Erſter Akt.
Der König. Van Dyk.
Zimmer des Königs. Auf einem Stuhl, ſeitwärts vom
König, ſteht das Bild der Königin, von Van Dyk
gemalt. Der Maler ſelbſt, der das Bild eben ge-
bracht, in einiger Entfernung hinter dem König.
König.
Der Meiſter hat ſich neu bewährt; das iſt
Kein Bild der Königin, das iſt ſie ſelbſt.
Van Dyk. (ſich verbeugend)
Ein liebend Auge iſt ein milder Richter,
Ihr lobt das Bild, weil Ihr ſein Vorbild liebt.
König.
O, Niemand weiß es beſſer als ihr Maler:
Der Liebe Blindheit hat die ſchärfſten Augen.
Wir überſehn die Blattern des Geſichts,
Sind blind für alle Mängel der Natur,
Und doch, wenn auf dem Bildniß unſrer Schönen
Das Grübchen fehlt, das ſie beim Lächeln zeigt,
So merken wir’s, und nennen voll Entrüſtung
Des Meiſters Werk — elende Stümperei.
Van Dyk.
Kann ſein daß mir die Stunde günſtig war,
Auch malt’ ich mit beſondrer Luſt und Liebe:
Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken
„Es gilt der Tochter einer Medicis“; —
Dem ganzen Hauſe malt’ ich dieſes Bild,
Ein Künſtlerdank an alle Mediceer.
König.
Die Völker fühlen anders.
Van Dyk.
Volk und Kunſt
Sind jetzt Geſchwiſter, die ſich nicht verſtehn;
Es zieht ein jedes ſeine eigne Straße.
König.
Ein wahres Wort! und glücklich alle Kunſt,
Die unberührt vom Schmutz und Schlamm des
Lebens,
Taub für den Haß und Wirrwarr der Parthein,
Den Maſſen fern, — die eignen Pfade zieht.
Und glücklich Ihr, die Ihr der Schönheit dient!
Euch bindet nicht des Landes enge Grenze,
Nur in zwei Völker theilt ſich Euch die Welt:
In geiſtig Sehende und geiſtig Blinde.
Die Einen fliegen jubelnd Euch entgegen,
Die Andern wiſſen kaum es, daß ihr ſeid,
Und ſo, vor aller Niedrigkeit geborgen,
Löſt Ihr das Räthſel, ungehaſſt vom Pöbel,
Der Guten Freund, der Beſten — Stolz zu ſein.
Van Dyk.
Wohl, alle Kunſt iſt ein Geſchenk des Himmels,
Und Dankbarkeit des Auserwählten Pflicht,
Doch haben wir auch unſre ſchweren Stunden.
Den jungen Ruhm vergiftet uns der Neid,
Die eigne Kraft betrachten wir voll Zweifel,
Und was ſo leicht ſich und natürlich giebt,
Als wär’ das Werk uns in den Schooß gefallen,
Das rang in uns oft jahrelang nach Form,
Und manches Wehe — —
König. (ihn unterbrechend)
Hört Ihr drauß den Lärm?!
Nicht Ruh nicht Raſt in meinem eignen Haus!
Van Dyk — ich ſeh Euch wieder! Tag um Tag
Beſtürmt mich jetzt das Volk, und ſeine Bitten
Sind nicht viel anders wie Befehle. Gott
Zum Gruß, nochmals — lebt wohl!
(Van Dyk ab.)
(Die Königin raſch und in höchſter Aufregung
eintretend.)
König.
Was giebt’s Marie?
Königin.
Es iſt empörend!
König.
Was empört Dich? ſprich.
Königin.
Das City-Volk iſt wieder auf den Beinen —
König.
Und wie ein Zerrbild auf Geſetz und Recht,
Schreit es: Gerechtigkeit, Gerechtigkeit!
Ich kenn’ ſie ſchon die neuen Themis-Prieſter
Mit nackten Armen und geſchwungner Axt.
Wem gilt es heut?
Königin.
Ach, meiner armen Mutter.
