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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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von der Russin auserzählen, die natürlich gar keine
Russin war. Aber eine sehr kluge Person. Sie
hatte Mandelaugen, alle diese Personen haben
Mandelaugen, und gab vor, daß sie zur Kur in
Schlangenbad sei. Nun, das kennt man. Einen
Arzt hatte sie nicht, wenigstens keinen ordentlichen,
aber jeden Tag war sie drüben in Frankfurt oder
in Wiesbaden oder auch in Darmstadt und immer
in Begleitung. Und Einige sagen sogar, es sei nicht
mal derselbe gewesen. Und nun hättest Du sehen
sollen, welche Toilette und welche Suffisance! Kaum,
daß sie grüßte, wenn sie mit ihrer Ehrendame zur
Table d'hote kam. Denn eine Ehrendame hatte sie,
das ist immer das Erste bei solchen Damen. Und
wir nannten sie "die Pompadour", ich meine die
Russin, und sie wußt' es auch, daß wir sie so
nannten. Und die alte Generalin Wedell, die ganz
auf unsrer Seite stand und sich über die zweifelhafte
Person ärgerte (denn eine Person war es, darüber
war kein Zweifel), die alte Wedell, sag' ich, sagte
ganz laut über den Tisch hin: "Ja, meine Damen,
die Mode wechselt in allem, auch in den Taschen
und Täschchen und sogar in den Beuteln und
Beutelchen. Als ich noch jung war, gab es noch
Pompadours, aber heute giebt es keine Pompadours
mehr. Nicht wahr? Es giebt keine Pompadours
mehr." Und dabei lachten wir und sahen alle die

von der Ruſſin auserzählen, die natürlich gar keine
Ruſſin war. Aber eine ſehr kluge Perſon. Sie
hatte Mandelaugen, alle dieſe Perſonen haben
Mandelaugen, und gab vor, daß ſie zur Kur in
Schlangenbad ſei. Nun, das kennt man. Einen
Arzt hatte ſie nicht, wenigſtens keinen ordentlichen,
aber jeden Tag war ſie drüben in Frankfurt oder
in Wiesbaden oder auch in Darmſtadt und immer
in Begleitung. Und Einige ſagen ſogar, es ſei nicht
mal derſelbe geweſen. Und nun hätteſt Du ſehen
ſollen, welche Toilette und welche Suffiſance! Kaum,
daß ſie grüßte, wenn ſie mit ihrer Ehrendame zur
Table d'hote kam. Denn eine Ehrendame hatte ſie,
das iſt immer das Erſte bei ſolchen Damen. Und
wir nannten ſie „die Pompadour“, ich meine die
Ruſſin, und ſie wußt' es auch, daß wir ſie ſo
nannten. Und die alte Generalin Wedell, die ganz
auf unſrer Seite ſtand und ſich über die zweifelhafte
Perſon ärgerte (denn eine Perſon war es, darüber
war kein Zweifel), die alte Wedell, ſag' ich, ſagte
ganz laut über den Tiſch hin: „Ja, meine Damen,
die Mode wechſelt in allem, auch in den Taſchen
und Täſchchen und ſogar in den Beuteln und
Beutelchen. Als ich noch jung war, gab es noch
Pompadours, aber heute giebt es keine Pompadours
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[280/0290] von der Ruſſin auserzählen, die natürlich gar keine Ruſſin war. Aber eine ſehr kluge Perſon. Sie hatte Mandelaugen, alle dieſe Perſonen haben Mandelaugen, und gab vor, daß ſie zur Kur in Schlangenbad ſei. Nun, das kennt man. Einen Arzt hatte ſie nicht, wenigſtens keinen ordentlichen, aber jeden Tag war ſie drüben in Frankfurt oder in Wiesbaden oder auch in Darmſtadt und immer in Begleitung. Und Einige ſagen ſogar, es ſei nicht mal derſelbe geweſen. Und nun hätteſt Du ſehen ſollen, welche Toilette und welche Suffiſance! Kaum, daß ſie grüßte, wenn ſie mit ihrer Ehrendame zur Table d'hote kam. Denn eine Ehrendame hatte ſie, das iſt immer das Erſte bei ſolchen Damen. Und wir nannten ſie „die Pompadour“, ich meine die Ruſſin, und ſie wußt' es auch, daß wir ſie ſo nannten. Und die alte Generalin Wedell, die ganz auf unſrer Seite ſtand und ſich über die zweifelhafte Perſon ärgerte (denn eine Perſon war es, darüber war kein Zweifel), die alte Wedell, ſag' ich, ſagte ganz laut über den Tiſch hin: „Ja, meine Damen, die Mode wechſelt in allem, auch in den Taſchen und Täſchchen und ſogar in den Beuteln und Beutelchen. Als ich noch jung war, gab es noch Pompadours, aber heute giebt es keine Pompadours mehr. Nicht wahr? Es giebt keine Pompadours mehr.“ Und dabei lachten wir und ſahen alle die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/290>, abgerufen am 27.11.2024.