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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Ich habe 'mal ein Bilderbuch gehabt, wo ein per¬
sischer oder indischer Fürst (denn er trug einen
Turban) mit untergeschlagenen Beinen auf einem
roten Seidenkissen saß, und in seinem Rücken war
außerdem noch eine große rote Seidenrolle, die links
und rechts ganz bauschig zum Vorschein kam, und
die Wand hinter dem indischen Fürsten starrte von
Schwertern und Dolchen und Parderfellen und
Schilden und langen türkischen Flinten. Und sieh,
ganz so sieht es hier bei Dir aus, und wenn Du
noch die Beine unterschlägst, ist die Ähnlichkeit voll¬
kommen."

"Effi, Du bist ein entzückendes, liebes Geschöpf.
Du weißt gar nicht, wie sehr ich's finde und wie
gern ich Dir in jedem Augenblicke zeigen möchte,
daß ich's finde."

"Nun, dazu ist ja noch vollauf Zeit; ich bin
ja erst siebzehn und habe noch nicht vor, zu sterben."

"Wenigstens nicht vor mir. Freilich, wenn ich
dann stürbe, nähme ich Dich am liebsten mit. Ich will
Dich keinem andern lassen; was meinst Du dazu?"

"Das muß ich mir doch noch überlegen. Oder
lieber, lassen wir's überhaupt. Ich spreche nicht
gern von Tod, ich bin für Leben. Und nun sage
mir, wie leben wir hier? Du hast mir unterwegs
allerlei Sonderbares von Stadt und Land erzählt,

Effi Brieſt
Ich habe 'mal ein Bilderbuch gehabt, wo ein per¬
ſiſcher oder indiſcher Fürſt (denn er trug einen
Turban) mit untergeſchlagenen Beinen auf einem
roten Seidenkiſſen ſaß, und in ſeinem Rücken war
außerdem noch eine große rote Seidenrolle, die links
und rechts ganz bauſchig zum Vorſchein kam, und
die Wand hinter dem indiſchen Fürſten ſtarrte von
Schwertern und Dolchen und Parderfellen und
Schilden und langen türkiſchen Flinten. Und ſieh,
ganz ſo ſieht es hier bei Dir aus, und wenn Du
noch die Beine unterſchlägſt, iſt die Ähnlichkeit voll¬
kommen.“

„Effi, Du biſt ein entzückendes, liebes Geſchöpf.
Du weißt gar nicht, wie ſehr ich's finde und wie
gern ich Dir in jedem Augenblicke zeigen möchte,
daß ich's finde.“

„Nun, dazu iſt ja noch vollauf Zeit; ich bin
ja erſt ſiebzehn und habe noch nicht vor, zu ſterben.“

„Wenigſtens nicht vor mir. Freilich, wenn ich
dann ſtürbe, nähme ich Dich am liebſten mit. Ich will
Dich keinem andern laſſen; was meinſt Du dazu?“

„Das muß ich mir doch noch überlegen. Oder
lieber, laſſen wir's überhaupt. Ich ſpreche nicht
gern von Tod, ich bin für Leben. Und nun ſage
mir, wie leben wir hier? Du haſt mir unterwegs
allerlei Sonderbares von Stadt und Land erzählt,

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[89/0098] Effi Brieſt Ich habe 'mal ein Bilderbuch gehabt, wo ein per¬ ſiſcher oder indiſcher Fürſt (denn er trug einen Turban) mit untergeſchlagenen Beinen auf einem roten Seidenkiſſen ſaß, und in ſeinem Rücken war außerdem noch eine große rote Seidenrolle, die links und rechts ganz bauſchig zum Vorſchein kam, und die Wand hinter dem indiſchen Fürſten ſtarrte von Schwertern und Dolchen und Parderfellen und Schilden und langen türkiſchen Flinten. Und ſieh, ganz ſo ſieht es hier bei Dir aus, und wenn Du noch die Beine unterſchlägſt, iſt die Ähnlichkeit voll¬ kommen.“ „Effi, Du biſt ein entzückendes, liebes Geſchöpf. Du weißt gar nicht, wie ſehr ich's finde und wie gern ich Dir in jedem Augenblicke zeigen möchte, daß ich's finde.“ „Nun, dazu iſt ja noch vollauf Zeit; ich bin ja erſt ſiebzehn und habe noch nicht vor, zu ſterben.“ „Wenigſtens nicht vor mir. Freilich, wenn ich dann ſtürbe, nähme ich Dich am liebſten mit. Ich will Dich keinem andern laſſen; was meinſt Du dazu?“ „Das muß ich mir doch noch überlegen. Oder lieber, laſſen wir's überhaupt. Ich ſpreche nicht gern von Tod, ich bin für Leben. Und nun ſage mir, wie leben wir hier? Du haſt mir unterwegs allerlei Sonderbares von Stadt und Land erzählt,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/98>, abgerufen am 18.12.2024.