Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851.Das Jahr ist um, und Anne spricht: "Gott, diese Herzensleere Trag ich geduldig länger nicht, Und kostet's Ruf und Ehre; Die Eltern hab ich kaum gekannt, Niemals ein Herze mein genannt, -- Ich will ein Herz besitzen. Und als der Sonntag Abend kam
Da ging sie hin zum Tanze, Sie fragte nichts nach Schand' und Scham, Und nichts nach ihrem Kranze, -- Sie suchte sich den Hübsch'sten aus, Und nahm ihn keck mit sich nach Haus; -- Es war ihr fester Wille. 6*
Das Jahr iſt um, und Anne ſpricht: „Gott, dieſe Herzensleere Trag ich geduldig länger nicht, Und koſtet’s Ruf und Ehre; Die Eltern hab ich kaum gekannt, Niemals ein Herze mein genannt, — Ich will ein Herz beſitzen. Und als der Sonntag Abend kam
Da ging ſie hin zum Tanze, Sie fragte nichts nach Schand’ und Scham, Und nichts nach ihrem Kranze, — Sie ſuchte ſich den Hübſch’ſten aus, Und nahm ihn keck mit ſich nach Haus; — Es war ihr feſter Wille. 6*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0137" n="123"/> </l> <lg n="4"> <l>Das Jahr iſt um, und Anne ſpricht:</l><lb/> <l>„Gott, dieſe Herzensleere</l><lb/> <l>Trag ich geduldig länger nicht,</l><lb/> <l>Und koſtet’s Ruf und Ehre;</l><lb/> <l>Die Eltern hab ich kaum gekannt,</l><lb/> <l>Niemals ein Herze mein genannt, —</l><lb/> <l>Ich <hi rendition="#g">will</hi> ein Herz beſitzen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und als der Sonntag Abend kam</l><lb/> <l>Da ging ſie hin zum Tanze,</l><lb/> <l>Sie fragte nichts nach Schand’ und Scham,</l><lb/> <l>Und nichts nach ihrem Kranze, —</l><lb/> <l>Sie ſuchte ſich den Hübſch’ſten aus,</l><lb/> <l>Und nahm ihn keck mit ſich nach Haus; —</l><lb/> <l>Es war ihr feſter Wille.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0137]
Das Jahr iſt um, und Anne ſpricht:
„Gott, dieſe Herzensleere
Trag ich geduldig länger nicht,
Und koſtet’s Ruf und Ehre;
Die Eltern hab ich kaum gekannt,
Niemals ein Herze mein genannt, —
Ich will ein Herz beſitzen.
Und als der Sonntag Abend kam
Da ging ſie hin zum Tanze,
Sie fragte nichts nach Schand’ und Scham,
Und nichts nach ihrem Kranze, —
Sie ſuchte ſich den Hübſch’ſten aus,
Und nahm ihn keck mit ſich nach Haus; —
Es war ihr feſter Wille.
6*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851/137 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851/137>, abgerufen am 16.02.2025. |