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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
und mit dem Ausrufe beiseite warf: "Da liege, bis
du schwarz wirst." Wahrscheinlich war er dann
hinterher auch "schwarz" geworden, aber um viele
Tage zu spät und sicherlich ohne rechte Befriedigung
für den Empfänger. Alles, was uns Freude machen
soll, ist an Zeit und Umstände gebunden, und was
uns heute noch beglückt, ist morgen wertlos. Inn¬
stetten empfand das tief, und so gewiß ihm an
Ehren und Gunstbezeugungen von oberster Stelle
her lag, wenigstens gelegen hatte, so gewiß stand
ihm jetzt fest, es käme bei dem glänzenden Schein
der Dinge nicht viel heraus, und das, was man ,das
Glück' nenne, wenn's überhaupt existiere, sei 'was
anderes als dieser Schein. "Das Glück, wenn mir
recht ist, liegt in zweierlei: darin, daß man ganz da
steht, wo man hin gehört (aber welcher Beamte kann
das von sich sagen), und zum zweiten und besten in
einem behaglichen Abwickeln des ganz Alltäglichen,
also darin, daß man ausgeschlafen hat und daß einen
die neuen Stiefel nicht drücken. Wenn einem die
720 Minuten eines zwölfstündigen Tages ohne be¬
sonderen Ärger vergehen, so läßt sich von einem
glücklichen Tage sprechen." In einer Stimmung, die
derlei schmerzlichen Betrachtungen nachhing, war
Innstetten auch heute wieder. Er nahm nun den
zweiten Brief. Als er ihn gelesen, fuhr er über

Effi Brieſt
und mit dem Ausrufe beiſeite warf: „Da liege, bis
du ſchwarz wirſt.“ Wahrſcheinlich war er dann
hinterher auch „ſchwarz“ geworden, aber um viele
Tage zu ſpät und ſicherlich ohne rechte Befriedigung
für den Empfänger. Alles, was uns Freude machen
ſoll, iſt an Zeit und Umſtände gebunden, und was
uns heute noch beglückt, iſt morgen wertlos. Inn¬
ſtetten empfand das tief, und ſo gewiß ihm an
Ehren und Gunſtbezeugungen von oberſter Stelle
her lag, wenigſtens gelegen hatte, ſo gewiß ſtand
ihm jetzt feſt, es käme bei dem glänzenden Schein
der Dinge nicht viel heraus, und das, was man ‚das
Glück‘ nenne, wenn's überhaupt exiſtiere, ſei 'was
anderes als dieſer Schein. „Das Glück, wenn mir
recht iſt, liegt in zweierlei: darin, daß man ganz da
ſteht, wo man hin gehört (aber welcher Beamte kann
das von ſich ſagen), und zum zweiten und beſten in
einem behaglichen Abwickeln des ganz Alltäglichen,
alſo darin, daß man ausgeſchlafen hat und daß einen
die neuen Stiefel nicht drücken. Wenn einem die
720 Minuten eines zwölfſtündigen Tages ohne be¬
ſonderen Ärger vergehen, ſo läßt ſich von einem
glücklichen Tage ſprechen.“ In einer Stimmung, die
derlei ſchmerzlichen Betrachtungen nachhing, war
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[502/0511] Effi Brieſt und mit dem Ausrufe beiſeite warf: „Da liege, bis du ſchwarz wirſt.“ Wahrſcheinlich war er dann hinterher auch „ſchwarz“ geworden, aber um viele Tage zu ſpät und ſicherlich ohne rechte Befriedigung für den Empfänger. Alles, was uns Freude machen ſoll, iſt an Zeit und Umſtände gebunden, und was uns heute noch beglückt, iſt morgen wertlos. Inn¬ ſtetten empfand das tief, und ſo gewiß ihm an Ehren und Gunſtbezeugungen von oberſter Stelle her lag, wenigſtens gelegen hatte, ſo gewiß ſtand ihm jetzt feſt, es käme bei dem glänzenden Schein der Dinge nicht viel heraus, und das, was man ‚das Glück‘ nenne, wenn's überhaupt exiſtiere, ſei 'was anderes als dieſer Schein. „Das Glück, wenn mir recht iſt, liegt in zweierlei: darin, daß man ganz da ſteht, wo man hin gehört (aber welcher Beamte kann das von ſich ſagen), und zum zweiten und beſten in einem behaglichen Abwickeln des ganz Alltäglichen, alſo darin, daß man ausgeſchlafen hat und daß einen die neuen Stiefel nicht drücken. Wenn einem die 720 Minuten eines zwölfſtündigen Tages ohne be¬ ſonderen Ärger vergehen, ſo läßt ſich von einem glücklichen Tage ſprechen.“ In einer Stimmung, die derlei ſchmerzlichen Betrachtungen nachhing, war Innſtetten auch heute wieder. Er nahm nun den zweiten Brief. Als er ihn geleſen, fuhr er über

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/511>, abgerufen am 24.11.2024.