Durch Ränkekunſt vom eignen Herd verbannt,
Sucht Schutz ſie bei der königlichen Tochter,
Doch ärmer als des ärmſten Mannes Weib,
Hab’ ich kein Obdach für die eigne Mutter.
König.
Was ſoll’s mit ihr?
Königin.
Fort ſoll ſie aus dem Land.
„Weg die Papiſtin, weg den Antichriſt,
Weg mit dem Buhlweib Herzog Buckingham’s!“
So ſchrein die Raſenden, und Späße hört’ ich,
Die alle Sitt’ und Scham mit Füßen treten.
Sonſt ſtirbt der Haß mit des Verhaßten Glück,
Nur dieſes Volk geizt nach der Schanden-Ehre
Für alles Mitleid taub und todt zu ſein;
Zu altem Haß geſell’n ſie neuen Spott,
Und roher als das rohſte Volk der Wüſte,
Mißachten ſie des Gaſtes heilig Recht.
König.
Wär’ Strafford da!
Königin.
Nenn’ mir den Namen nicht.
Er hat die Hand im Spiel; ich weiß es ſicher.
König.
So iſt er hier?
Königin.
Seit geſtern ſchon.
(Ein Diener tritt ein.)
Diener. (anmeldend)
Graf Strafford, — Majeſtät.
(Diener ab.)
(Strafford tritt ein und eilt auf den König zu.)
Strafford. (mit Wärme)
Mein Herr und König!
(er küſſt des Königs Hand und verbeugt ſich dann
gemeſſen gegen die Königin.)
König.
Gegrüßt Mylord! Ich wähnt Euch noch in Irland,
Von langer, ſchwerer Krankheit kaum erſtanden,
Doch Strafford iſt der alte; er genas
Aus Luſt und Liebe ſeinem Herrn zu dienen.
Strafford.
Ihr ſprecht es aus; krank traf mich Euer Brief,
Ich las: Ihr rieft mich, — und ich war geneſen.
Seit geſtern bin ich hier; o, wär’ ich’s länger:
Bei Freund und Feind welch’ Wechſel der Er-
ſcheinung!
Der Feinde Haß, ohnmächtig ſonſt vor Furcht,
Jetzt prahlt er ſchier in offnem Widerſtande, —
Und ſchlimmer noch: des Argwohns Rattenzahn
Nagt an der Freunde Herz.
König.
Vor allem, Graf,
Saht Ihr das freche Treiben vor dem Schloß?
Strafford.
All dieſes Treiben iſt nur Wiederhall,
Iſt nur Symptom der Krankheit, nicht ſie ſelbſt,
Die Krankheit ſelber nennt ſich — Parlament.
Das iſt die Amme, die den Zwieſpalt ſäugt,
Das iſt die Wurzel, die den Giftbaum trägt,
Und, allen Stolz wegwerfend aus der Bruſt,
Sprech ich zu jedem Feinde: „ſei mein Freund“,
Um dieſen Urfeind ſichrer zu vernichten.
König.
Ich lieb ihn nicht; doch was zumeiſt ich haſſe,
Das iſt dies Straßenparlament, das täglich
Mit drohenden Fäuſten jetzt Geſetze macht.
Wie ſtand es draußen?
Strafford.
Leer iſt Hof und Platz.
Des Schloſſes Wache griff die lautſten Schreier, —
Der Reſt zerſtob wie Spreu.
Königin. (lebhaft)
Und die Gefangenen?
Strafford.
Sind noch in Haft.
Königin. (heftig)
Sie müſſen an den Pranger.
Strafford.
Das gäb’ ein Martyrthum, wär’ ein Triumph;
Sie würden Blumen erndten ſtatt der Schande.
Königin.
So laßt ſie peitſchen.
Strafford.
Gnäd’ge Königin,
Wir haben andre Feinde zu bekämpfen.
Mein Rath iſt: gebt ſie frei, — und mehr als das:
Gebt ihrem Wunſch Gehör.
König.
Ich faſſ’ Euch nicht.
Ihr könnt nicht meinen, Graf, —
Strafford.
Der Königin Mutter
Muß aus dem Land.
Königin.
Wie?!
König.
