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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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am feinsten. Und unter diesem anderen auch die Behandlungs- und Umgangsformen."

"Gewiß. Aber nicht dem Untergebenen und Abhängigen gegenüber. Nein, meine Gnädigste, dem kann ich nicht zustimmen. Der napoleonische Satz, den ich so leichtsinnig war zu zitieren und auf den Sie sich jetzt berufen, sollte nur ausdrücken: wo eine Geschicklichkeit gedeiht, gedeiht zuletzt jede. Das sind alles Dinge, die mit dem Schulungs- und Lernevermögen der Menschen, mit Abrichtung und Drill zusammenhängen. Aber die Gesetze der physischen und moralischen Welt sind nicht dieselben, gehen vielmehr umgekehrt und mit einer gewissen Vorliebe sehr verschiedene Wege. Beste Bildhauer und beste Soldaten, das mag sich decken und Sie mögen hinzusetzen: beste Schauspieler und beste Kanzelredner auch. All das läßt sich lernen. Aber das Herz läßt sich nicht lernen. Das hat der eine und der andere hat es nicht. Und wie mit den Individuen, so mit den Völkern. Am meisten aber in England. In einem und demselben Hause kann die feinste gesellschaftliche Form und die schlechteste Menschenbehandlung nebeneinander hergehen. Auch in dieser schlechtesten Menschenbehandlung wird sich immer noch eine gewisse mildernde Form aussprechen und das eigentlich Brutale wird vermieden werden,

am feinsten. Und unter diesem anderen auch die Behandlungs- und Umgangsformen.“

„Gewiß. Aber nicht dem Untergebenen und Abhängigen gegenüber. Nein, meine Gnädigste, dem kann ich nicht zustimmen. Der napoleonische Satz, den ich so leichtsinnig war zu zitieren und auf den Sie sich jetzt berufen, sollte nur ausdrücken: wo eine Geschicklichkeit gedeiht, gedeiht zuletzt jede. Das sind alles Dinge, die mit dem Schulungs- und Lernevermögen der Menschen, mit Abrichtung und Drill zusammenhängen. Aber die Gesetze der physischen und moralischen Welt sind nicht dieselben, gehen vielmehr umgekehrt und mit einer gewissen Vorliebe sehr verschiedene Wege. Beste Bildhauer und beste Soldaten, das mag sich decken und Sie mögen hinzusetzen: beste Schauspieler und beste Kanzelredner auch. All das läßt sich lernen. Aber das Herz läßt sich nicht lernen. Das hat der eine und der andere hat es nicht. Und wie mit den Individuen, so mit den Völkern. Am meisten aber in England. In einem und demselben Hause kann die feinste gesellschaftliche Form und die schlechteste Menschenbehandlung nebeneinander hergehen. Auch in dieser schlechtesten Menschenbehandlung wird sich immer noch eine gewisse mildernde Form aussprechen und das eigentlich Brutale wird vermieden werden,

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[47/0049] am feinsten. Und unter diesem anderen auch die Behandlungs- und Umgangsformen.“ „Gewiß. Aber nicht dem Untergebenen und Abhängigen gegenüber. Nein, meine Gnädigste, dem kann ich nicht zustimmen. Der napoleonische Satz, den ich so leichtsinnig war zu zitieren und auf den Sie sich jetzt berufen, sollte nur ausdrücken: wo eine Geschicklichkeit gedeiht, gedeiht zuletzt jede. Das sind alles Dinge, die mit dem Schulungs- und Lernevermögen der Menschen, mit Abrichtung und Drill zusammenhängen. Aber die Gesetze der physischen und moralischen Welt sind nicht dieselben, gehen vielmehr umgekehrt und mit einer gewissen Vorliebe sehr verschiedene Wege. Beste Bildhauer und beste Soldaten, das mag sich decken und Sie mögen hinzusetzen: beste Schauspieler und beste Kanzelredner auch. All das läßt sich lernen. Aber das Herz läßt sich nicht lernen. Das hat der eine und der andere hat es nicht. Und wie mit den Individuen, so mit den Völkern. Am meisten aber in England. In einem und demselben Hause kann die feinste gesellschaftliche Form und die schlechteste Menschenbehandlung nebeneinander hergehen. Auch in dieser schlechtesten Menschenbehandlung wird sich immer noch eine gewisse mildernde Form aussprechen und das eigentlich Brutale wird vermieden werden,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/49>, abgerufen am 29.03.2024.