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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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habe gestern Pitt seine Graditzer Rappstute abge¬
nommen."

"Wer ist Pitt?"

"Ach, das sind so Namen, die wir nebenher
führen, und wir nennen uns so, wenn wir unter
uns sind. Der Kronprinz sagt auch Vicky, wenn
er Victoria meint. Es ist ein wahres Glück, daß
es solche Liebes- und Zärtlichkeitsnamen giebt. Aber
horch, eben fängt drüben das Concert an. Können
wir nicht die Fenster aufmachen, daß wir's besser
hören? Du wippst ja schon mit der Fußspitze hin
und her. Wie wär' es, wenn wir anträten und
einen Contre versuchten oder eine Francaise? Wir
sind drei Paare: Vater Dörr und meine gute Frau
Nimptsch und dann Frau Dörr und ich (ich bitte
um die Ehre) und dann kommt Lene mit Hans."

Frau Dörr war sofort einverstanden, Dörr und
Frau Nimptsch aber lehnten ab, diese weil sie zu
alt sei, jener weil er so was Feines nicht kenne.

"Gut, Vater Dörr. Aber dann müssen Sie
den Takt schlagen; Lene gieb ihm das Kaffeebrett
und einen Löffel. Und nun antreten, meine Damen.
Frau Dörr, Ihren Arm. Und nun Hans, auf¬
wachen, flink, flink."

Und wirklich, beide Paare stellten sich auf und
Frau Dörr wuchs ordentlich noch an Stattlichkeit,
als ihr Partner in einem feierlichen Tanzmeister¬

habe geſtern Pitt ſeine Graditzer Rappſtute abge¬
nommen.“

„Wer iſt Pitt?“

„Ach, das ſind ſo Namen, die wir nebenher
führen, und wir nennen uns ſo, wenn wir unter
uns ſind. Der Kronprinz ſagt auch Vicky, wenn
er Victoria meint. Es iſt ein wahres Glück, daß
es ſolche Liebes- und Zärtlichkeitsnamen giebt. Aber
horch, eben fängt drüben das Concert an. Können
wir nicht die Fenſter aufmachen, daß wir's beſſer
hören? Du wippſt ja ſchon mit der Fußſpitze hin
und her. Wie wär' es, wenn wir anträten und
einen Contre verſuchten oder eine Françaiſe? Wir
ſind drei Paare: Vater Dörr und meine gute Frau
Nimptſch und dann Frau Dörr und ich (ich bitte
um die Ehre) und dann kommt Lene mit Hans.“

Frau Dörr war ſofort einverſtanden, Dörr und
Frau Nimptſch aber lehnten ab, dieſe weil ſie zu
alt ſei, jener weil er ſo was Feines nicht kenne.

„Gut, Vater Dörr. Aber dann müſſen Sie
den Takt ſchlagen; Lene gieb ihm das Kaffeebrett
und einen Löffel. Und nun antreten, meine Damen.
Frau Dörr, Ihren Arm. Und nun Hans, auf¬
wachen, flink, flink.“

Und wirklich, beide Paare ſtellten ſich auf und
Frau Dörr wuchs ordentlich noch an Stattlichkeit,
als ihr Partner in einem feierlichen Tanzmeiſter¬

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[38/0048] habe geſtern Pitt ſeine Graditzer Rappſtute abge¬ nommen.“ „Wer iſt Pitt?“ „Ach, das ſind ſo Namen, die wir nebenher führen, und wir nennen uns ſo, wenn wir unter uns ſind. Der Kronprinz ſagt auch Vicky, wenn er Victoria meint. Es iſt ein wahres Glück, daß es ſolche Liebes- und Zärtlichkeitsnamen giebt. Aber horch, eben fängt drüben das Concert an. Können wir nicht die Fenſter aufmachen, daß wir's beſſer hören? Du wippſt ja ſchon mit der Fußſpitze hin und her. Wie wär' es, wenn wir anträten und einen Contre verſuchten oder eine Françaiſe? Wir ſind drei Paare: Vater Dörr und meine gute Frau Nimptſch und dann Frau Dörr und ich (ich bitte um die Ehre) und dann kommt Lene mit Hans.“ Frau Dörr war ſofort einverſtanden, Dörr und Frau Nimptſch aber lehnten ab, dieſe weil ſie zu alt ſei, jener weil er ſo was Feines nicht kenne. „Gut, Vater Dörr. Aber dann müſſen Sie den Takt ſchlagen; Lene gieb ihm das Kaffeebrett und einen Löffel. Und nun antreten, meine Damen. Frau Dörr, Ihren Arm. Und nun Hans, auf¬ wachen, flink, flink.“ Und wirklich, beide Paare ſtellten ſich auf und Frau Dörr wuchs ordentlich noch an Stattlichkeit, als ihr Partner in einem feierlichen Tanzmeiſter¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/48>, abgerufen am 28.04.2024.