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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Pompadour an. Aber die schreckliche Person ge¬
wann trotzdem einen Sieg über uns und sagte mit
scharfer und lauter Stimme, denn die alte Wedell
hörte schlecht: "Ja, Frau Generalin, es ist so, wie
Sie sagen. Nur sonderbar, als die Pompadours
abgelöst wurden, kamen die Reticules an die Reihe,
die man dann später die Ridicules nannte. Und
solche Ridicules giebt es noch." Und dabei sah sie
die gute alte Wedell an, die, weil sie nicht antworten
konnte, vom Tische aufstand und den Saal verließ.
Und nun frag' ich Dich, was sagst Du dazu? Was
sagst Du zu solcher Impertinenz?.., Aber Botho,
Du sprichst ja nicht, Du hörst ja gar nicht.."

"Doch, doch, Käthe.."


Drei Wochen später war eine Trauung in der
Jakobi-Kirche, deren kreuzgangartiger Vorhof auch
heute von einer dichten und neugierigen Menschen¬
menge, meist Arbeiterfrauen, einige mit ihren Kindern
auf dem Arm, besetzt war. Aber auch Schul- und
Straßenjugend hatte sich eingefunden. Allerlei Kut¬
schen fuhren vor, und gleich aus einer der ersten
stieg ein Paar, das, so lang es im Gesichtskreise
der Anwesenden verblieb, mit Lachen und Getuschel
begleitet wurde.

Pompadour an. Aber die ſchreckliche Perſon ge¬
wann trotzdem einen Sieg über uns und ſagte mit
ſcharfer und lauter Stimme, denn die alte Wedell
hörte ſchlecht: „Ja, Frau Generalin, es iſt ſo, wie
Sie ſagen. Nur ſonderbar, als die Pompadours
abgelöſt wurden, kamen die Reticules an die Reihe,
die man dann ſpäter die Ridicules nannte. Und
ſolche Ridicules giebt es noch.“ Und dabei ſah ſie
die gute alte Wedell an, die, weil ſie nicht antworten
konnte, vom Tiſche aufſtand und den Saal verließ.
Und nun frag' ich Dich, was ſagſt Du dazu? Was
ſagſt Du zu ſolcher Impertinenz?.., Aber Botho,
Du ſprichſt ja nicht, Du hörſt ja gar nicht..“

„Doch, doch, Käthe..“


Drei Wochen ſpäter war eine Trauung in der
Jakobi-Kirche, deren kreuzgangartiger Vorhof auch
heute von einer dichten und neugierigen Menſchen¬
menge, meiſt Arbeiterfrauen, einige mit ihren Kindern
auf dem Arm, beſetzt war. Aber auch Schul- und
Straßenjugend hatte ſich eingefunden. Allerlei Kut¬
ſchen fuhren vor, und gleich aus einer der erſten
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der Anweſenden verblieb, mit Lachen und Getuſchel
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[281/0291] Pompadour an. Aber die ſchreckliche Perſon ge¬ wann trotzdem einen Sieg über uns und ſagte mit ſcharfer und lauter Stimme, denn die alte Wedell hörte ſchlecht: „Ja, Frau Generalin, es iſt ſo, wie Sie ſagen. Nur ſonderbar, als die Pompadours abgelöſt wurden, kamen die Reticules an die Reihe, die man dann ſpäter die Ridicules nannte. Und ſolche Ridicules giebt es noch.“ Und dabei ſah ſie die gute alte Wedell an, die, weil ſie nicht antworten konnte, vom Tiſche aufſtand und den Saal verließ. Und nun frag' ich Dich, was ſagſt Du dazu? Was ſagſt Du zu ſolcher Impertinenz?.., Aber Botho, Du ſprichſt ja nicht, Du hörſt ja gar nicht..“ „Doch, doch, Käthe..“ Drei Wochen ſpäter war eine Trauung in der Jakobi-Kirche, deren kreuzgangartiger Vorhof auch heute von einer dichten und neugierigen Menſchen¬ menge, meiſt Arbeiterfrauen, einige mit ihren Kindern auf dem Arm, beſetzt war. Aber auch Schul- und Straßenjugend hatte ſich eingefunden. Allerlei Kut¬ ſchen fuhren vor, und gleich aus einer der erſten ſtieg ein Paar, das, ſo lang es im Geſichtskreiſe der Anweſenden verblieb, mit Lachen und Getuſchel begleitet wurde.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/291>, abgerufen am 11.05.2024.