Mylord Strafford, traun,
Nachgiebigkeit war ſonſt nicht Eure Tugend.
Strafford.
Und iſt es nicht; was Euch ſo ſcheinen mag
Iſt Pflicht der Klugheit, iſt — Nothwendigkeit.
König.
Die Klugheit heiſcht nur eins: dem Unfug ſteuern,
Ziel ſetzen dieſem maaßlos frechen Fordern.
Strafford.
Des Volkes Fordrung iſt nicht frech an ſich,
Es war’s die Art und Weiſe nur, die Form,
Das Wie war ſträflich, aber nicht das Was.
Hört auf dies „Was“. Der Feind iſt ſtark;
wir brauchen
Vertrauen jetzt, wir brauchen Bundsgenoſſen:
Des Volkes Lieb’ und Treu’, um jeden Preis;
Der Königin Mutter aber (ſei’s geklagt!)
Iſt unſrem Volk verhaſſt.
König.
Sagt unſrem Pöbel.
Strafford.
Des Pöbels Stimme dürfen wir verachten,
So lang es eben Pöbel nur, was ſchreit.
Doch wenn ein ganzes Volk dahinterſteht,
Und jene rohe Menge nur die Zunge
Dem Wunſch und Willen aller Herzen leiht,
Dann iſt es Zeit auf ſolchen Ruf zu achten,
Und dieſe Stunde kam. — Auf meiner Fahrt
Jüngſt durch die Weſtprovinzen dieſes Lands,
In Cheſter, Warwick, Oxford, Shrewsbury,
All überall, am Weg, in Dorf und Stadt,
Stand man in Gruppen, ſchüttelte den Kopf,
Und trat ich näher, ſtets derſelbe Name
„Marie von Medicis“, — dieſelben Flüche,
Und ſtets derſelbe Ruf: „fort muß ſie, fort“.
Das war der Pöbel nicht, das war das Volk,
Und dieſes Volk und ſeine gute Meinung
Das brauchen wir, das fiel entſcheidungsvoll
Noch immer in des Kampfes Wage, und
Wohin ſich’s neiget, neigt ſich auch der Sieg.
Königin.
Genug, Mylord! Ihr müht umſonſt Euch ab
Des Staatsmanns Ernſt und Würde zu erkünſteln,
Zu thun, als knüpfe ſich das Wohl des Lands
An meiner Mutter Bleiben oder Gehn.
Sie ſoll nicht fort um Ruh und Friedens willen,
Nicht fort, weil Pöbel oder Volk es fordert,
Sie ſoll nur fort weil es Graf Strafford will.
Verletzte Eitelkeit ſchreit laut um Rache:
Ihr denkt des Tages noch, wo meine Mutter
„Land-Edelmann“ in bittrem Scherz Euch nannte.
Doch Eitelkeit iſt nur der ſtumpfre Sporn,
Der Herrſchſucht Stachel ſetzt Euch ſchärfer zu,
Erproben möchtet Ihr an dieſem Fall
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All Eure Ausſicht auf Allmächtigkeit.
Ein kranker Stolz hat Euer Herz vergiftet;
Die Liebe ſelbſt zu Eurem Herrn und König
Iſt nur ein Kind des Hochmuths dem Ihr dient,
Und meiner Liebe Macht und Einfluß fürchtend,
Haſſt Ihr mich ſchon, weil mich der König liebt.
Thut, was Ihr müſſt, nur ſchonet meine Mutter,
Sonſt Graf, ſo wahr ich meiner Mutter Tochter,
Ich denk’ es Euch.
(ab.)
König.
Mylord, nicht Fürſten nur,
Auch Völker kennen Eigenſinn und Laune.
Welch’ Makel haftet an der Königin Mutter?!
Iſt es der bloße Name „Medicis“?
Wie, oder geht das ewige Geſpenſt —
Die Furcht vor Rom und ſeinem Pabſtthum wieder
Durch’s ganze Land?
Strafford.
Hört, was ich ſelbſt vernahm.
Zu Coventry, es war am hellen Tag,
Sprang Einer aus dem Volk auf eine Tonne.
