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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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habe die hohe Schule durchgemacht, bei den Ulanen
und schon vorher (Sie wissen, daß ich erst spät
dazu kam) in Bonn und Göttingen und brauche
keine Lehren und Rathschläge, wenn sich's um das
Uebliche handelt. Aber wenn ich mich ehrlich be¬
frage, so handelt sich's in meinem Falle nicht um
das Uebliche, sondern um einen Ausnahmefall,"

"Glaubt jeder."

"Kurz und gut, ich fühle mich engagirt, mehr
als das, ich liebe Henrietten, oder um Ihnen so
recht meine Stimmung zu zeigen, ich liebe die
schwarze Jette. Ja, dieser anzügliche Trivialname
mit seinem Anklang an Kantine paßt mir am besten,
weil ich alle feierlichen Allüren in dieser Sache ver¬
meiden möchte. Mir ist ernsthaft genug zu Muth
und weil mir ernsthaft zu Muth ist, kann ich alles,
was wie Feierlichkeit und schöne Redensarten aus¬
sieht, nicht brauchen. Das schwächt blos ab."

Botho nickte zustimmend und entschlug sich mehr
und mehr jedes Anfluges von Spott und Superiorität,
den er bis dahin allerdings gezeigt hatte.

"Jette," fuhr Rexin fort, "stammt aus keiner
Ahnenreihe von Engeln und ist selber keiner Aber
wo findet man dergleichen? In unsrer Sphäre?
Lächerlich. Alle diese Unterschiede sind ja gekünstelt
und die gekünsteltsten liegen auf dem Gebiete der
Tugend. Natürlich giebt es Tugend und ähnliche

habe die hohe Schule durchgemacht, bei den Ulanen
und ſchon vorher (Sie wiſſen, daß ich erſt ſpät
dazu kam) in Bonn und Göttingen und brauche
keine Lehren und Rathſchläge, wenn ſich's um das
Uebliche handelt. Aber wenn ich mich ehrlich be¬
frage, ſo handelt ſich's in meinem Falle nicht um
das Uebliche, ſondern um einen Ausnahmefall,“

„Glaubt jeder.“

„Kurz und gut, ich fühle mich engagirt, mehr
als das, ich liebe Henrietten, oder um Ihnen ſo
recht meine Stimmung zu zeigen, ich liebe die
ſchwarze Jette. Ja, dieſer anzügliche Trivialname
mit ſeinem Anklang an Kantine paßt mir am beſten,
weil ich alle feierlichen Allüren in dieſer Sache ver¬
meiden möchte. Mir iſt ernſthaft genug zu Muth
und weil mir ernſthaft zu Muth iſt, kann ich alles,
was wie Feierlichkeit und ſchöne Redensarten aus¬
ſieht, nicht brauchen. Das ſchwächt blos ab.“

Botho nickte zuſtimmend und entſchlug ſich mehr
und mehr jedes Anfluges von Spott und Superiorität,
den er bis dahin allerdings gezeigt hatte.

„Jette,“ fuhr Rexin fort, „ſtammt aus keiner
Ahnenreihe von Engeln und iſt ſelber keiner Aber
wo findet man dergleichen? In unſrer Sphäre?
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und die gekünſteltſten liegen auf dem Gebiete der
Tugend. Natürlich giebt es Tugend und ähnliche

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[258/0268] habe die hohe Schule durchgemacht, bei den Ulanen und ſchon vorher (Sie wiſſen, daß ich erſt ſpät dazu kam) in Bonn und Göttingen und brauche keine Lehren und Rathſchläge, wenn ſich's um das Uebliche handelt. Aber wenn ich mich ehrlich be¬ frage, ſo handelt ſich's in meinem Falle nicht um das Uebliche, ſondern um einen Ausnahmefall,“ „Glaubt jeder.“ „Kurz und gut, ich fühle mich engagirt, mehr als das, ich liebe Henrietten, oder um Ihnen ſo recht meine Stimmung zu zeigen, ich liebe die ſchwarze Jette. Ja, dieſer anzügliche Trivialname mit ſeinem Anklang an Kantine paßt mir am beſten, weil ich alle feierlichen Allüren in dieſer Sache ver¬ meiden möchte. Mir iſt ernſthaft genug zu Muth und weil mir ernſthaft zu Muth iſt, kann ich alles, was wie Feierlichkeit und ſchöne Redensarten aus¬ ſieht, nicht brauchen. Das ſchwächt blos ab.“ Botho nickte zuſtimmend und entſchlug ſich mehr und mehr jedes Anfluges von Spott und Superiorität, den er bis dahin allerdings gezeigt hatte. „Jette,“ fuhr Rexin fort, „ſtammt aus keiner Ahnenreihe von Engeln und iſt ſelber keiner Aber wo findet man dergleichen? In unſrer Sphäre? Lächerlich. Alle dieſe Unterſchiede ſind ja gekünſtelt und die gekünſteltſten liegen auf dem Gebiete der Tugend. Natürlich giebt es Tugend und ähnliche

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/268>, abgerufen am 24.11.2024.