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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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hinlaufenden Weg einbog, der weiterhin seine Rich¬
tung auf Plötzensee zu nahm. Dabei kam ihm der
Tag wieder in Erinnerung, an dem er hier auch
herumgeritten war, um sich Muth für den Abschied
von Lene zu gewinnen, für den Abschied, der ihm
so schwer ward und der doch sein mußte. Das
war nun drei Jahre. Was lag alles dazwischen?
Viel Freude; gewiß. Aber es war doch keine rechte
Freude gewesen. Ein Bonbon, nicht viel mehr.
Und wer kann von Süßigkeiten leben!

Er hing dem noch nach, als er auf einem von
der Jungfernhaide her nach dem Kanal hinüber¬
führenden Reitwege zwei Kameraden herankommen
sah, Ulanen, wie die deutlich erkennbaren Czapkas
schon von fernher verriethen. Aber wer waren sie?
Freilich, die Zweifel auch darüber konnten nicht
lange währen und noch ehe man sich von hüben
und drüben bis auf hundert Schritte genähert hatte,
sah Botho, daß es die Rexins waren, Vettern und
beide vom selben Regiment.

"Ah, Rienäcker," sagte der Aeltere. "Wohin?"

"So weit der Himmel blau ist."

"Das ist mir zu weit."

"Nun dann bis Saatwinkel."

"Das läßt sich hören. Da bin ich mit von der
Partie, vorausgesetzt, daß ich nicht störe. . . Kurt
(und hiermit wandt' er sich an seinen jüngeren Be¬

hinlaufenden Weg einbog, der weiterhin ſeine Rich¬
tung auf Plötzenſee zu nahm. Dabei kam ihm der
Tag wieder in Erinnerung, an dem er hier auch
herumgeritten war, um ſich Muth für den Abſchied
von Lene zu gewinnen, für den Abſchied, der ihm
ſo ſchwer ward und der doch ſein mußte. Das
war nun drei Jahre. Was lag alles dazwiſchen?
Viel Freude; gewiß. Aber es war doch keine rechte
Freude geweſen. Ein Bonbon, nicht viel mehr.
Und wer kann von Süßigkeiten leben!

Er hing dem noch nach, als er auf einem von
der Jungfernhaide her nach dem Kanal hinüber¬
führenden Reitwege zwei Kameraden herankommen
ſah, Ulanen, wie die deutlich erkennbaren Czapkas
ſchon von fernher verriethen. Aber wer waren ſie?
Freilich, die Zweifel auch darüber konnten nicht
lange währen und noch ehe man ſich von hüben
und drüben bis auf hundert Schritte genähert hatte,
ſah Botho, daß es die Rexins waren, Vettern und
beide vom ſelben Regiment.

„Ah, Rienäcker,“ ſagte der Aeltere. „Wohin?“

„So weit der Himmel blau iſt.“

„Das iſt mir zu weit.“

„Nun dann bis Saatwinkel.“

„Das läßt ſich hören. Da bin ich mit von der
Partie, vorausgeſetzt, daß ich nicht ſtöre. . . Kurt
(und hiermit wandt' er ſich an ſeinen jüngeren Be¬

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[255/0265] hinlaufenden Weg einbog, der weiterhin ſeine Rich¬ tung auf Plötzenſee zu nahm. Dabei kam ihm der Tag wieder in Erinnerung, an dem er hier auch herumgeritten war, um ſich Muth für den Abſchied von Lene zu gewinnen, für den Abſchied, der ihm ſo ſchwer ward und der doch ſein mußte. Das war nun drei Jahre. Was lag alles dazwiſchen? Viel Freude; gewiß. Aber es war doch keine rechte Freude geweſen. Ein Bonbon, nicht viel mehr. Und wer kann von Süßigkeiten leben! Er hing dem noch nach, als er auf einem von der Jungfernhaide her nach dem Kanal hinüber¬ führenden Reitwege zwei Kameraden herankommen ſah, Ulanen, wie die deutlich erkennbaren Czapkas ſchon von fernher verriethen. Aber wer waren ſie? Freilich, die Zweifel auch darüber konnten nicht lange währen und noch ehe man ſich von hüben und drüben bis auf hundert Schritte genähert hatte, ſah Botho, daß es die Rexins waren, Vettern und beide vom ſelben Regiment. „Ah, Rienäcker,“ ſagte der Aeltere. „Wohin?“ „So weit der Himmel blau iſt.“ „Das iſt mir zu weit.“ „Nun dann bis Saatwinkel.“ „Das läßt ſich hören. Da bin ich mit von der Partie, vorausgeſetzt, daß ich nicht ſtöre. . . Kurt (und hiermit wandt' er ſich an ſeinen jüngeren Be¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/265>, abgerufen am 24.11.2024.