„Landsleute, — rief er — hört ein Stückchen noch
Von einer Medicis und Königin Mutter; —
Hieß Katharine zwar, und nicht Marie,
Doch welcher Apfel fiele weit vom Stamm!
Bluthochzeit feierte die Stadt Paris,
Der Glocke Zeichen war in Nacht verklungen,
Und durch die Straßen, wie gehetztes Wild,
Wehſchreiend, betend floh der Hugenott.
Schon zog ein Blutſtreif durch den Seine-Fluß,
Schon lag verſtümmelt, ſiebenfach durchbohrt,
Auf offnem Platz der greiſe Coligny,
Und immer noch, den Mord zum Morde
mahnend,
„Laßt Ader!“ ſchrie der tückiſche Tavannes.
Im Schloſſe aber, das ſie Louvre nennen,
An jener hohen Bogenfenſter einem,
Stand König Karl, der neunte ſeines Namens,
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Und zitterte. Der ungeheure Frevel
Griff ihm in’s Herz. Trotz Licht und Fackelglanz,
Nacht war’s um ihn. Er warf die Büchſe fort;
„Ich kann nicht ſchießen, Mutter!“ rief der
König.
Da trat ein Weib hervor, ſchwarz war ihr Haar,
Schwarz wie der Sammet ihres Schleppenkleides,
Und ihrem Aug’ entflammte tiefre Gluth,
Als dem Rubin der ihr am Nacken blitzte.
„Biſt Du ein Mann!“ ſo raunte ſie ihm zu,
Ein König und — ſo feig? ich mag’s nicht
glauben!“
Das zündete. Der Fürſt, in falſcher Scham
Ergriff er neu das Rohr, ſie aber rief:
„Schau dort das Weib, das Hugenottenweib, —
Sie flieht und birgt den Säugling an der
Bruſt, —
Zertritt das Raupenneſt!“ Der König ſchoß;
Ein Wehſchrei klang herauf; doch die Entmenſchte
Schlug in die Hand und lachte: „brav, mein
Sohn!“
Und dieſes Weib — und nun geht ſtill nach
Haus —
War eine Medicis und Königin Mutter.“
So ſprach der Mann (es war zu Coventry)
Und ſprang herab; ich aber fuhr des Wegs.
König.
Und ward kein Beifall laut? trug man den
Sprecher
Nicht im Triumph nach Haus? ſchwur nicht
ein Jeder,
Vom feiſten Höker bis zum Bettelbuben,
Für ſeinen Glauben einzuſtehn? die Thoren,
Als ſei ihr Glauben in Gefahr! ſo aber
Iſt dieſes Volk: ſein Denken all und Fühlen,
Sein Heiligſtes, ein Spielball iſt’s in Händen
Fanat’ſcher Prieſter, oder ſchlimmer noch,
Ehrgeiz’ger Gaukler die ihr Fach verſtehn.
Der Mann, der da herab von ſeiner Tonne,
Mit jedem Wort die Saat des Haſſes ſtreute,
Was gab er mehr als Worte? welche Schuld
Warf er der Königin Mutter vor die Füße?
Was war es? nichts! ihr Name — ihre Schuld.
Strafford.
Das eben iſt’s; da lebt uns die Gefahr,
Daß jeder Scheingrund gläubge Hörer findet,
Daß alles Volk, von Argwohn wie beſtrickt,
Das Tollſte glaubt, nicht weil es glaubhaft wäre,
Nein, eben deshalb weil’s unglaublich iſt.
Schon flüſtert man von einer Hofverſchwörung,
Ihr — heißt es — ſeid im Herzen Katholik,
Und neu-errichtet ſehn viel Tauſend ſchon
Die Scheiterhaufen der Maria Tudor
Durch dieſe mediceiſche Marie.
Des Mißtrauens Neſſel wuchert durch das Land,
Und dieſes Unkraut aus den Seelen reißen,
Das kann kein Wort, das kann nur — eine That.
König.
Weh aller Zeit — und es iſt unſre Zeit —
Wo des Vertrauens Brücke abgebrochen,
Die zwiſchen Volk und Fürſtenherz ſich ſchlug;
Wo Königswort ein leerer Schall geworden,
Ein tönend Erz und einer Schelle Klang.
