt an ihrem Skattiſch ſaßen. Ein

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/197>, abgerufen am 25.11.2024.