Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894."Ja, der Oybin," unterbrach hier Leontine. "Bei Zittau?" "Sehr richtig. Brillant orientiert. Kennen Sie den Oybin?" "Nein. Nicht ich, aber Lulu. Lulu war vorigen Herbst bei Tante Sarah in Zittau, leider nur knappe zehn Tage, weil die Michaelisferien zu kurz sind. Aber als sie wiederkam, hörten wir nichts als Oybin und wieder Oybin. Und Sie kennen ihn auch?" "Eigentlich nicht, meine Gnädigste, wiewohl ich weiß, daß man eine gewisse moderne Pflicht hat, alles zu kennen, wonach man gefragt wird. Aber der Wahrheit die Ehre. Ich nahm ihn nur so beispielsweise." "Nun denn," entschied James, "da müssen wir notwendig Lulu rufen. Ich entsinne mich, daß wir ihr damals nicht zuhören wollten, denn wer läßt sich gern Aussichten oder Landpartieen beschreiben? Aber nun kommt sie doch noch zu Ehren." Und bei diesen Worten ging er an das Telephon und rief in die Kinderstube hinauf: "Lulu. Lulu soll kommen." Und nicht lange, so hörte man ein Singen und Trillern auf der kleinen eisernen Treppe, die, sich „Ja, der Oybin,“ unterbrach hier Leontine. „Bei Zittau?“ „Sehr richtig. Brillant orientiert. Kennen Sie den Oybin?“ „Nein. Nicht ich, aber Lulu. Lulu war vorigen Herbst bei Tante Sarah in Zittau, leider nur knappe zehn Tage, weil die Michaelisferien zu kurz sind. Aber als sie wiederkam, hörten wir nichts als Oybin und wieder Oybin. Und Sie kennen ihn auch?“ „Eigentlich nicht, meine Gnädigste, wiewohl ich weiß, daß man eine gewisse moderne Pflicht hat, alles zu kennen, wonach man gefragt wird. Aber der Wahrheit die Ehre. Ich nahm ihn nur so beispielsweise.“ „Nun denn,“ entschied James, „da müssen wir notwendig Lulu rufen. Ich entsinne mich, daß wir ihr damals nicht zuhören wollten, denn wer läßt sich gern Aussichten oder Landpartieen beschreiben? Aber nun kommt sie doch noch zu Ehren.“ Und bei diesen Worten ging er an das Telephon und rief in die Kinderstube hinauf: „Lulu. Lulu soll kommen.“ Und nicht lange, so hörte man ein Singen und Trillern auf der kleinen eisernen Treppe, die, sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0142" n="140"/> <p>„Ja, der Oybin,“ unterbrach hier Leontine. „Bei Zittau?“</p><lb/> <p>„Sehr richtig. Brillant orientiert. Kennen Sie den Oybin?“</p><lb/> <p>„Nein. Nicht ich, aber Lulu. Lulu war vorigen Herbst bei Tante Sarah in Zittau, leider nur knappe zehn Tage, weil die Michaelisferien zu kurz sind. Aber als sie wiederkam, hörten wir nichts als Oybin und wieder Oybin. Und Sie kennen ihn auch?“</p><lb/> <p>„Eigentlich nicht, meine Gnädigste, wiewohl ich weiß, daß man eine gewisse moderne Pflicht hat, alles zu kennen, wonach man gefragt wird. Aber der Wahrheit die Ehre. Ich nahm ihn nur so beispielsweise.“</p><lb/> <p>„Nun denn,“ entschied James, „da müssen wir notwendig Lulu rufen. Ich entsinne mich, daß wir ihr damals nicht zuhören wollten, denn wer läßt sich gern Aussichten oder Landpartieen beschreiben? Aber nun kommt sie doch noch zu Ehren.“</p><lb/> <p>Und bei diesen Worten ging er an das Telephon und rief in die Kinderstube hinauf: „Lulu. Lulu soll kommen.“</p><lb/> <p>Und nicht lange, so hörte man ein Singen und Trillern auf der kleinen eisernen Treppe, die, sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [140/0142]
„Ja, der Oybin,“ unterbrach hier Leontine. „Bei Zittau?“
„Sehr richtig. Brillant orientiert. Kennen Sie den Oybin?“
„Nein. Nicht ich, aber Lulu. Lulu war vorigen Herbst bei Tante Sarah in Zittau, leider nur knappe zehn Tage, weil die Michaelisferien zu kurz sind. Aber als sie wiederkam, hörten wir nichts als Oybin und wieder Oybin. Und Sie kennen ihn auch?“
„Eigentlich nicht, meine Gnädigste, wiewohl ich weiß, daß man eine gewisse moderne Pflicht hat, alles zu kennen, wonach man gefragt wird. Aber der Wahrheit die Ehre. Ich nahm ihn nur so beispielsweise.“
„Nun denn,“ entschied James, „da müssen wir notwendig Lulu rufen. Ich entsinne mich, daß wir ihr damals nicht zuhören wollten, denn wer läßt sich gern Aussichten oder Landpartieen beschreiben? Aber nun kommt sie doch noch zu Ehren.“
Und bei diesen Worten ging er an das Telephon und rief in die Kinderstube hinauf: „Lulu. Lulu soll kommen.“
Und nicht lange, so hörte man ein Singen und Trillern auf der kleinen eisernen Treppe, die, sich
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/142>, abgerufen am 04.07.2024. |