Des Volkes Furcht iſt Wahn! und doch, ich fühl’ es,
Was Argwohn eingeätzt in die Gemüther,
Das wiſcht man nicht mit Worten aus der Bruſt;
So ſei’s denn eine That; ſei’s denn ein Opfer:
Der Königin Mutter geht!
Strafford.
Glück auf, zum Sieg!
Aus dem Entſchluß wächſt uns ein ganzes Heer.
Traun, wie bei Azincourt, auf blut’gem Feld,
Die Geiſter einſt der Helden von Crecy
Die Lücken ſtopften und zum Sieg uns führten, —
So fechten jetzt für uns die guten Geiſter
Neu auferweckter Lieb’ und Treu. — Und nun
An’s Parlament, — es darf nicht län-
ger leben!
König.
Kein Ueberſtürzen, Graf! der Schritt iſt ernſt.
Das raſche Zürnen unſrer früh’ren Jahre,
Das, Mal auf Mal, die trotz’gen Parlamente
Uns löſen ließ, — es hat nicht eingeſchüchtert,
Es hat erbittert nur. Nein, nein, Mylord!
Das Mißtrauen, das Ihr wegzutilgen trachtet,
So ſtreut Ihr’s nur mit vollern Händen aus,
Denn eiferſüchtig bis zum eignen Schaden,
— Das Beſte ſelbſt noch als ein Schlimmes
deutend, —
Wie ſeinen Glauben unſer Volk bewacht,
Bewacht es auch ſein Recht.
Strafford.
Sein Recht? das ſoll’s!
Doch das iſt keines von des Volkes Rechten,
Daß, wenn durch Liſt und Mißbrauch aller Art,
Des Landes puritanſche Conventikel
In’s Parlament (das Volkesſtimme ſei)
Mit Bibelſprüchen ſich hineingezetert, —
Daß wir vor ſolchem Echo von Sektirern
In Ehrfurcht ſtehn, wie vor Orakelſprüchen.
Das Wohl des Volkes iſt ſein höchſtes Recht,
Und in dem Rechte wurzelt unſer Recht,
Die Axt an ſolchen faulen Stamm zu legen.
König.
Und wenn’s geſchäh’, was führt dann den Beweis
Klar und handgreiflich vor des Argwohns Augen,
Daß Liebe nur zu Volk und Land, nicht aber
Engherzger Haß zu dieſem Schritt uns trieb!
Glaubt Ihr, Mylord, daß jenes Bleigewicht,
Was dieſes Parlamentes Filzerei
All unſren Plänen an die Flügel hängt, —
Daß all die Steine, die ſein Widerſprechen
Bei jedem Schritt uns vor die Füße rollt, —
Daß all ſein Pfeile-ſchießen giftgen Spottes,
Sein uns mit Koth-bewerfen plumper Späße, —
Daß alles das uns in des Volkes Augen
Ein Recht verleiht die Läſtgen abzuſchütteln?!
Nein, an dem Spiel erquickt ſich nur das Volk,
Erlabt ſich dran, daß wir, die Hochbeglückten,
Auch unſren Hemmſchuh an den Füßen tragen,
Und eh’ Ihr nicht mit etwas Ungeheurem
An ihre Seele klopft und ſprecht: „ſeht her!
Die ihr „Vertreter“ nennt, — es ſind Ver-
räther“;
Eh’ glückt es nicht. —
Strafford.
Drum eben glückt es, — leſt!
(er überreicht dem König ein Papier)
Ein Ungefähr verſchafft uns dieſen Brief.
Der Zufall iſt oft klüger als die Klügſten,
Und überliſtet hämiſch noch die Liſt.
(während der König lieſt, mit immer ſteigender
Lebendigkeit)
Jetzt haben wir die Füchſe all im Eiſen,
Die Pym’s, die Hampden’s und die Harriſon’s!
