Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894."Und wie sonst noch?" "Das weiß keiner. Vielleicht, daß es Schlächter Klose weiß, der der älteste hier ist und wohl schon Gerichtsschulze war, als der alte Wilhelm hierher kam. Wir fragen nicht gern, was einer war und woher er kommt. Und die meisten hier herum sind selber Neue und wissen noch weniger als wir." "Er macht den Eindruck, als ob er bessre Tage gesehen hätte." "Ja, so sieht er aus. Auch Alltags, wenn er seine Flickenjacke trägt. Aber ich glaub' es nicht. Daß er, was ich zugebe, so nach 'was aussieht, und sich so hält, als wär es was mit ihm, das, glaub' ich, macht blos der Frack und der Hut, und die sollen ein Erbstück sein, das ihm einer, den er treulich zu Tode gepflegt, aus Dankbarkeit hinterlassen hat. Er hat auch mal, so viel hab' ich gehört, eine kleine Baude gehabt, hier oben, nicht weit von der Anna-Kapelle; aber es ging nicht damit, und er kam herunter. Und nun ist er ein Ortsarmer." "Da muß er aber doch in ein Armen- oder Siechenhaus." "Ja, das mag in der Stadt so sein. Aber nicht hier. Wir sind eine arme Gemeinde; wo soll da ein Gemeindehaus herkommen, wenn's der Graf „Und wie sonst noch?“ „Das weiß keiner. Vielleicht, daß es Schlächter Klose weiß, der der älteste hier ist und wohl schon Gerichtsschulze war, als der alte Wilhelm hierher kam. Wir fragen nicht gern, was einer war und woher er kommt. Und die meisten hier herum sind selber Neue und wissen noch weniger als wir.“ „Er macht den Eindruck, als ob er bessre Tage gesehen hätte.“ „Ja, so sieht er aus. Auch Alltags, wenn er seine Flickenjacke trägt. Aber ich glaub’ es nicht. Daß er, was ich zugebe, so nach ’was aussieht, und sich so hält, als wär es was mit ihm, das, glaub’ ich, macht blos der Frack und der Hut, und die sollen ein Erbstück sein, das ihm einer, den er treulich zu Tode gepflegt, aus Dankbarkeit hinterlassen hat. Er hat auch mal, so viel hab’ ich gehört, eine kleine Baude gehabt, hier oben, nicht weit von der Anna-Kapelle; aber es ging nicht damit, und er kam herunter. Und nun ist er ein Ortsarmer.“ „Da muß er aber doch in ein Armen- oder Siechenhaus.“ „Ja, das mag in der Stadt so sein. Aber nicht hier. Wir sind eine arme Gemeinde; wo soll da ein Gemeindehaus herkommen, wenn’s der Graf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0220" n="218"/> <p>„Und wie sonst noch?“</p><lb/> <p>„Das weiß keiner. Vielleicht, daß es Schlächter Klose weiß, der der älteste hier ist und wohl schon Gerichtsschulze war, als der alte Wilhelm hierher kam. Wir fragen nicht gern, was einer war und woher er kommt. Und die meisten hier herum sind selber Neue und wissen noch weniger als wir.“</p><lb/> <p>„Er macht den Eindruck, als ob er bessre Tage gesehen hätte.“</p><lb/> <p>„Ja, so sieht er aus. Auch Alltags, wenn er seine Flickenjacke trägt. Aber ich glaub’ es nicht. Daß er, was ich zugebe, so nach ’was aussieht, und sich so hält, als wär es was mit ihm, das, glaub’ ich, macht blos der Frack und der Hut, und die sollen ein Erbstück sein, das ihm einer, den er treulich zu Tode gepflegt, aus Dankbarkeit hinterlassen hat. Er hat auch mal, so viel hab’ ich gehört, eine kleine Baude gehabt, hier oben, nicht weit von der Anna-Kapelle; aber es ging nicht damit, und er kam herunter. Und nun ist er ein Ortsarmer.“</p><lb/> <p>„Da muß er aber doch in ein Armen- oder Siechenhaus.“</p><lb/> <p>„Ja, das mag in der Stadt so sein. Aber nicht hier. Wir sind eine arme Gemeinde; wo soll da ein Gemeindehaus herkommen, wenn’s der Graf </p> </div> </body> </text> </TEI> [218/0220]
„Und wie sonst noch?“
„Das weiß keiner. Vielleicht, daß es Schlächter Klose weiß, der der älteste hier ist und wohl schon Gerichtsschulze war, als der alte Wilhelm hierher kam. Wir fragen nicht gern, was einer war und woher er kommt. Und die meisten hier herum sind selber Neue und wissen noch weniger als wir.“
„Er macht den Eindruck, als ob er bessre Tage gesehen hätte.“
„Ja, so sieht er aus. Auch Alltags, wenn er seine Flickenjacke trägt. Aber ich glaub’ es nicht. Daß er, was ich zugebe, so nach ’was aussieht, und sich so hält, als wär es was mit ihm, das, glaub’ ich, macht blos der Frack und der Hut, und die sollen ein Erbstück sein, das ihm einer, den er treulich zu Tode gepflegt, aus Dankbarkeit hinterlassen hat. Er hat auch mal, so viel hab’ ich gehört, eine kleine Baude gehabt, hier oben, nicht weit von der Anna-Kapelle; aber es ging nicht damit, und er kam herunter. Und nun ist er ein Ortsarmer.“
„Da muß er aber doch in ein Armen- oder Siechenhaus.“
„Ja, das mag in der Stadt so sein. Aber nicht hier. Wir sind eine arme Gemeinde; wo soll da ein Gemeindehaus herkommen, wenn’s der Graf
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/220>, abgerufen am 04.07.2024. |