ein Morchelbeet und an all den Morchelbeeten ging ich vorbei, bis ich zuletzt in sein Zimmer kam."
"Ist es möglich?" wiederholte die Dörr und setzte hinzu: "Morcheln. Aber man kann doch nicht immer von Morcheln sprechen."
"Nein, nicht immer. Aber oft oder wenigstens manchmal und eigentlich ist es ganz gleich, wovon man spricht. Wenn es nicht Morcheln sind, sind es Champignons und wenn es nicht das rothe polnische Schloß ist, dann ist es Schlößchen Tegel oder Saat¬ winkel, oder Valentinswerder. Oder Italien oder Paris, oder die Stadtbahn, oder ob die Panke zu¬ geschüttet werden soll. Es ist alles ganz gleich. Ueber jedes kann man ja was sagen und ob's einem gefällt oder nicht. Und "ja" ist gerade so viel wie "nein"."
"Aber," sagte Lene, "wenn es alles so redens¬ artlich ist, da wundert es mich, daß ihr solche Ge¬ sellschaften mitmacht."
"O man sieht doch schöne Damen und Toiletten und mitunter auch Blicke, die, wenn man gut auf¬ paßt, einem eine ganze Geschichte verrathen. Und jedenfalls dauert es nicht lange, so daß man immer noch Zeit hat, im Klub alles nachzuholen. Und im Klub ist es wirklich reizend, da hören die Redens¬ arten auf und die Wirklichkeiten fangen an. Ich
ein Morchelbeet und an all den Morchelbeeten ging ich vorbei, bis ich zuletzt in ſein Zimmer kam.“
„Iſt es möglich?“ wiederholte die Dörr und ſetzte hinzu: „Morcheln. Aber man kann doch nicht immer von Morcheln ſprechen.“
„Nein, nicht immer. Aber oft oder wenigſtens manchmal und eigentlich iſt es ganz gleich, wovon man ſpricht. Wenn es nicht Morcheln ſind, ſind es Champignons und wenn es nicht das rothe polniſche Schloß iſt, dann iſt es Schlößchen Tegel oder Saat¬ winkel, oder Valentinswerder. Oder Italien oder Paris, oder die Stadtbahn, oder ob die Panke zu¬ geſchüttet werden ſoll. Es iſt alles ganz gleich. Ueber jedes kann man ja was ſagen und ob's einem gefällt oder nicht. Und „ja“ iſt gerade ſo viel wie „nein“.“
„Aber,“ ſagte Lene, „wenn es alles ſo redens¬ artlich iſt, da wundert es mich, daß ihr ſolche Ge¬ ſellſchaften mitmacht.“
„O man ſieht doch ſchöne Damen und Toiletten und mitunter auch Blicke, die, wenn man gut auf¬ paßt, einem eine ganze Geſchichte verrathen. Und jedenfalls dauert es nicht lange, ſo daß man immer noch Zeit hat, im Klub alles nachzuholen. Und im Klub iſt es wirklich reizend, da hören die Redens¬ arten auf und die Wirklichkeiten fangen an. Ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="37"/>
ein Morchelbeet und an all den Morchelbeeten ging<lb/>
ich vorbei, bis ich zuletzt in ſein Zimmer kam.“</p><lb/><p>„Iſt es möglich?“ wiederholte die Dörr und<lb/>ſetzte hinzu: „Morcheln. Aber man kann doch nicht<lb/>
immer von Morcheln ſprechen.“</p><lb/><p>„Nein, nicht immer. Aber oft oder wenigſtens<lb/>
manchmal und eigentlich iſt es ganz gleich, wovon<lb/>
man ſpricht. Wenn es nicht Morcheln ſind, ſind es<lb/>
Champignons und wenn es nicht das rothe polniſche<lb/>
Schloß iſt, dann iſt es Schlößchen Tegel oder Saat¬<lb/>
winkel, oder Valentinswerder. Oder Italien oder<lb/>
Paris, oder die Stadtbahn, oder ob die Panke zu¬<lb/>
geſchüttet werden ſoll. Es iſt alles ganz gleich.<lb/>
Ueber jedes kann man ja was ſagen und ob's einem<lb/>
gefällt oder nicht. Und „ja“ iſt gerade ſo viel wie<lb/>„nein“.“</p><lb/><p>„Aber,“ſagte Lene, „wenn es alles ſo redens¬<lb/>
artlich iſt, da wundert es mich, daß ihr ſolche Ge¬<lb/>ſellſchaften mitmacht.“</p><lb/><p>„O man ſieht doch ſchöne Damen und Toiletten<lb/>
und mitunter auch Blicke, die, wenn man gut auf¬<lb/>
paßt, einem eine ganze Geſchichte verrathen. Und<lb/>
jedenfalls dauert es nicht lange, ſo daß man immer<lb/>
noch Zeit hat, im Klub alles nachzuholen. Und im<lb/>
Klub iſt es wirklich reizend, da hören die Redens¬<lb/>
arten auf und die Wirklichkeiten fangen an. Ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0047]
ein Morchelbeet und an all den Morchelbeeten ging
ich vorbei, bis ich zuletzt in ſein Zimmer kam.“
„Iſt es möglich?“ wiederholte die Dörr und
ſetzte hinzu: „Morcheln. Aber man kann doch nicht
immer von Morcheln ſprechen.“
„Nein, nicht immer. Aber oft oder wenigſtens
manchmal und eigentlich iſt es ganz gleich, wovon
man ſpricht. Wenn es nicht Morcheln ſind, ſind es
Champignons und wenn es nicht das rothe polniſche
Schloß iſt, dann iſt es Schlößchen Tegel oder Saat¬
winkel, oder Valentinswerder. Oder Italien oder
Paris, oder die Stadtbahn, oder ob die Panke zu¬
geſchüttet werden ſoll. Es iſt alles ganz gleich.
Ueber jedes kann man ja was ſagen und ob's einem
gefällt oder nicht. Und „ja“ iſt gerade ſo viel wie
„nein“.“
„Aber,“ ſagte Lene, „wenn es alles ſo redens¬
artlich iſt, da wundert es mich, daß ihr ſolche Ge¬
ſellſchaften mitmacht.“
„O man ſieht doch ſchöne Damen und Toiletten
und mitunter auch Blicke, die, wenn man gut auf¬
paßt, einem eine ganze Geſchichte verrathen. Und
jedenfalls dauert es nicht lange, ſo daß man immer
noch Zeit hat, im Klub alles nachzuholen. Und im
Klub iſt es wirklich reizend, da hören die Redens¬
arten auf und die Wirklichkeiten fangen an. Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/47>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.