Verrath liegt klar zu Tag! das Schottenheer,
Das immer noch an unſrer Grenze lungert,
Hier dieſer Brief nennt es: „viel-liebe Brüder“
Und ladet gaſtlich, Wort um Wort, es ein,
An unſres Landes Tiſche ſich zu ſetzen.
Das iſt Verrath auch in des Volkes Augen!
So gradezu den Feind herbeizurufen,
Und mit ihm Krieg und ſeine tauſend Wunden,
Das öffnet aller Augen.
König.
Ihr vergeſſt,
(In zürnender Entrüſtung, die ich theile,)
Fünf Namen nur verräth uns dieſes Blatt:
Pym, Hampden, Hollis, Cromwell, Harriſon.
Die That iſt ihre That; das Parlament
Hat keinen Theil daran.
Strafford.
Es wird ihn haben.
Auswirk’ ich heute noch im Haus der Lords,
Noch dieſe Stunde, den Verhaftsbefehl;
Mit dem Befehl dann hin in’s Unterhaus,
Vom Hauſe ſelber dieſe fünf zu fordern.
Wenn ſich’s dann weigert, — und es wird ſich
weigern,
Sich ſträuben, wie der Leib ſich ſträubt die Seele,
In der ſein Leben wurzelt, wegzugeben, —
Dann Sieg! Hintretend vor Alt-Englands Volk,
Abreißend dieſen Heuchlern ihre Maske,
Erklären wir dies Schelmen-Parlament
Für aufgelöſt; und wenn dann unſer Land,
— Rundköpfge Pſalmenſänger ausgenommen —
Nicht „Amen“ ſpricht, und nicht aus voller
Kehle
„Hoch leb’ der König!“ ruft, ſo nennt es Lüge
Nenn ich mich je noch Euren treuſten Diener.
König.
Rundköpfge Pſalmenſänger, wie Ihr ſagt,
Uns lebt davon ein gutes Theil im Lande.
Sie werden um ihr Parlament ſich ſchaaren,
Und wenn die Schotten dann die Waffenruhe
In alter, guter Schottentreue brechen —
Strafford.
So ſind, geſtützt auf unſer Volk und Recht,
Wir dieſem Feind wie jedem Feind gewachſen.
Die iriſche Armee iſt treu: wir werfen
Von Belfaſt und Dublin zehntauſend Mann
Kerntruppen ’rüber an die ſchottſche Küſte,
Und wenn ſich’s hier am eignen Herde regt,
So haben wir auch hier noch Regimenter,
Die nur des Zeichens harrn —
König. (geſpannt)
Glaubt Ihr das ſicher?
Strafford.
So ſicher wie an meine Schuld ich glaube,
Und an Vergebung meiner Schuld. Hört ſelbſt:
Goring und Bloomingfield, zwei Oberſten,
Harrn in der Halle draus und bitten dringend
Um Audienz, im Auftrag ihrer Corps’s.
Gefall’ es Euch ſie vorzulaſſen.
König. (indem er klingelt)
Gern!
(zum hereintretenden Diener:)
Die Oberſten!
(Die Oberſten treten ein)
Ah, Oberſt Bloomingfield!
Ich ſah zu Berwick Euch, im vor’gen Herbſt,
Als wir den Schotten gegenüberſtanden.
Ein ſtattlich Regiment das Eure! Sagt,
Wie ſteht’s um Geiſt und Stimmung in der
Truppe?
Bloomingfield.
Schlecht, Majeſtät!
König.
Schlecht, Oberſt? Sprecht, wie das?!
Bloomingfield.
Schlecht Majeſtät, weil man uns ganz vergiſſt,
Uns Sold bezahlt um — Nichts, anſtatt der Treue
Doch auch ein Wort, ein Wort mit hier zu
gönnen.
(er ſchlägt mit ganzer Hand an ſeinen Degen.)
Wir denken ſo: wie lange wird dies Neſt
Von Rechtsverdrehern und von Krämerſeelen,
— Dienſtfertige Narren nennen’s Parlament —
Noch unſrem Herrn in ſeiner Krone ſitzen?
Und unſer Tiſch- und unſer Nacht-Gebet
Heißt immer: Gott erleuchte unſren König,
Daß er, wie unſer Heiland einſt vor Zeiten,
Die Schachrer alle aus dem Tempel jagt.
