"Liebe Tante, sprich, wovon du willst, nur nicht davon. Das ist ein Wort für kleine Garnisonen. Wir wissen, was wir zu thun haben. Dienst ist alles, und Schneidigkeit ist bloß Renommisterei. Und das ist das, was bei uns am niedrigsten steht."
"Gut, Woldemar; was du da zuletzt gesagt hast, das gefällt mir. Und in diesem Punkte muß ich auch deinen Vater loben. Er hat vieles, was mir nicht zu¬ sagt, aber darin ist er doch ein echter Stechlin. Und du bist auch so. Und das hab ich immer gefunden, alle die so sind, die schießen zuletzt doch den Vogel ab, ganz besonders auch bei den Damen.
Dies "bei den Damen" war nicht ohne Absicht gesprochen und schien auf das bis dahin vorsichtig ver¬ miedene Hauptthema hinüberführen zu sollen. Aber ehe die Tante noch eine direkte Frage stellen konnte, wurde der Rentmeister gemeldet, der ihr in diesem Augen¬ blicke sehr ungelegen kam. Die Domina wandte sich denn auch in sichtlicher Verstimmung an Woldemar und sagte: "Soll ich ihn fortschicken?"
"Es wird kaum gehen, liebe Tante."
"Nun denn."
Und gleich darnach trat Fix ein.
„Liebe Tante, ſprich, wovon du willſt, nur nicht davon. Das iſt ein Wort für kleine Garniſonen. Wir wiſſen, was wir zu thun haben. Dienſt iſt alles, und Schneidigkeit iſt bloß Renommiſterei. Und das iſt das, was bei uns am niedrigſten ſteht.“
„Gut, Woldemar; was du da zuletzt geſagt haſt, das gefällt mir. Und in dieſem Punkte muß ich auch deinen Vater loben. Er hat vieles, was mir nicht zu¬ ſagt, aber darin iſt er doch ein echter Stechlin. Und du biſt auch ſo. Und das hab ich immer gefunden, alle die ſo ſind, die ſchießen zuletzt doch den Vogel ab, ganz beſonders auch bei den Damen.
Dies „bei den Damen“ war nicht ohne Abſicht geſprochen und ſchien auf das bis dahin vorſichtig ver¬ miedene Hauptthema hinüberführen zu ſollen. Aber ehe die Tante noch eine direkte Frage ſtellen konnte, wurde der Rentmeiſter gemeldet, der ihr in dieſem Augen¬ blicke ſehr ungelegen kam. Die Domina wandte ſich denn auch in ſichtlicher Verſtimmung an Woldemar und ſagte: „Soll ich ihn fortſchicken?“
„Es wird kaum gehen, liebe Tante.“
„Nun denn.“
Und gleich darnach trat Fix ein.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0133"n="126"/><p>„Liebe Tante, ſprich, wovon du willſt, nur nicht<lb/>
davon. Das iſt ein Wort für kleine Garniſonen. Wir<lb/>
wiſſen, was wir zu thun haben. Dienſt iſt alles, und<lb/>
Schneidigkeit iſt bloß Renommiſterei. Und das iſt das,<lb/>
was bei uns am niedrigſten ſteht.“</p><lb/><p>„Gut, Woldemar; was du da zuletzt geſagt haſt,<lb/>
das gefällt mir. Und in dieſem Punkte muß ich auch<lb/>
deinen Vater loben. Er hat vieles, was mir nicht zu¬<lb/>ſagt, aber darin iſt er doch ein echter Stechlin. Und<lb/>
du biſt auch ſo. Und das hab ich immer gefunden,<lb/>
alle die ſo ſind, die ſchießen zuletzt doch den Vogel ab,<lb/>
ganz beſonders auch bei den Damen.</p><lb/><p>Dies „bei den Damen“ war nicht ohne Abſicht<lb/>
geſprochen und ſchien auf das bis dahin vorſichtig ver¬<lb/>
miedene Hauptthema hinüberführen zu ſollen. Aber ehe<lb/>
die Tante noch eine direkte Frage ſtellen konnte, wurde<lb/>
der Rentmeiſter gemeldet, der ihr in dieſem Augen¬<lb/>
blicke ſehr ungelegen kam. Die Domina wandte ſich<lb/>
denn auch in ſichtlicher Verſtimmung an Woldemar und<lb/>ſagte: „Soll ich ihn fortſchicken?“</p><lb/><p>„Es wird kaum gehen, liebe Tante.“</p><lb/><p>„Nun denn.“</p><lb/><p>Und gleich darnach trat Fix ein.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[126/0133]
„Liebe Tante, ſprich, wovon du willſt, nur nicht
davon. Das iſt ein Wort für kleine Garniſonen. Wir
wiſſen, was wir zu thun haben. Dienſt iſt alles, und
Schneidigkeit iſt bloß Renommiſterei. Und das iſt das,
was bei uns am niedrigſten ſteht.“
„Gut, Woldemar; was du da zuletzt geſagt haſt,
das gefällt mir. Und in dieſem Punkte muß ich auch
deinen Vater loben. Er hat vieles, was mir nicht zu¬
ſagt, aber darin iſt er doch ein echter Stechlin. Und
du biſt auch ſo. Und das hab ich immer gefunden,
alle die ſo ſind, die ſchießen zuletzt doch den Vogel ab,
ganz beſonders auch bei den Damen.
Dies „bei den Damen“ war nicht ohne Abſicht
geſprochen und ſchien auf das bis dahin vorſichtig ver¬
miedene Hauptthema hinüberführen zu ſollen. Aber ehe
die Tante noch eine direkte Frage ſtellen konnte, wurde
der Rentmeiſter gemeldet, der ihr in dieſem Augen¬
blicke ſehr ungelegen kam. Die Domina wandte ſich
denn auch in ſichtlicher Verſtimmung an Woldemar und
ſagte: „Soll ich ihn fortſchicken?“
„Es wird kaum gehen, liebe Tante.“
„Nun denn.“
Und gleich darnach trat Fix ein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/133>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.