Woldemar -- wie Rex seinem Freunde Czako, als beide über den Cremmer Damm ritten, ganz richtig mit¬ geteilt hatte -- verkehrte seit Ausgang des Winters im Barbyschen Hause, das er sehr bald vor andern Häusern seiner Bekanntschaft bevorzugte. Vieles war es, was ihn da fesselte, voran die beiden Damen; aber auch der alte Graf. Er fand Ähnlichkeiten, selbst in der äußern Erscheinung, zwischen dem Grafen und seinem Papa, und in seinem Tagebuche, das er, trotz sonstiger Moderni¬ tät, in altmodischer Weise von jung an führte, hatte er sich gleich am ersten Abend über eine gewisse Verwandt¬ schaft zwischen den beiden geäußert. Es hieß da unterm achtzehnten April: "Ich kann Wedel nicht dankbar genug sein, mich bei den Barbys eingeführt zu haben; alles, was er von dem Hause gesagt, fand ich bestätigt. Diese Gräfin, wie scharmant, und die Schwester ebenso, trotz¬ dem größere Gegensätze kaum denkbar sind. An der einen alles Temperament und Anmut, an der andern alles Charakter oder, wenn das zu viel gesagt sein sollte, Schlichtheit, Festigkeit. Es bleibt mit den Namen doch eine eigne Sache; die Gräfin ist ganz Melusine und die Comtesse ganz Armgard. Ich habe bis jetzt freilich nur eine dieses Namens kennen gelernt, noch dazu bloß als Bühnenfigur, und ich mußte beständig an diese denken, wie sie da (ich glaube, es war Fräulein Stolberg, die
Zwölftes Kapitel.
Woldemar — wie Rex ſeinem Freunde Czako, als beide über den Cremmer Damm ritten, ganz richtig mit¬ geteilt hatte — verkehrte ſeit Ausgang des Winters im Barbyſchen Hauſe, das er ſehr bald vor andern Häuſern ſeiner Bekanntſchaft bevorzugte. Vieles war es, was ihn da feſſelte, voran die beiden Damen; aber auch der alte Graf. Er fand Ähnlichkeiten, ſelbſt in der äußern Erſcheinung, zwiſchen dem Grafen und ſeinem Papa, und in ſeinem Tagebuche, das er, trotz ſonſtiger Moderni¬ tät, in altmodiſcher Weiſe von jung an führte, hatte er ſich gleich am erſten Abend über eine gewiſſe Verwandt¬ ſchaft zwiſchen den beiden geäußert. Es hieß da unterm achtzehnten April: „Ich kann Wedel nicht dankbar genug ſein, mich bei den Barbys eingeführt zu haben; alles, was er von dem Hauſe geſagt, fand ich beſtätigt. Dieſe Gräfin, wie ſcharmant, und die Schweſter ebenſo, trotz¬ dem größere Gegenſätze kaum denkbar ſind. An der einen alles Temperament und Anmut, an der andern alles Charakter oder, wenn das zu viel geſagt ſein ſollte, Schlichtheit, Feſtigkeit. Es bleibt mit den Namen doch eine eigne Sache; die Gräfin iſt ganz Meluſine und die Comteſſe ganz Armgard. Ich habe bis jetzt freilich nur eine dieſes Namens kennen gelernt, noch dazu bloß als Bühnenfigur, und ich mußte beſtändig an dieſe denken, wie ſie da (ich glaube, es war Fräulein Stolberg, die
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Zwölftes Kapitel.
Woldemar — wie Rex ſeinem Freunde Czako, als
beide über den Cremmer Damm ritten, ganz richtig mit¬
geteilt hatte — verkehrte ſeit Ausgang des Winters im
Barbyſchen Hauſe, das er ſehr bald vor andern Häuſern
ſeiner Bekanntſchaft bevorzugte. Vieles war es, was
ihn da feſſelte, voran die beiden Damen; aber auch der
alte Graf. Er fand Ähnlichkeiten, ſelbſt in der äußern
Erſcheinung, zwiſchen dem Grafen und ſeinem Papa,
und in ſeinem Tagebuche, das er, trotz ſonſtiger Moderni¬
tät, in altmodiſcher Weiſe von jung an führte, hatte er
ſich gleich am erſten Abend über eine gewiſſe Verwandt¬
ſchaft zwiſchen den beiden geäußert. Es hieß da unterm
achtzehnten April: „Ich kann Wedel nicht dankbar genug
ſein, mich bei den Barbys eingeführt zu haben; alles,
was er von dem Hauſe geſagt, fand ich beſtätigt. Dieſe
Gräfin, wie ſcharmant, und die Schweſter ebenſo, trotz¬
dem größere Gegenſätze kaum denkbar ſind. An der
einen alles Temperament und Anmut, an der andern
alles Charakter oder, wenn das zu viel geſagt ſein ſollte,
Schlichtheit, Feſtigkeit. Es bleibt mit den Namen doch
eine eigne Sache; die Gräfin iſt ganz Meluſine und die
Comteſſe ganz Armgard. Ich habe bis jetzt freilich nur
eine dieſes Namens kennen gelernt, noch dazu bloß als
Bühnenfigur, und ich mußte beſtändig an dieſe denken,
wie ſie da (ich glaube, es war Fräulein Stolberg, die
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [148]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/155>, abgerufen am 23.11.2024.
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