Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.nicht baut oder der Kreis. Und am Ende wozu auch! Er ist ja der einzige Arme, den wir hier haben, und den füttern wir so mit durch. Bei jedem im Dorf, der ein Haus oder eine Kathe hat, ist er eine Woche, von einem Samstag bis zum andern. Immer mit der Betglocke zieht er mit seiner Karre ab und kommt er an. Und jeder freut sich, wenn er kommt. Denn er hat ein frommes Gemüt und spielt mit den Kindern und wiegt sie ein. Er ist überhaupt selber wie ein Kind und mit jedem Platz zufrieden und wenn's die platte Erde wäre. Da legt er sich seinen Strohsack zurecht und sein Deckbett darüber, und am Morgen schnürt er's wieder zusammen oder schiebt es bei Seit'. Und was er genießt, ist nicht der Rede wert; Jeder giebt es ihm gern, ein bißchen Kaffee mit Brot und Milch. Und eine Kartoffel mit Speck ist schon was Großes." "Ich glaube doch, daß noch was dahinter steckt. Er sieht eigentlich aus, als wäre er von Adel und wäre 'mal was ganz Feines gewesen. Gerade, wer es besser gehabt hat, der verlangt am wenigsten und ist mit allem zufrieden." "Ja, das soll schon sein. Aber ich glaub' es nicht recht. Und es kann auch eigentlich nicht sein. Denn er hat bei seiner Arbeit ganz die Hantierung nicht baut oder der Kreis. Und am Ende wozu auch! Er ist ja der einzige Arme, den wir hier haben, und den füttern wir so mit durch. Bei jedem im Dorf, der ein Haus oder eine Kathe hat, ist er eine Woche, von einem Samstag bis zum andern. Immer mit der Betglocke zieht er mit seiner Karre ab und kommt er an. Und jeder freut sich, wenn er kommt. Denn er hat ein frommes Gemüt und spielt mit den Kindern und wiegt sie ein. Er ist überhaupt selber wie ein Kind und mit jedem Platz zufrieden und wenn’s die platte Erde wäre. Da legt er sich seinen Strohsack zurecht und sein Deckbett darüber, und am Morgen schnürt er’s wieder zusammen oder schiebt es bei Seit’. Und was er genießt, ist nicht der Rede wert; Jeder giebt es ihm gern, ein bißchen Kaffee mit Brot und Milch. Und eine Kartoffel mit Speck ist schon was Großes.“ „Ich glaube doch, daß noch was dahinter steckt. Er sieht eigentlich aus, als wäre er von Adel und wäre ’mal was ganz Feines gewesen. Gerade, wer es besser gehabt hat, der verlangt am wenigsten und ist mit allem zufrieden.“ „Ja, das soll schon sein. Aber ich glaub’ es nicht recht. Und es kann auch eigentlich nicht sein. Denn er hat bei seiner Arbeit ganz die Hantierung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="219"/> nicht baut oder der Kreis. Und am Ende wozu auch! Er ist ja der einzige Arme, den wir hier haben, und den füttern wir so mit durch. Bei jedem im Dorf, der ein Haus oder eine Kathe hat, ist er eine Woche, von einem Samstag bis zum andern. Immer mit der Betglocke zieht er mit seiner Karre ab und kommt er an. Und jeder freut sich, wenn er kommt. Denn er hat ein frommes Gemüt und spielt mit den Kindern und wiegt sie ein. Er ist überhaupt selber wie ein Kind und mit jedem Platz zufrieden und wenn’s die platte Erde wäre. Da legt er sich seinen Strohsack zurecht und sein Deckbett darüber, und am Morgen schnürt er’s wieder zusammen oder schiebt es bei Seit’. Und was er genießt, ist nicht der Rede wert; Jeder giebt es ihm gern, ein bißchen Kaffee mit Brot und Milch. Und eine Kartoffel mit Speck ist schon was Großes.“</p><lb/> <p>„Ich glaube doch, daß noch was dahinter steckt. Er sieht eigentlich aus, als wäre er von Adel und wäre ’mal was ganz Feines gewesen. Gerade, wer es besser gehabt hat, der verlangt am wenigsten und ist mit allem zufrieden.“</p><lb/> <p>„Ja, das soll schon sein. Aber ich glaub’ es nicht recht. Und es kann auch eigentlich nicht sein. Denn er hat bei seiner Arbeit ganz die Hantierung </p> </div> </body> </text> </TEI> [219/0221]
nicht baut oder der Kreis. Und am Ende wozu auch! Er ist ja der einzige Arme, den wir hier haben, und den füttern wir so mit durch. Bei jedem im Dorf, der ein Haus oder eine Kathe hat, ist er eine Woche, von einem Samstag bis zum andern. Immer mit der Betglocke zieht er mit seiner Karre ab und kommt er an. Und jeder freut sich, wenn er kommt. Denn er hat ein frommes Gemüt und spielt mit den Kindern und wiegt sie ein. Er ist überhaupt selber wie ein Kind und mit jedem Platz zufrieden und wenn’s die platte Erde wäre. Da legt er sich seinen Strohsack zurecht und sein Deckbett darüber, und am Morgen schnürt er’s wieder zusammen oder schiebt es bei Seit’. Und was er genießt, ist nicht der Rede wert; Jeder giebt es ihm gern, ein bißchen Kaffee mit Brot und Milch. Und eine Kartoffel mit Speck ist schon was Großes.“
„Ich glaube doch, daß noch was dahinter steckt. Er sieht eigentlich aus, als wäre er von Adel und wäre ’mal was ganz Feines gewesen. Gerade, wer es besser gehabt hat, der verlangt am wenigsten und ist mit allem zufrieden.“
„Ja, das soll schon sein. Aber ich glaub’ es nicht recht. Und es kann auch eigentlich nicht sein. Denn er hat bei seiner Arbeit ganz die Hantierung
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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