seine Stirn und empfand schmerzlich, daß es ein Glück gebe, daß er es gehabt, aber daß er es nicht mehr habe und nicht mehr haben könne.
Johanna trat ein und meldete: "Geheimrat Wüllersdorf."
Dieser stand schon auf der Thürschwelle. "Gratu¬ liere, Innstetten."
"Ihnen glaub' ich's; die anderen werden sich ärgern. Im übrigen ..."
"Im übrigen. Sie werden doch in diesem Augenblicke nicht kritteln wollen."
"Nein. Die Gnade Seiner Majestät beschämt mich, und die wohlwollende Gesinnung des Ministers, dem ich das alles verdanke, fast noch mehr."
"Aber ..."
"Aber ich habe mich zu freuen verlernt. Wenn ich es einem anderen als Ihnen sagte, so würde solche Rede für redensartlich gelten. Sie aber, Sie finden sich darin zurecht. Sehen Sie sich hier um; wie leer und öde ist das alles. Wenn die Johanna eintritt, ein sogenanntes Juwel, so wird mir angst und bange. Dieses Sich-in-Szene-setzen (und Inn¬ stetten ahmte Johanna's Haltung nach), diese halb komische Büstenplastik, die wie mit einem Spezial¬ anspruch auftritt, ich weiß nicht, ob an die Mensch¬ heit oder an mich -- ich finde das alles so trist
Effi Brieſt
ſeine Stirn und empfand ſchmerzlich, daß es ein Glück gebe, daß er es gehabt, aber daß er es nicht mehr habe und nicht mehr haben könne.
Johanna trat ein und meldete: „Geheimrat Wüllersdorf.“
Dieſer ſtand ſchon auf der Thürſchwelle. „Gratu¬ liere, Innſtetten.“
„Ihnen glaub' ich's; die anderen werden ſich ärgern. Im übrigen …“
„Im übrigen. Sie werden doch in dieſem Augenblicke nicht kritteln wollen.“
„Nein. Die Gnade Seiner Majeſtät beſchämt mich, und die wohlwollende Geſinnung des Miniſters, dem ich das alles verdanke, faſt noch mehr.“
„Aber …“
„Aber ich habe mich zu freuen verlernt. Wenn ich es einem anderen als Ihnen ſagte, ſo würde ſolche Rede für redensartlich gelten. Sie aber, Sie finden ſich darin zurecht. Sehen Sie ſich hier um; wie leer und öde iſt das alles. Wenn die Johanna eintritt, ein ſogenanntes Juwel, ſo wird mir angſt und bange. Dieſes Sich-in-Szene-ſetzen (und Inn¬ ſtetten ahmte Johanna's Haltung nach), dieſe halb komiſche Büſtenplaſtik, die wie mit einem Spezial¬ anſpruch auftritt, ich weiß nicht, ob an die Menſch¬ heit oder an mich — ich finde das alles ſo triſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0512"n="503"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>ſeine Stirn und empfand ſchmerzlich, <hirendition="#g">daß</hi> es ein<lb/>
Glück gebe, daß er es gehabt, aber daß er es nicht<lb/>
mehr habe und nicht mehr haben könne.</p><lb/><p>Johanna trat ein und meldete: „Geheimrat<lb/>
Wüllersdorf.“</p><lb/><p>Dieſer ſtand ſchon auf der Thürſchwelle. „Gratu¬<lb/>
liere, Innſtetten.“</p><lb/><p>„Ihnen glaub' ich's; die anderen werden ſich<lb/>
ärgern. Im übrigen …“</p><lb/><p>„Im übrigen. Sie werden doch in dieſem<lb/>
Augenblicke nicht kritteln wollen.“</p><lb/><p>„Nein. Die Gnade Seiner Majeſtät beſchämt<lb/>
mich, und die wohlwollende Geſinnung des Miniſters,<lb/>
dem ich das alles verdanke, faſt noch mehr.“</p><lb/><p>„Aber …“</p><lb/><p>„Aber ich habe mich zu freuen verlernt. Wenn<lb/>
ich es einem anderen als Ihnen ſagte, ſo würde<lb/>ſolche Rede für redensartlich gelten. Sie aber, Sie<lb/>
finden ſich darin zurecht. Sehen Sie ſich hier um;<lb/>
wie leer und öde iſt das alles. Wenn die Johanna<lb/>
eintritt, ein ſogenanntes Juwel, ſo wird mir angſt<lb/>
und bange. Dieſes Sich-in-Szene-ſetzen (und Inn¬<lb/>ſtetten ahmte Johanna's Haltung nach), dieſe halb<lb/>
komiſche Büſtenplaſtik, die wie mit einem Spezial¬<lb/>
anſpruch auftritt, ich weiß nicht, ob an die Menſch¬<lb/>
heit oder an mich — ich finde das alles ſo triſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[503/0512]
Effi Brieſt
ſeine Stirn und empfand ſchmerzlich, daß es ein
Glück gebe, daß er es gehabt, aber daß er es nicht
mehr habe und nicht mehr haben könne.
Johanna trat ein und meldete: „Geheimrat
Wüllersdorf.“
Dieſer ſtand ſchon auf der Thürſchwelle. „Gratu¬
liere, Innſtetten.“
„Ihnen glaub' ich's; die anderen werden ſich
ärgern. Im übrigen …“
„Im übrigen. Sie werden doch in dieſem
Augenblicke nicht kritteln wollen.“
„Nein. Die Gnade Seiner Majeſtät beſchämt
mich, und die wohlwollende Geſinnung des Miniſters,
dem ich das alles verdanke, faſt noch mehr.“
„Aber …“
„Aber ich habe mich zu freuen verlernt. Wenn
ich es einem anderen als Ihnen ſagte, ſo würde
ſolche Rede für redensartlich gelten. Sie aber, Sie
finden ſich darin zurecht. Sehen Sie ſich hier um;
wie leer und öde iſt das alles. Wenn die Johanna
eintritt, ein ſogenanntes Juwel, ſo wird mir angſt
und bange. Dieſes Sich-in-Szene-ſetzen (und Inn¬
ſtetten ahmte Johanna's Haltung nach), dieſe halb
komiſche Büſtenplaſtik, die wie mit einem Spezial¬
anſpruch auftritt, ich weiß nicht, ob an die Menſch¬
heit oder an mich — ich finde das alles ſo triſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/512>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.