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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Tante Hartwig erzählt mir immer davon. Und einmal
hab' ich es auch so gut getroffen. Aber bloß das eine
Mal. Sonst fehlt eben immer die Schlafgelegenheit."

Frau Imme lachte.

"Sie lachen darüber, Frau Imme. Das is aber
nich recht, daß Sie lachen. Glauben Sie mir, es is
eigentlich zum Weinen. Und mitunter hab' ich auch schon
geweint. Als ich nach Berlin kam, da gab es ja noch
die Hängeböden."

"Kenn' ich, kenn' ich; das heißt, ich habe davon
gehört."

"Ja, wenn man davon gehört hat, das is nich viel.
Man muß sie richtig kennen lernen. Immer sind sie in
der Küche, mitunter dicht am Herd oder auch gerade
gegenüber. Und nun steigt man auf eine Leiter, und
wenn man müde is, kann man auch 'runter fallen. Aber
meistens geht es. Und nun macht man die Thür auf
und schiebt sich in das Loch hinein, ganz so wie in einen
Backofen. Das is, was sie 'ne Schlafgelegenheit nennen.
Und ich kann Ihnen bloß sagen: auf einem Heuboden is
es besser, auch wenn Mäuse da sind. Und am schlimmsten
is es im Sommer. Draußen sind dreißig Grad, und
auf dem Herd war den ganzen Tag Feuer; da is es
denn, als ob man auf den Rost gelegt würde. So war
es, als ich nach Berlin kam. Aber ich glaube, sie dürfen
jetzt so was nich mehr bauen. Polizeiverbot. Ach, Frau
Imme, die Polizei is doch ein rechter Segen. Wenn wir
die Polizei nich hätten (und sie sind auch immer so artig
gegen einen), so hätten wir gar nichts. Mein Onkel
Hartwig, wenn ich ihm so erzähle, daß man nicht schlafen
kann, der sagt auch immer: ,Kenn' ich, kenn' ich; der
Bourgeois thut nichts für die Menschheit. Und wer
nichts für die Menschheit thut, der muß abgeschafft
werden.'"

Tante Hartwig erzählt mir immer davon. Und einmal
hab' ich es auch ſo gut getroffen. Aber bloß das eine
Mal. Sonſt fehlt eben immer die Schlafgelegenheit.“

Frau Imme lachte.

„Sie lachen darüber, Frau Imme. Das is aber
nich recht, daß Sie lachen. Glauben Sie mir, es is
eigentlich zum Weinen. Und mitunter hab' ich auch ſchon
geweint. Als ich nach Berlin kam, da gab es ja noch
die Hängeböden.“

„Kenn' ich, kenn' ich; das heißt, ich habe davon
gehört.“

„Ja, wenn man davon gehört hat, das is nich viel.
Man muß ſie richtig kennen lernen. Immer ſind ſie in
der Küche, mitunter dicht am Herd oder auch gerade
gegenüber. Und nun ſteigt man auf eine Leiter, und
wenn man müde is, kann man auch 'runter fallen. Aber
meiſtens geht es. Und nun macht man die Thür auf
und ſchiebt ſich in das Loch hinein, ganz ſo wie in einen
Backofen. Das is, was ſie 'ne Schlafgelegenheit nennen.
Und ich kann Ihnen bloß ſagen: auf einem Heuboden is
es beſſer, auch wenn Mäuſe da ſind. Und am ſchlimmſten
is es im Sommer. Draußen ſind dreißig Grad, und
auf dem Herd war den ganzen Tag Feuer; da is es
denn, als ob man auf den Roſt gelegt würde. So war
es, als ich nach Berlin kam. Aber ich glaube, ſie dürfen
jetzt ſo was nich mehr bauen. Polizeiverbot. Ach, Frau
Imme, die Polizei is doch ein rechter Segen. Wenn wir
die Polizei nich hätten (und ſie ſind auch immer ſo artig
gegen einen), ſo hätten wir gar nichts. Mein Onkel
Hartwig, wenn ich ihm ſo erzähle, daß man nicht ſchlafen
kann, der ſagt auch immer: ‚Kenn' ich, kenn' ich; der
Bourgeois thut nichts für die Menſchheit. Und wer
nichts für die Menſchheit thut, der muß abgeſchafft
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[188/0195] Tante Hartwig erzählt mir immer davon. Und einmal hab' ich es auch ſo gut getroffen. Aber bloß das eine Mal. Sonſt fehlt eben immer die Schlafgelegenheit.“ Frau Imme lachte. „Sie lachen darüber, Frau Imme. Das is aber nich recht, daß Sie lachen. Glauben Sie mir, es is eigentlich zum Weinen. Und mitunter hab' ich auch ſchon geweint. Als ich nach Berlin kam, da gab es ja noch die Hängeböden.“ „Kenn' ich, kenn' ich; das heißt, ich habe davon gehört.“ „Ja, wenn man davon gehört hat, das is nich viel. Man muß ſie richtig kennen lernen. Immer ſind ſie in der Küche, mitunter dicht am Herd oder auch gerade gegenüber. Und nun ſteigt man auf eine Leiter, und wenn man müde is, kann man auch 'runter fallen. Aber meiſtens geht es. Und nun macht man die Thür auf und ſchiebt ſich in das Loch hinein, ganz ſo wie in einen Backofen. Das is, was ſie 'ne Schlafgelegenheit nennen. Und ich kann Ihnen bloß ſagen: auf einem Heuboden is es beſſer, auch wenn Mäuſe da ſind. Und am ſchlimmſten is es im Sommer. Draußen ſind dreißig Grad, und auf dem Herd war den ganzen Tag Feuer; da is es denn, als ob man auf den Roſt gelegt würde. So war es, als ich nach Berlin kam. Aber ich glaube, ſie dürfen jetzt ſo was nich mehr bauen. Polizeiverbot. Ach, Frau Imme, die Polizei is doch ein rechter Segen. Wenn wir die Polizei nich hätten (und ſie ſind auch immer ſo artig gegen einen), ſo hätten wir gar nichts. Mein Onkel Hartwig, wenn ich ihm ſo erzähle, daß man nicht ſchlafen kann, der ſagt auch immer: ‚Kenn' ich, kenn' ich; der Bourgeois thut nichts für die Menſchheit. Und wer nichts für die Menſchheit thut, der muß abgeſchafft werden.‘“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/195>, abgerufen am 22.11.2024.