Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.westpreußische Heimat geschafft und die Gruft wieder leer war, wurde sie neugewölbt und neu gewandet und nun erst zog die Generalin ein. Es ist überhaupt ein Kirchhof mit beständig gestörter Ruhe, was niemand eindringlicher erfahren hat, als der hier ..." Und dabei war die Dame von dem Grabe der Generalin an ein Nachbargrab herangetreten, aus dessen Inschrift ihr Begleiter unschwer entzifferte, daß der Sattlermeister Karl Teschner aus Groß-Glogau seine letzte Wohnung darin gefunden habe. "Haben Sie gelesen?" "Ja. Was ist damit?" "Nichts Besonderes ... Und doch ein Grabstein, den ich nie zu besuchen unterlasse. Sehen Sie schärfer hin und Sie werden erkennen, daß es ein zusammengeflickter Stein ist. Und das kam so. Den 7. Juli 65 starb hier (denn leider auch Kurgäste sterben) der Groß-Sattlermeister, dessen Namen Sie soeben gelesen haben und wurde den 10. desselben Monats an dieser Stelle begraben. Und genau ein Jahr später, ja fast auf die Stunde, schlug hier, vom Altenberg her, eine preußische Granate mitten auf den Grabstein und schleuderte die Stücke nach allen Seiten hin auseinander. Etwas unheimlich. Aber das Ganze hat doch, Gott sei westpreußische Heimat geschafft und die Gruft wieder leer war, wurde sie neugewölbt und neu gewandet und nun erst zog die Generalin ein. Es ist überhaupt ein Kirchhof mit beständig gestörter Ruhe, was niemand eindringlicher erfahren hat, als der hier …“ Und dabei war die Dame von dem Grabe der Generalin an ein Nachbargrab herangetreten, aus dessen Inschrift ihr Begleiter unschwer entzifferte, daß der Sattlermeister Karl Teschner aus Groß-Glogau seine letzte Wohnung darin gefunden habe. „Haben Sie gelesen?“ „Ja. Was ist damit?“ „Nichts Besonderes … Und doch ein Grabstein, den ich nie zu besuchen unterlasse. Sehen Sie schärfer hin und Sie werden erkennen, daß es ein zusammengeflickter Stein ist. Und das kam so. Den 7. Juli 65 starb hier (denn leider auch Kurgäste sterben) der Groß-Sattlermeister, dessen Namen Sie soeben gelesen haben und wurde den 10. desselben Monats an dieser Stelle begraben. Und genau ein Jahr später, ja fast auf die Stunde, schlug hier, vom Altenberg her, eine preußische Granate mitten auf den Grabstein und schleuderte die Stücke nach allen Seiten hin auseinander. Etwas unheimlich. Aber das Ganze hat doch, Gott sei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="74"/> westpreußische Heimat geschafft und die Gruft wieder leer war, wurde sie neugewölbt und neu gewandet und nun erst zog die Generalin ein. Es ist überhaupt ein Kirchhof mit beständig gestörter Ruhe, was niemand eindringlicher erfahren hat, als <hi rendition="#g">der</hi> hier …“</p><lb/> <p>Und dabei war die Dame von dem Grabe der Generalin an ein Nachbargrab herangetreten, aus dessen Inschrift ihr Begleiter unschwer entzifferte, daß der Sattlermeister Karl Teschner aus Groß-Glogau seine letzte Wohnung darin gefunden habe.</p><lb/> <p>„Haben Sie gelesen?“</p><lb/> <p>„Ja. Was ist damit?“</p><lb/> <p>„Nichts Besonderes … Und doch ein Grabstein, den ich nie zu besuchen unterlasse. Sehen Sie schärfer hin und Sie werden erkennen, daß es ein zusammengeflickter Stein ist. Und das kam so. Den 7. Juli 65 starb hier (denn leider auch Kurgäste sterben) der Groß-Sattlermeister, dessen Namen Sie soeben gelesen haben und wurde den 10. desselben Monats an dieser Stelle begraben. Und genau ein Jahr später, ja fast auf die Stunde, schlug hier, vom Altenberg her, eine preußische Granate mitten auf den Grabstein und schleuderte die Stücke nach allen Seiten hin auseinander. Etwas unheimlich. Aber das Ganze hat doch, Gott sei </p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0076]
westpreußische Heimat geschafft und die Gruft wieder leer war, wurde sie neugewölbt und neu gewandet und nun erst zog die Generalin ein. Es ist überhaupt ein Kirchhof mit beständig gestörter Ruhe, was niemand eindringlicher erfahren hat, als der hier …“
Und dabei war die Dame von dem Grabe der Generalin an ein Nachbargrab herangetreten, aus dessen Inschrift ihr Begleiter unschwer entzifferte, daß der Sattlermeister Karl Teschner aus Groß-Glogau seine letzte Wohnung darin gefunden habe.
„Haben Sie gelesen?“
„Ja. Was ist damit?“
„Nichts Besonderes … Und doch ein Grabstein, den ich nie zu besuchen unterlasse. Sehen Sie schärfer hin und Sie werden erkennen, daß es ein zusammengeflickter Stein ist. Und das kam so. Den 7. Juli 65 starb hier (denn leider auch Kurgäste sterben) der Groß-Sattlermeister, dessen Namen Sie soeben gelesen haben und wurde den 10. desselben Monats an dieser Stelle begraben. Und genau ein Jahr später, ja fast auf die Stunde, schlug hier, vom Altenberg her, eine preußische Granate mitten auf den Grabstein und schleuderte die Stücke nach allen Seiten hin auseinander. Etwas unheimlich. Aber das Ganze hat doch, Gott sei
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/76>, abgerufen am 04.07.2024. |