König.
Topp, Bloomingfield, wie auch ihr Ausdruck ſei,
Ich weiß die Treue jederzeit zu ſchätzen,
Und mit dem Herzen hört’ ich, was Ihr ſpracht. —
Euch Oberſt Goring, ſtaun’ ich faſt zu ſehn:
Vom Grafen Eſſex hört’ ich geſtern noch,
Ihr wär’t mit Leib und Seele Puritaner.
Goring.
Das bin ich, Majeſtät; vor allen aber
Bin ich Soldat; und was ich ſonſt auch glaube,
Zuvörderſt glaub’ an Gott ich und — den König.
König.
Das nenn ich brav geſprochen! nun, Ihr Herrn,
Was führt Euch her? ein Wunſch aus ſolchen
Herzen
Trägt die Gewähr in ſich.
Bloomingfield.
Das wolle Gott!
Wir haben hier ein Blatt zu recht geſchriftet,
Und bitten Eure Königlichen Gnaden,
Zu Troſt und Hoffnung aller treuen Diener,
Dies Blatt zu unterſchreiben. Inhalt lautet:
— Das heißt der langen Rede kurzer Sinn —
„Ich Unterzeichneter, der König Karl,
Will wieder König ſein in meinen Landen,
Was ich hiemit kund und zu wiſſen thu.“
König. (lachend)
Habt Ihr das je bezweifelt! dachtet Ihr
Ich könnte je, gleich jenem Kaiſer Karl,
Mein Diadem mit der Tonſur vertauſchen?
Bloomingfield.
Schreibt, Majeſtät; ’s wirkt beſſer ſchwarz
auf weiß.
König. (heiter)
Es mag drum ſein!
(er unterſchreibt.)
Nun Bloomingfield, nehmt hin!
Wir werden Eures Arms und Eurer Treue
Gar bald bedürfen, — ſagt das Euren Corps’s,
Und damit Gott befohlen!
(Die Oberſten ab.)
Strafford, traun,
Wir haben Schätze noch trotz leeren Schatzes!
Des alten Graubarts ungeſchlachtet Wort
Ging wie ein Becher Wein mir durch die Seele.
Ihr aber blickt ſo finſter; was geſchah?
Strafford.
Ein Nichts, und doch ein Etwas, — wie
Ihr wollt.
Mein Blick fiel eben auf das Bild: es lachte;
Mir ging dies Lachen auch durch meine Seele.
König.
Strafford, was ſicht Euch an?
Strafford.
(ſtürmiſch die Hand des Konigs faſſend)
Mein Herr und König,
Wenn dieſe Hand zum letzten Mal ich küſſte!
König. (voll Theilnahme)
Ihr ſeid noch krank, Mylord!
Strafford.
Mir ahnt Gefahr; —
Verſchworen hat der Haß ſich meiner Feinde,
Ich weiß es, ihre Fallen ſind geſtellt:
Sie oder ich, — ſo ſteht das Spiel.
(er ſchweigt einen Augenblick, dann in höchſter
Aufgeregtheit:)
Was auch geſcheh’,
Man kann an’s Leben mir, nicht an die Treue. —
Und nun in’s Haus der Lords!
(ab.)
König.
Behüt’ Euch Gott!
(er ſieht ihm nach, dann nach einer Pauſe:)
O, weckte doch ein Abglanz ſolcher Treue
In allen Herzen, drin der Argwohn wintert,
Wie Sonnenblick, den Frühling des Vertrauens.
Vertrauen, ſchönſter Stein in Königskronen,
Du Mutter aller Liebe, und ihr Kind,
Du einzig Pfühl, auf dem wir ſorglos ſchlummern,
Ich rufe Dich, kehr’ wieder in dies Land!
Es giebt kein Glück, wo Du den Rücken wandteſt,
Es giebt kein Unglück — lächelſt Du auf’s Neu;
Laß ſiegen mich mit Dir in Friedensſchlachten,
Ein Sieg nur über Herzen iſt ein Sieg.