Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.schlängelnd, vom oberen Stock her in das Wohnzimmer hinabstieg und einen Augenblick danach trat Lulu durch eine Tapetenthür ein, ein 13jähriger Backfisch mit einem dicken rotblonden Zopf, und ging, während sie dem Justizrate die Hand gab, auf den Vater zu, den sie heute noch nicht gesehen hatte. "Guten Tag, Papa. Fräulein Oberlin ist noch oben. Aber es war wieder so furchtbar langweilig, daß ich froh war, als ich Dich rufen hörte." Und dabei stellte sie sich neben die Lehne des Fauteuils und ziepte den Vater an seinem Backenbart. "Nein Lulu, nicht so. Gefährde mir nicht das Einzige, was noch festen Grund und Boden unter den Füßen hat. Jedes Haar ist mir heilig. Das verstehst Du nicht, mit Deinem dicken Zopf. Ich habe Dich nicht gerufen, um zu zerstören, sondern um aufzubauen. Wir sitzen hier nämlich im Hohen Rat und Du sollst entscheiden ..." "Ich weiß schon." "Was?" "Was Ihr vorhabt und wozu ich ja oder nein sagen soll." "Nun?" "Die Singhalesen." Alle Drei lachten, was Lulu ruhig geschehen schlängelnd, vom oberen Stock her in das Wohnzimmer hinabstieg und einen Augenblick danach trat Lulu durch eine Tapetenthür ein, ein 13jähriger Backfisch mit einem dicken rotblonden Zopf, und ging, während sie dem Justizrate die Hand gab, auf den Vater zu, den sie heute noch nicht gesehen hatte. „Guten Tag, Papa. Fräulein Oberlin ist noch oben. Aber es war wieder so furchtbar langweilig, daß ich froh war, als ich Dich rufen hörte.“ Und dabei stellte sie sich neben die Lehne des Fauteuils und ziepte den Vater an seinem Backenbart. „Nein Lulu, nicht so. Gefährde mir nicht das Einzige, was noch festen Grund und Boden unter den Füßen hat. Jedes Haar ist mir heilig. Das verstehst Du nicht, mit Deinem dicken Zopf. Ich habe Dich nicht gerufen, um zu zerstören, sondern um aufzubauen. Wir sitzen hier nämlich im Hohen Rat und Du sollst entscheiden …“ „Ich weiß schon.“ „Was?“ „Was Ihr vorhabt und wozu ich ja oder nein sagen soll.“ „Nun?“ „Die Singhalesen.“ Alle Drei lachten, was Lulu ruhig geschehen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="141"/> schlängelnd, vom oberen Stock her in das Wohnzimmer hinabstieg und einen Augenblick danach trat Lulu durch eine Tapetenthür ein, ein 13jähriger Backfisch mit einem dicken rotblonden Zopf, und ging, während sie dem Justizrate die Hand gab, auf den Vater zu, den sie heute noch nicht gesehen hatte. „Guten Tag, Papa. Fräulein Oberlin ist noch oben. Aber es war wieder so furchtbar langweilig, daß ich froh war, als ich Dich rufen hörte.“ Und dabei stellte sie sich neben die Lehne des Fauteuils und ziepte den Vater an seinem Backenbart.</p><lb/> <p>„Nein Lulu, nicht so. Gefährde mir nicht das Einzige, was noch festen Grund und Boden unter den Füßen hat. Jedes Haar ist mir heilig. Das verstehst Du nicht, mit Deinem dicken Zopf. Ich habe Dich nicht gerufen, um zu zerstören, sondern um aufzubauen. Wir sitzen hier nämlich im Hohen Rat und Du sollst entscheiden …“</p><lb/> <p>„Ich weiß schon.“</p><lb/> <p>„Was?“</p><lb/> <p>„Was Ihr vorhabt und wozu ich ja oder nein sagen soll.“</p><lb/> <p>„Nun?“</p><lb/> <p>„Die Singhalesen.“</p><lb/> <p>Alle Drei lachten, was Lulu ruhig geschehen </p> </div> </body> </text> </TEI> [141/0143]
schlängelnd, vom oberen Stock her in das Wohnzimmer hinabstieg und einen Augenblick danach trat Lulu durch eine Tapetenthür ein, ein 13jähriger Backfisch mit einem dicken rotblonden Zopf, und ging, während sie dem Justizrate die Hand gab, auf den Vater zu, den sie heute noch nicht gesehen hatte. „Guten Tag, Papa. Fräulein Oberlin ist noch oben. Aber es war wieder so furchtbar langweilig, daß ich froh war, als ich Dich rufen hörte.“ Und dabei stellte sie sich neben die Lehne des Fauteuils und ziepte den Vater an seinem Backenbart.
„Nein Lulu, nicht so. Gefährde mir nicht das Einzige, was noch festen Grund und Boden unter den Füßen hat. Jedes Haar ist mir heilig. Das verstehst Du nicht, mit Deinem dicken Zopf. Ich habe Dich nicht gerufen, um zu zerstören, sondern um aufzubauen. Wir sitzen hier nämlich im Hohen Rat und Du sollst entscheiden …“
„Ich weiß schon.“
„Was?“
„Was Ihr vorhabt und wozu ich ja oder nein sagen soll.“
„Nun?“
„Die Singhalesen.“
Alle Drei lachten, was Lulu ruhig geschehen
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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